Für inhabergeführte Geschäfte in der Zürcher Altstadt hat der Black Friday kaum Bedeutung. Dass es bei den grossen Konkurrenten hohe Rabatte gibt, merken sie trotzdem.
Wer diese Woche durch die Zürcher Innenstadt bummelt, sieht in den Schaufenstern immer wieder Plakate, die hohe Rabatte versprechen. Es ist wieder Black Friday, und die Konsumentinnen und Konsumenten sollen mit tiefen Preisen in die Läden gelockt werden. Es sind jedoch vor allem die grossen Geschäfte und internationalen Ketten, die sich an der Rabattschlacht beteiligen.
Was bedeuten der Black Friday und die Black Week für die kleineren Läden? Wir haben nachgefragt.
«Pink Friday» statt Black Friday
Seit den frühen 1980er Jahren entwirft Stefi Talman Schuhe und Handtaschen. Seit 2001 ist sie an der Oberdorfstrasse in der Zürcher Altstadt ansässig. Talman sagt: «Der Black Friday ist für mich ein rotes Tuch.»
Für sie sei der Tag eine importierte Feierlichkeit, die alles entwerte. Die Ware werde mit Rabatten angeboten, und wenn die Preise einmal tief seien, erholten sie sich nicht mehr. Das Absurde sei, sagt Talman, dass der Black Friday genau vor der traditionellen Hauptsaison im Verkaufsgeschäft, der Weihnachtszeit, stattfinde. Und schon habe man sich die Marge versaut.
Der Handel tue sich mit solchen Aktionen keinen Gefallen. Alle versuchten, einander zu übertreffen und zu übervorteilen. Talman sagt: «Es ist eine Lose-lose-Situation.» Einen «super sale», also einen grossen Ausverkauf, veranstalte sie lediglich dann, wenn sie ihre Lagerbestände reduzieren müsse. Das komme alle drei bis vier Jahre vor.
Vergangenes Jahr habe sie auf den Black Friday mit Humor reagiert. Sie habe einen «Pink Friday» organisiert und dabei nur pinke Fellpompons günstiger angeboten. «Um das Ganze ein bisschen auf die Schippe zu nehmen», wie sie sagt.
Sale, aber nicht wegen Black Friday
Einen Steinwurf weit von Stefi Talmans Geschäft prangen hingegen Sale-Schriftzüge an den Schaufenstern, und zwar im Schuhgeschäfts «Pomp it up». Mit dem Black Friday habe das aber nicht direkt etwas zu tun, sagt Diego Traber, der Manager. «Bei uns gibt es das ganze Jahr lang Rabatte», sagt er. Das sei so, damit die Leute immer einen Grund hätten, das Geschäft zu besuchen.
Man bekomme aber schon mit, dass gerade Black Friday sei, sagt Traber weiter: «Es kommen immer wieder Leute in das Geschäft und fragen spezifisch nach Black-Friday-Rabatten.» Teilweise kauften Besucher einen Schuh nicht – aus Angst, dass er später plötzlich günstiger sein könnte. Früher sei das einfacher gewesen, sagt Traber. Da habe es einfach nach Weihnachten einen Ausverkauf gegeben.
Kampf gegen Rabatte – das ganze Jahr lang
In Beat Liechtis Geschäft «Rien ne va plus», ebenfalls im Oberdorf, kann man seit dreissig Jahren Gesellschaftsspiele kaufen. Hier gibt es keine Black-Friday-Schilder. Liechti selbst bezeichnet den Anlass als «witzlos». Einen speziellen Effekt auf sein Geschäft spüre er jedoch nicht. «Ich kämpfe das ganze Jahr lang gegen Rabatte», sagt er.
Mit seinem kleinen Geschäft verkaufe er von einigen Spielen drei bis vier Exemplare im Jahr. Andere, grössere Anbieter setzten vom gleichen Spiel mehrere tausend Stück ab. Diese Anbieter könnten das ganze Jahr lang Rabatte gewähren, da habe der Black Friday keine grosse zusätzliche Auswirkung auf sein Geschäft. Sowieso sei er als Laden ohne Online-Shop der Rabattschlacht nicht ganz so sehr ausgeliefert wie andere.
«Der Kunde selbst muss am Schluss wissen, wo er seinen Einkauf tätigt», sagt Liechti.
