Kultur und Sehbehinderung, ein inklusiveres Angebot entwickelt sich

Kultur und Sehbehinderung, ein inklusiveres Angebot entwickelt sich
Kultur und Sehbehinderung, ein inklusiveres Angebot entwickelt sich
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Frédéric Steinbrüchel: Zusätzlich zu den Komplikationen, die mit der Anreise zu Konzertorten verbunden sind, beeinträchtigt eine Sehbehinderung die Wahrnehmung der Atmosphäre und des Kontexts, in dem Musikveranstaltungen stattfinden können. Abgesehen von Konzerten erweist sich das Üben von und das Spielen eines Instruments auch für blinde oder sehbehinderte Menschen als schwierig. Als musikalisch-kultureller Akteur erscheint es uns wichtig, die breite Öffentlichkeit für diese Themen zu sensibilisieren und auf die damit verbundenen gesellschaftlichen Fragen aufmerksam zu machen.

Steve Roger: Während ein blinder oder sehbehinderter Mensch natürlich Freude an der Musik hat, ist der Weg zum Konzert die erste Hürde, über die wir nachdenken müssen. Dort angekommen muss man auch bedenken, dass das Erlebnis einer Musikveranstaltung mit der Wertschätzung der Umgebung beginnt, die sich beispielsweise in der Victoria Hall als großartig erweist. Es geht dann darum, auch das konzertspezifische Geschehen nachvollziehen zu können und auf die damit verbundenen Informationen zugreifen zu können.

Welche Richtlinien verfolgen Sie hinsichtlich der Zugänglichkeit Ihres kulturellen Angebots für Menschen mit Behinderungen?

Steve Roger: Unsere Richtlinie soll inklusiv sein – wir tun unser Bestes, um jedem den Zugang zu unseren Veranstaltungen zu ermöglichen. Für Menschen mit eingeschränkter Mobilität haben wir uns dafür entschieden, unser Angebot kostenlos zu gestalten, indem wir ihnen in den Konzertsälen eine Reihe spezieller Plätze zur Verfügung stellen. Eine Richtlinie, die wir auch für Menschen mit Sehbehinderungen bei vordefinierten Konzerten übernommen haben. Zusätzlich zu diesen Elementen, die den Zugang zu unseren kulturellen Veranstaltungen erleichtern sollen, führen wir auch verschiedene Sondierungsprojekte durch, die darauf abzielen, das Konzerterlebnis selbst zu bereichern und zu verbessern. In der letzten Saison haben wir beispielsweise verschiedene Podcasts produziert, die sich an blinde oder sehbehinderte Menschen richten, um ihr Erlebnis intensiver zu gestalten, insbesondere durch die Beschreibung des Victoria Hall-Geländes und seiner Besonderheiten. An diesen Aufnahmen beteiligte sich auch ein Komponist, um Elemente zu seinem Stück mitzuteilen.

Frédéric Steinbrüchel: Zu unserer Positionierung gehört auch die Öffnung unseres kulturellen Angebots für ein möglichst breites gesellschaftliches Spektrum. Wer nicht teilnehmen kann, muss selbstverständlich Zugang zu unserem Programm haben, daher sind alle unsere Veranstaltungen für ihn kostenfrei. Seit 2020 besteht außerdem eine Partnerschaft mit der ABA. Neben der Integration von Menschen mit Behinderungen bei unseren Veranstaltungen haben wir auch ein Programm mit Musikunterricht und praktischen Workshops für sehbehinderte Menschen auf die Beine gestellt. Ein Jahr lang gingen Musiker der OCG in die ABA-Räumlichkeiten, um gezielten Schlagzeugunterricht zu geben. Die Teilnehmer dieser Workshops traten anschließend bei unserem traditionellen Weihnachtskonzert in der Victoria Hall auf.

Welches Feedback wurde nach dieser Art von Vorgehensweise erhalten?

Steve Roger: Das Feedback ist ermutigend und wir legen besonderen Wert darauf, es direkt von den Zielgruppen dieser Projekte einzuholen. Zum Abschluss des mit dem Podcast angereicherten Stückes organisierten wir ein Treffen mit den Projektteilnehmern, den Musikern und dem Komponisten. Dieses Feedback ist wichtig, damit wir die Umsetzung dieser Initiativen weiter verbessern können.

Frédéric Steinbrüchel: Die Erfahrung erwies sich als sehr geschätzt, insbesondere die praktische und partizipative Dimension des Ansatzes. Die Möglichkeit, die Kursteilnehmer in eine Aufführung einbinden zu können, war erfreulich und wurde auch vom Publikum sehr geschätzt.

