Theater in Lausanne und Genf –
Emilie Charriot erweckt die Stille zwischen Duras’ Worten
Der Regisseur bietet eine subtile Interpretation von „The English Amante“, getragen von drei hervorragenden Interpreten. Zu sehen in Vidy vor Saint-Gervais und Paris.
Veröffentlicht: 28.11.2024, 15:59 Uhr
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- Das Stück „The English Amante“ ist von einer tragischen Nachricht inspiriert.
- Claire Lannes, gespielt von Dominique Reymond, tötet ihre Cousine Marie-Thérèse.
- Nicolas Bouchaud spielt den Vernehmer, der die Beweggründe für das Verbrechen erforscht.
- Die in Vidy entstandene Show wird in Saint-Gervais in Genf und im Théâtre de l’Europe/Odéon in Paris gezeigt.
„Wie viele Verbrechen wurden begangen/Gegen Lügen und sogenannte Gesetze des Herzens/Wie viele gibt es wegen Wahnsinns.“ Ein Mini-Lautsprecher spielt das Lied „Madness“ von The Stranglers. Am Fuß der Bühne des Hauptsaals des Théâtre de Vidy erzählt uns der Schauspieler Nicolas Bouchaud die schmutzige, wahre Geschichte, die im Lied erwähnt wird: ein Student, der eine junge Frau zu sich nach Hause einlädt, sie tötet und verspeist. Eine Neuigkeit.
Die Nachricht, dieser „schwarze Stern, der unser Leben durchzieht“, fasziniert ebenso wie sie abstößt. Abscheulich, es betrifft uns alle. Wer von uns hat noch nie darüber nachgedacht, ein Verbrechen zu begehen? Dieses Motiv untersucht Emilie Charriot, eine begeisterte Leserin zeitgenössischer Texte, in „The English Amante“ von Marguerite Duras, das im Vidy, dann im Théâtre Saint-Gervais und vor dem Odéon in Paris ausgestellt ist.
Am Ende der Präambel ist es Zeit für den lebendigen und prägnanten Text von Duras. Dieses Diptychon-Stück ist von einem echten Nachrichtenereignis inspiriert, das sich in den 1940er Jahren in Frankreich ereignete. Ein Mann tötete seine Frau, zerstückelte ihren Körper und wirft die Teile in Güterwaggons. Die Autorin verschiebt die Handlung: In „The English Amante“ tötet Claire Lannes nicht mehr ihren Mann, sondern ihre Cousine Marie-Thérèse Bousquet, die im Haus des Paares lebt. Sie gesteht die Tat, erklärt ihre Taten jedoch nicht.
Rolle der Sprache
In der Rolle des Vernehmers führt Nicolas Bouchaud, während er zurückgehalten wird, eine Zerlegung des Paares durch, das aus Claire Lannes (Dominique Reymond) und ihrem Ehemann Pierre (Laurent Poitrenaux) besteht. Es geht darum, die Abgründe menschlicher Beziehungen auszuloten. Durch das Labyrinth der Psyche schlüpfen. Die Gründe für Verbrechen in den Zwischenräumen des Wahnsinns suchen.
Pierre Lannes sitzt im Publikum und steht dem Vernehmer gegenüber. Mit lauten Worten und großen Gesten beantwortet Laurent Poitrenaux verstörende Fragen. Schritt für Schritt entfaltet sich ein langweiliger Alltag, ein allzu sauberes bürgerliches Leben, aufsteigende Leidenschaften, Dinge, die unausgesprochen bleiben. Die Sprache spielt eine zentrale Rolle und trägt zu Missverständnissen und Versprechern bei. So wird unter der Feder von Claire Lannes die Englische Minze (ihre Lieblingspflanze) zum Tonliebhaber.
Im zweiten Teil des Stücks konfrontiert der Vernehmer Claire Lannes am Set fast nackt. Dominique Reymond, außergewöhnlich in seiner Ambivalenz, porträtiert eine schwer fassbare Frau, die uns entgleitet, sobald wir glauben, den Anfang einer Antwort zu begreifen. Wir werden nicht wissen, was in Claire Lannes’ Kopf vorgeht. Höchstens ihr Ruf, gehört zu werden. Ganz subtil gelingt es Emilie Charriot, die Stille zwischen den Worten sprechen zu lassen.
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