Staatsneugründung sei nötig: Russischer Exil-Autor: Putin will neue Generation verderben

Staatsneugründung sei nötig: Russischer Exil-Autor: Putin will neue Generation verderben
Staatsneugründung sei nötig: Russischer Exil-Autor: Putin will neue Generation verderben
-

In Russland strebt eine neue Generation nach einem freien Leben, sagt der im Exil lebende Autor Glukhovsky. Doch Putin versuche, diese so zu beeinflussen, dass sie sich unterwirft. Der Autor, der in seiner Heimat verurteilt wurde, sieht eine steigende Gefahr für Europa.

Der aus Russland geflohene Autor Dmitry Glukhovsky (“Metro”, “Outpost”) hofft in seinem Exil in Europa auf Widerstand der Menschen gegen Kremlchef Wladimir Putin. “In den vergangenen drei Jahrzehnten vor dem Krieg sind doch Menschen einer Generation herangewachsen, die nach einem normalen menschlichen, glücklichen und freien Leben streben”, sagte der 45-Jährige. Dutzende Millionen Russen in den Städten unterstützten den Krieg gegen die Ukraine nicht und hätten durchaus Potenzial für einen Widerstand gegen das System.

Gerade ist Glukhovskys neues Buch “Wir. Tagebuch eines Untergangs” im Heyne-Verlag erschienen. Darin zeichnet er anhand vieler Ereignisse der vergangenen über zehn Jahre nach, wie sich Russland unter Putin zu einem immer autoritäreren Staat entwickelt hat und aus seiner Sicht auf den Abgrund zusteuert.

Entstanden ist eine Art Nachschlagewerk mit pointierten Schilderungen einschneidender Ereignisse, darunter die Vergiftung und der Tod des Kremlgegners Alexej Nawalny, der sich Putin wie kein anderer mutig entgegenstellte und korrupte und mafiöse Strukturen aufdeckte. Glukhovskys Texte drehen sich um Staatsdoping nicht nur bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi, um Wahlfälschung und Geschichtsvergessenheit, um Atomdrohungen und fundamentalistische Staatsideologien sowie Repression und Angstmache als Regierungsform. Vor allem aber geht es immer wieder um den zerstörerischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, den Glukhovsky – wie viele andere Experten auch – so nicht hat kommen sehen.

“Reich mit einem Minderwertigkeitskomplex”

“Manch einer sieht in Russland ein Reich des Bösen”, schreibt Glukhovsky. “Ich empfinde es eher als ein Reich des Unglücks, der Missverständnisse und der unerfüllten Hoffnungen, ein Reich mit einem Minderwertigkeitskomplex, mit dem naiven Wunsch, die ganze Welt in Erstaunen zu versetzen, ein Reich der endlosen Selbstzweifel, das sich trotz allem immer wieder beweisen will.” Nötig sei eine Neugründung Russlands als Staat, weil Putin das Land in eine Sackgasse geführt habe, sagt Glukhovsky zur Bucherscheinung.

Er erwartet, dass der Kremlchef in den kommenden fünf bis sieben Jahren versuchen wird, auch “diese neue Generation zu verderben”, sie zu unterwerfen. Trotzdem blicke er optimistisch in die Zukunft, weil der Krieg in Russland unpopulär sei und viele Menschen in dem Land auf ein anderes Leben hofften. Zugleich äußerte er die Befürchtung, dass ein wie auch immer gearteter Sieg Putins dazu führen werde, “dass sich die autoritären Strukturen weiter verfestigen” und dies zu einer Gefahr für Europa werde.

Glukhovsky räumt ein, dass die Trennung von der Heimat ein “Loch reißt in Herz und Seele”. Es werde schwerer, über Russland zu schreiben. “Man hört auf, mit dem Herzen zu fühlen. Das ist schon früheren Generationen politischer Emigranten so gegangen”, sagt er. “Ich habe schon jetzt das Gefühl, dass ich nicht mehr vollständig verstehe, was dort passiert.”

Der Autor wurde im August 2023 in Abwesenheit in einem umstrittenen Verfahren zu acht Jahren Straflager verurteilt, weil er die russische Armee in Misskredit gezogen haben soll. Auch seine Bücher, die Bestseller in Russland waren, sind in seiner Heimat praktisch verboten.

-

PREV Der König und die Königin der Belgier besuchen Lille, die Stadt bereitet sich auf ihren Empfang vor, der Verkehr ist unterbrochen
NEXT Zivilpolizei verhaftet eine Frau auf frischer Tat wegen Betrugs mit gefälschten PIX in Arapiraca :: Tribuna do Agreste