Schwere Zeit für kleine Läden
Einige hundert Meter weiter, gegenüber dem Grossmünster, hat die Modeboutique Maison Julie vor zwei Jahren eine zweite Filiale eröffnet. Tina Birnbaum ist Modeberaterin bei Maison Julie. Sie sagt, als kleiner Laden habe man es schwer während Black Friday. Besonders, wenn die grossen Geschäfte den Konsumenten die Ware fast schon hinterherschmissen – und dann noch zu Dumpingpreisen.
«Wir wollen uns das als Familienbetrieb nicht leisten», sagt Birnbaum. Ständig mit neuen Rabattschlachten zu werben, ergebe für keinen kleinen Laden Sinn. Sie betont: «Und das macht auch kein kleiner Laden.»
Birnbaum klagt über den ungünstigen Zeitpunkt von Black Friday, der während ihrer Haupteinnahmezeit zelebriert werde. Sie sagt, die grossen Marken produzierten zum Teil Extraware, die sie am Black Friday wieder verkaufen könnten. Und hält fest: «Wenn wir jetzt mit Dumpingpreisen beginnen, dann machen wir uns ja selbst kaputt.»
Zudem ärgerten sich ihre Stammkunden, wenn ein Kleidungsstück einige Wochen später 50 Prozent reduziert verkauft werde.
Birnbaum ist der Meinung, es gehe nicht auf. Früher habe es klar regulierte Sale- und Regulärverkaufszeiten gegeben. Seit diese Regelung verworfen worden sei, sei ständig überall Sale. Das habe die ganze Industrie zerstört. Sie wünsche sich eine klar definierte Ausverkaufszeit.
Ruhige Woche mit weniger Umsatz
Auf der anderen Seite der Limmat, beim Küchen- und Haushaltsartikelgeschäft Sibler am Münsterhof, tönt es ähnlich. Der Geschäftsführer Manuel Wiesendanger kann dem Black Friday nichts abgewinnen. «Man hat ein Sortiment, und dazu sollte man stehen», sagt er. «Auch zu den Preisen, die man anbietet.»
Wenn grössere Anbieter hohe Rabatte gewährten, stimme etwas am Basispreis nicht. Bei Sibler gebe es nur einmal im Jahr einen Ausverkauf, und dieser betreffe lediglich Produkte, die tatsächlich aus dem Sortiment fielen.
Dass gerade Black Friday sei, spüre man auch bei Sibler. «Die ganze Woche ist eine ruhige Woche mit weniger Umsatz», sagt Wiesendanger. Die Leute warteten mit einem Kauf mit dem Hintergedanken, dass ein Produkt doch plötzlich irgendwo günstiger zu haben sei.
«Und wer verzichtet?»
Auch im Fachgeschäft für Haushaltswaren und Schreibgeräte Fabrikat lautet die Antwort auf die Frage, ob man am Black Friday teilnehme, entschieden: nein! Franziska Browar, die Besitzerin, sagt, als kleines Geschäft könne man da nicht mithalten. Letztes Jahr seien viele Kundinnen und Kunden in den Laden gekommen und hätten gefragt, ob Fabrikat ebenfalls beim Black Friday mitmache. Enttäuscht von der Antwort, seien viele wieder abgezogen.
Die meisten hätten kein Verständnis dafür, dass kleinere Läden sich praktisch keinen Black Friday leisten könnten.
Aber wieso können sie das nicht?
Browar sagt, nur schon die Personalkosten seien sehr hoch. Zudem wolle sie mit ihrem Geschäft faire Löhne zahlen. Sie holt eine eiserne Schere aus der Vitrine und legt sie auf den Tisch. Die Schere kostet 105 Franken. Man bezahle den stolzen Preis dafür, weil der Produzent viele Stunden in die Arbeit investiert habe. Von diesen 105 Franken zahle sie ihm genug, dass er davon leben könne.
Wenn sie jetzt einen Sale machen würde, müsste jemand verzichten. Sie fragt rhetorisch, wer das wohl wäre.
Fazit: Der aus den Vereinigten Staaten importierte Konsumtag gilt bei den kleinen Läden in der Zürcher Altstadt eher als Belastung denn als Möglichkeit zur Steigerung der Einnahmen. Sie scheinen sich einig zu sein: Beim Black Friday machen wir nicht mit.