Das Fazit der Stadtberner Wahlen ist ernüchternd: Die Bundesstadt ist noch mehr nach links gerutscht. Die Bürgerlichen sind nicht willkommen.
Die SP der Stadt Bern hat am Sonntag gezeigt, wo Gott hockt. Bei den Wahlen konnten die Genossen ihre ohnehin schon überragende Machtposition im Stadtparlament nochmals ausbauen. Zusammen mit den Grünen, den Gewerkschaften, der Alternativen Linken und anderen gleichgesinnten Gruppierungen dominieren sie die Politik der Bundesstadt nach Belieben – wie bisher, so auch weiterhin. Wer meint, dass Zürich oder Basel linke Hochburgen seien, kennt Bern nicht: Das einst so bieder-brave Bern ist heute eine radikal linke Stadt, in der man den Kapitalismus abschaffen und die Bevölkerung mit einem bedingungslosen Grundeinkommen beglücken will – und wo die Beamten bereits mit 63 Jahren in Pension geschickt werden.
Den Bürgerlichen kann man dieses Mal keinen Vorwurf machen. Sie haben sich – anders als bei früheren Wahlen – zusammengeschlossen und mit vereinten Kräften versucht, für mehr politische Diversität und eine offenere Debatte zu sorgen. Die Bezeichnung «bürgerlich» muss man bezogen auf Bern dabei grosszügig fassen; Unternehmer sind in ihren Reihen kaum noch zu finden, dafür geht man mit dem Zeitgeist.
Zwei Drittel stimmen rot-grün
Doch den bürgerlichen – oder besser: nichtlinken – Kräften von Mitte über FDP bis SVP ist es gleichwohl nicht gelungen, einen zweiten Sitz in der Stadtregierung zurückzuerobern. Ihre gemeinsame Liste kam lediglich auf einen Drittel der Stimmen. Als einzige «Bürgerliche» wird die grünliberale Nationalrätin Melanie Mettler ins fünfköpfige Regierungsgremium einziehen. Dass sie dort als Einzelmaske viel wird bewirken können, ist nicht anzunehmen.
Die Wahlergebnisse machen einen ratlos. Bern, das ist das ernüchternde, ja deprimierende Fazit dieser Wahlen, scheint für die Bürgerlichen verloren. Das ist umso bitterer, als die finanziellen Probleme der hochverschuldeten Stadt offenkundig sind und sie dringend einer seriösen Finanzpolitik bedürfte.
Doch in Bern gelten andere Regeln. Die Wählerschaft hat es sich mit gutbezahlten Stellen in der Verwaltung (Gemeinde, Kanton und Bund), beim staatsnahen Speckgürtel, bei den vielen rund ums Bundeshaus angesiedelten Nichtregierungsorganisationen und anderen subventionierten Lobbys so wunderbar bequem eingerichtet. Berufliche Konkurrenz durch Zuwanderung gibt es hier kaum, Angst vor Jobverlust ebenso wenig.
Anziehungspunkt für Gleichgesinnte
Die rot-grüne Regierung weiss zudem genau, was sie ihren Wählern schuldig ist; Klientelismus gehört in Bern dazu. In den letzten Jahren ist sie geschickt vorgegangen, um noch mehr Gleichgesinnte anzuziehen. So ist die Bundesstadt zunehmend zu einer rot-grünen Parallelwelt geworden, in der man unter seinesgleichen lebt – ein staatlich umsorgtes Biotop, wo man nicht viel darauf gibt, wie das Geld erwirtschaftet wird.
Das zeigt sich exemplarisch in der Person der neu gewählten Grünen Ursina Anderegg, die ein Glanzresultat erzielte. Sie wird mit Melanie Mettler, Marieke Kruit (SP), Matthias Aebischer (SP) und dem Grünen Alec von Graffenried die Stadtregierung bilden. Die staatlich besoldete Gleichstellungsexpertin kann als die Linksauslegerin der neu zusammengesetzten Regierung bezeichnet werden.
Anderegg will ein Konzept der «Stadtbürger*innenschaft» für alle vorantreiben, mehr Geld für die Kulturförderung ausgeben oder ein Regenbogenhaus für die queere Community einrichten. So umfangreich ihre Ideen für den staatlichen Ausbau sind, so bescheiden sind ihre Vorstellungen zu den Finanzen: «Nicht Schuldenvermeidung sollte im Vordergrund stehen, sondern ein guter Service public für alle», lautet ihr Programm.
Sind solche Positionen wirklich eine Empfehlung für ein Regierungsamt, in dem man für Millionenbeträge verantwortlich ist? In Bern offenbar schon.