Demonstration in Winterthur: Mehrere Hundert Personen protestierten gegen Wohnungsnot

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Demonstration in Winterthur

Mehrere Hundert protestierten gegen Wohnungsnot

Gegen 400 Menschen demonstrierten am Samstag in der Innenstadt. Die unbewilligte Demo richtete sich gegen hohe Mieten, Wohnungsnot und den Kapitalismus. Die Polizei schritt nicht ein.

Publiziert: 02.11.2024, 22:07

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In Kürze:
  • Etwa 300 bis 400 Menschen demonstrierten in Winterthur gegen Wohnungsnot.
  • Der friedliche Protestzug bewegte sich mit lautstarken Slogans durch die Innenstadt.
  • Die Polizei war vor Ort, löste aber die unbewilligte Demo nicht auf.
  • Am Rande des Protestmarschs gab es geteilte Meinungen.

Der Wohnungsmangel in Winterthur ist unbestritten. Das zeigt nicht nur die bevorstehende Abstimmung über die Volksinitiative «Wohnen für alle» samt zwei Gegenvorschlägen. Lauthals-entschlossen, aber friedlich und mit viel stimmten am Samstagnachmittag viele Menschen an der Wohndemo, die unter dem Motto «Kein Profit mit unserer Miete» stand, in der Innenstadt mit den Füssen ab.

Rund 300 bis 400 Personen waren dem Aufruf der Winterthurer Hausbesetzerszene zur unbewilligten «Wohndemo» gefolgt. Junge und Ältere laufen im Protestmarsch mit, der sich kurz nach 14 Uhr vom Stadtpark aus in Richtung Graben in Bewegung setzt und via Stadthausstrasse, Graben, Obertor, Neustadtgasse, Holderplatz, Technikumstrasse zum Bahnhofplatz führt.

«Nehmen wir uns die Strasse»

Am Anfang der Demo steht die Aufforderung der Speakerin: «Nehmen wir uns die Strasse.» Dann wird immer wieder skandiert: «Oisi Strasse, oisi Quartier, weg mit de Yuppies, weg mit de Schmier!» Eine Parole, wie man sie vom Revolutionären Aufbau am 1. Mai kennt.

Die Stadtpolizei Winterthur ist mit einem grösseren Aufgebot vor Ort, verzichtet aber «im Rahmen der Verhältnismässigkeit» auf eine Auflösung der Demonstration, wie Medienchef Michael Wirz nach der Demo erklärt.

Die Stadtpolizei beobachtete die unbewilligte Demonstration, löste sie aber nicht auf. Doch es kam zu Verzeigungen.

Zu den Teilnehmerinnen gehört eine 21-jährige Studentin, die noch zu Hause wohnt. Warum sie mitlaufe? «Die Mieten steigen immer mehr, die Löhne aber nicht.» Eine simple Zweieinhalbzimmerwohnung könnten sich viele nicht mehr leisten. «Darum bin ich heute hier.»

Zuschauer filmen den Protestmarsch

Am Strassenrand zücken viele ihr Handy und filmen oder fotografieren die demonstrierende Menge. Auch eine junge Frau verfolgt das Geschehen vom Trottoir aus mit ihrer Kollegin. «Die Demo ist cool und nötig», findet die 28-Jährige, die selbst in der Altstadt wohnt. Ihre Wohnung sei noch bezahlbar. Eine weitere Erhöhung des Mietzinses wäre für sie aber schwierig, sagt sie.

«Wir bleiben drin», tönt es aus dem Lautsprecher. «Luxuswohnungen können wir uns eh nicht leisten.» Eine Verkäuferin, die den Protestzug mitverfolgt, stimmt dem Song zu. «Wenn ich aus meiner Wohnung rausmüsste, hätte ich als Alleinstehende ein Problem, eine bezahlbare Wohnung zu finden.»

«Weil günstiger Wohnraum wichtig ist»

Auch eine 57-jährige Lehrerin aus Winterthur läuft mit. «Ich bin schon seit den 1980er-Jahren an solchen Demos in Winterthur», sagt sie auf die Frage nach ihrer Motivation. Die Gefahr bestehe, dass der Boden in der Schweiz immer teurer werde und bald nur noch die Reichen in der Stadt leben könnten. Eine durchmischte Bevölkerungsstruktur sei aber die Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben in der Schweiz, finde sie.

Die Demonstration ging von der Häuserbesetzerszene aus. Doch es liefen auch viele andere mit.

Letztes Jahr habe es in Winterthur nur 86 freie Wohnungen gegeben, ruft ein Speaker ins Mikrofon. Die Kundgebung ist inzwischen in der Neustadtgasse angekommen und macht hinter der «Gisi», dem ältesten besetzten Haus in der Stadt, halt. Mit Knallkörpern geht es zur Sache. Der Speaker wettert gegen Pensionskassen, Versicherungen und die Stefanini-Stiftung, die alle nur auf Profit aus seien.

«Wir können uns nicht beklagen»

Eine Ladenbesitzerin findet das gut. Sie winkt den Vorbeimarschierenden zu. Ihre Nachbarin, die gerade das Laub vor ihrem kleinen Geschäft wegwischt, sieht es hingegen anders. «Wir sind hier auch in einem Stefanini-Haus und können uns nicht beklagen.» Reparaturen würden immer anstandslos und kostengünstig ausgeführt. «So bleibt die Miete für uns kleine Läden bezahlbar.»

Am Bahnhofplatz schüttelt etwas später ein älterer Winterthurer den Kopf. Er stimmt der Demo nicht zu. «Ich bin selbst Vermieter und habe den Mietzins noch kaum, höchstens bei einer Sanierung erhöht, und dann nur moderat.»

«Bewusst keine Bewilligung eingeholt»

Man habe bewusst keine Genehmigung bei der Stadt eingeholt, da diese ein wichtiger Akteur der Gentrifizierung sei, die Menschen mit geringem Einkommen aus der Stadt vertreiben würde, sagt einer der Organisatoren vor der Demo gegenüber Radio Stadtfilter.

Am Ende der Demonstration, die sich gegen 16 Uhr in der Steinberggasse auflöst, werden zahlreiche Teilnehmende kontrolliert und angezeigt, wie die Stadtpolizei mitteilt. Ausserdem seien mehrere Wegweisungen ausgesprochen worden. Sachbeschädigungen gab es keine.

Einige Passanten beobachteten den Demonstrationszug aus sicherer Distanz.

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