Worauf es bei der Berufswahl in Zeiten von KI ankommt
Noch bis Samstag findet in der Messe Zürich die Berufsmesse statt. Sie bietet Jugendlichen und Eltern Einblicke in Berufschancen im Zeitalter der künstlichen Intelligenz.
Schon im Zug nach Zürich Oerlikon drängen sich Schulklassen in den Gängen, um dann vorbei am Hallenstadion zur Messe Zürich zu laufen. Es ist kein Rapstar, der heute lockt, sondern die Berufsmesse Zürich – ein Tor zur beruflichen Zukunft der Jugendlichen.
110 Aussteller präsentieren an ihren Ständen 240 Lehrberufe; hinzu kommen zahlreiche Weiterbildungsangebote, wie Encarnación Maria Dellai, Leiterin der Berufsmesse Zürich, beim Eröffnungsanlass am Dienstagmittag sagte. Insgesamt erwarte sie rund 55’000 Besucherinnen und Besucher an der Messe, die noch bis 23. November dauert. Das Einzugsgebiet umfasse praktisch die ganze Deutschschweiz. Der Eintritt ist gratis.
«Es geht um die ersten Schritte ins Erwachsenenleben. Hier lernen Jugendliche auch, wie man sich in der Berufswelt bewegt und kommuniziert», sagte Dellai in ihrer Eröffnungsrede. Also rein ins Getümmel der Messe.
Kaufmännische Lehre immer noch am gefragtesten
Vorbei geht es an Ständen, die die Vielfalt beruflicher Möglichkeiten andeuten: Mal kann man in einem Armeefahrzeug probesitzen, mal an einem Coiffeurstand Attrappen frisieren. Da platziert sich das Unispital mit Berufsangeboten von der Pflege über Hotellerie bis Informatik. Dort wirbt ein Stand mit Virtual-Reality-Brillen für Elektroberufe.
Am gefragtesten sei nach wie vor die kaufmännische Lehre, so Messeleiterin Dellai. Und immer noch zeigten sich deutliche Geschlechterunterschiede: Mädchen seien häufiger an Pflegeberufen interessiert, Buben öfter an Informatik. Auch der Detailhandel zählt zu den am meisten gefragten Berufsfeldern.
Vom Lehrling zum Konzernchef
Dass man es damit weit bringen kann, dafür steht beim Eröffnungsanlass der Berufsmesse Coop-CEO Philipp Wyss ein. Er begann seine Berufslaufbahn mit einer kaufmännischen und einer Metzgerlehre. Danach habe er bei Coop sämtliche Stufen auf der Karriereleiter erklommen – bis er an die Spitze der Coop-Gruppe kam.
Im Detailhandel gebe es schweizweit zehn Prozent aller Lehrstellen, sagt Wyss. Coop etwa biete im Kanton Zürich elf verschiedene Lehrberufe an – neuerdings auch für angehende Bäckerinnen und Bäcker. «Neben dem Digitalen gibt es eine Gegenbewegung, nämlich das Handwerk», zeigt sich Wyss überzeugt.
Und fügt an, worauf es vielen Jungen bei der Lehrstellenwahl ankomme: «Wichtig ist nicht nur der Lohn, sondern auch die Perspektive. Die Jungen wollen Verantwortung übernehmen.» Darauf gehe das Unternehmen ein: «70 Prozent der bei Coop Lernenden beschäftigen wir weiter. Und 75 Prozent der Kaderstellen besetzen wir intern, das ist mir extrem wichtig.»
Das Kribbeln in den Fingern müsse da sein
Wer sich an der Berufsmesse bei Lehrstellenanbietern umhört, merkt schnell: Auch hier ist der Fachkräftemangel das grosse Thema. Entsprechend buhlen die verschiedenen Firmen und Branchen um Aufmerksamkeit.
Für die Elektrobranche hat etwa Jeremy Levy, Gründer der Baker Street GmbH, einen Stand mitgestaltet, der mit einer Art rotierendem Gamestuhl und Virtual-Reality-Brille ausgerüstet ist. «KV und Informatik haben viel Aufmerksamkeit. Aber auch die Elektrobranche bietet viele Perspektiven», sagt der Jungunternehmer. Seine Strategie: «Zuerst müssen wir das Herz ansprechen, dann den Kopf.» Das Kribbeln in den Fingern müsse da sein, um sich für einen Beruf zu entscheiden.
An der Eröffnung der Berufsmesse spricht auch die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner (Mitte) – und räumt mit einem Mythos auf: Der Jugend fehle es an Leistungsbereitschaft. Steiner hält dagegen: «Unsere Jugend ist sehr leistungsfähig.»
«Die Jungen können, was sie können müssen»
So habe erst kürzlich eine Studie der Pädagogischen Hochschule Zürich ergeben, dass 15-Jährige sprachlich kreativ seien und über einen grossen Wortschatz verfügten. Nur mit der Rechtschreibung hapere es bei vielen. «Aber seien wir ehrlich: Wir alle benutzen heute Rechtschreibprogramme. Die Jungen können also genau das, was sie können müssen», so Regierungsrätin Steiner weiter.
Den Trend zur künstlichen Intelligenz (KI) und damit veränderten Arbeitswelten greift auch Thomas Hess, Geschäftsleiter des KMU- und Gewerbeverbands Kanton Zürich, in seiner Eröffnungsrede an der Berufsmesse auf. «KI wird aus der Berufswelt nicht mehr verschwinden», sagt Hess. Damit verbunden sei bei vielen die Sorge um ihre Jobs. «Doch Elektriker und Mechaniker bleiben unentbehrlich», so Hess. Und: «Schreiner werden vermehrt mit KI arbeiten, die ihnen Vorschläge macht. Aber am Schluss werden sie selbst entscheiden, was sie umsetzen.»
Berufsmesse Zürich
Messe Zürich, Wallisellenstrasse 49, Zürich, bis 23. November, Dienstag bis Freitag 8.30 bis 17 Uhr, Samstag 10 bis 17 Uhr, Eintritt frei.
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