An welchen aktuellen und zukünftigen Projekten arbeiten Sie?

Frédéric Steinbrüchel: Unter den Projekten, die wir derzeit durchführen, sind wir daran beteiligt, das Thema Behinderung in unserem Programm präsent zu machen. Zu diesem Zweck haben wir am 4. November ein Konzert zur Feier des 100. Todestages des Komponisten Gabriel Fauré geplant, der am Ende seiner Karriere selbst an Taubheit litt. Diese Veranstaltung, die im Bâtiment des Forces Motrices stattfindet, wird in einer besonderen Lichtatmosphäre stattfinden, insbesondere durch die Reduzierung der Helligkeit und die Möglichkeit, dem Publikum eine Maske über den Augen zu tragen. Ziel ist es, ein bewusstseinsbildendes und einfühlsames Erlebnis zu bieten und gleichzeitig eine positive Botschaft zu vermitteln, nämlich die Tatsache, dass eine Sehbehinderung auch die Stimulation und Entwicklung anderer Sinne, einschließlich der Hörschärfe, fördern kann.

Wir sind daran beteiligt, das Thema Behinderung in unserem Programm präsent zu machen

Frédéric Steinbrüchel, Generalsekretär der OCG

Steve Roger: Wir erforschen weiterhin die Möglichkeiten von Podcasts, indem wir Inhalte entwickeln, die über Knochenleitungskopfhörer übertragen werden. Der Schall breitet sich somit bis zum Innenohr aus, ohne das Hören des laufenden Konzerts zu beeinträchtigen. In Bezug auf die Programmierung ist die Aranjuez-Konzert für Gitarre und Orchester das wir am 6. November in der Victoria Hall und am 7. November im Théâtre de Beaulieu in Lausanne begrüßen, wurde vom Komponisten Joaquín Rodrigo geschrieben, der selbst blind war. Eine starke Botschaft, die zeigt, dass man unabhängig von der Behinderung die Möglichkeit hat, sich selbst zu verwirklichen und Großes zu erreichen.


Missionen für sehbehinderte Menschen

von der Pro Visu Foundation und der ABA

In der Schweiz sind rund 377.000 Menschen blind, sehbehindert oder taubblind*. Mit 310 erfassten Sehstörungen und Erkrankungen** ist die Vielfalt der Situationen groß, betrifft potenziell alle Altersgruppen und beeinträchtigt gravierend die einfachsten Alltagshandlungen.

Aus dem Wunsch heraus, Augenkrankheiten vorzubeugen, entstand vor 25 Jahren die Stiftung Pro Visu. Es unterstützt sowohl wissenschaftliche Forschung als auch Projekte und Institutionen, die Menschen mit Sehbehinderung helfen.

Der Verein zum Wohle der Blinden und Sehbehinderten (ABA), eine 1901 gegründete private Non-Profit-Organisation, erfüllt eine ergänzende Mission zu der von Pro Visu. Seine Aktivitäten und Dienstleistungen zielen darauf ab, die Lebensqualität, Integration und Autonomie von Menschen mit Sehbehinderungen in Genf zu verbessern. Daher unterstützen und beraten die multidisziplinären Teams der ABA die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen durch Ergotherapie und Sozialhilfedienste, um ihr tägliches Leben, ihre Inklusion und die Verteidigung ihrer Rechte zu erleichtern. Sie arbeiten auch daran, den Zugang zu Literatur sowie schulischen und institutionellen Dokumenten zu fördern, indem sie Werke in Audio und Blindenschrift adaptieren. Darüber hinaus bieten ABA-Experten für Barrierefreiheit Beratungsdienste für Gemeinden und Institutionen an, um die gebaute Umwelt und die visuelle Umgebung barrierefrei zu gestalten. Sie bilden auch Gesundheitsfachkräfte aus, die insbesondere in Rettungsdiensten und Behindertenwerkstätten arbeiten.

Um ihr Aktionsfeld zu vervollständigen und an den Veranstaltungen zum Jubiläum der Stiftung Pro Visu teilzunehmen, wird die ABA das Vergnügen haben, im kommenden November beim Konzert dabei zu sein Im Dunkeln der OCG sowie der Aranjuez-Konzert für Gitarre und Orchester des OSR, um die breite Öffentlichkeit für das Problem der Sehbehinderung zu sensibilisieren.


Erfahren Sie mehr über ABA: https://abage.ch

Erfahren Sie mehr über die Stiftung Pro Visu: https://www.provisu.ch/

*Magazin „Tacteur“ 2020, „Entwicklung der Behinderung in der Schweiz“

**Institutionelle Website der Stiftung Pro Visu

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