“Der Spitzname” mit Iris Berben: “Ich bin ziemlich angstfrei”

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Mit “Der Spitzname” ist Iris Berben zurück im Kino. BUNTE.de traf sie vorab. Ein Gespräch über Gendern, Haltung und Freiheit.

Nach “Der Vorname” und “Der Nachname” sind die Böttchers, Wittmanns, Bergers und Königs zurück auf der Kinoleinwand. “Der Spitzname” (Kinostart: 19. Dezember) heißt der neuste Coup des deutschen Regisseurs Sönke Wortmann und verspricht wieder Entertainment pur. Doch die Trilogie lädt längst nicht nur zum Totlachen ein – nein, auch zum Nachdenken. Denn hübsch verpackt kommen Themen auf den Tisch, die uns alle betreffen. Allen voran: gendergerechte Sprache. BUNTE.de hat mit Iris Berben (74), die brillant Freigeist Dorothea verkörpert, darüber gesprochen.

“Der Spitzname” ab dem 19. Dezember im Kino

“Ich bin eine Skeptikerin. Ich will nicht, dass eine Filmreise nur des Geldes wegen zum Selbstläufer wird. So nach dem Motto: ‘Der Film lief gut, jetzt hängen wir einen dran'”, stellt Iris Berben gleich zu Beginn unseres Gesprächs klar. “Aber das Drehbuch war auch dieses Mal überzeugend. Es kommen gesellschaftsrelevante Themen auf den Tisch und ich habe zwei ganz besondere Enkelkinder bekommen.”

Neben Iris Berben, Christoph Maria Herbst (58), Florian David Fitz (50), Caroline Peters (53), Justus von Dohnányi (64) und Janina Uhse (35) sind im dritten Teil nämlich auch Kya-Celina Barucki (20) und Jonas Volkmann (19) zu sehen – und die Jüngsten bringen ganz schön Feuer in die Runde. Beziehungsweise Trubel in die Hochzeitsvorbereitungen. Denn während Anna (Janina Uhse) ihre Trauung in den Südtiroler Alpen herbeisehnt, gibt es bei Antigone (Kya-Celina Barucki) nur ein Thema: die korrekte Verwendung gendersensibler Sprache, geschlechtsneutrale Pronomen inklusive. Während ihre Eltern darüber nur die Augen verdrehen können, hat eine dafür Verständnis. Ausgerechnet Oma Dorothea.

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Die Böttcher-Wittmann-Berger-Königs sind zurück! V.l.n.r., oben: Kya-Celina Barucki, Jona Volkmann, Caroline Peters, Janina Uhse, Justus von Dohnányi V.l.n.r., unten: Christoph Maria Herbst, Iris Berben, Florian David Fitz
© Constantin Film Verleih / Jürgen Olczyk

Iris Berben ging als junge Frau auf die Straße

“Wir Schauspieler lieben es nicht, wenn wir mit unseren Rollen verglichen werden.” Iris Berben lacht, gibt gegenüber BUNTE.de jedoch zu: “In diesem Fall gibt es tatsächlich eine Menge Überschneidungen. Das ist vor allem das Alter und alles, was damit einhergeht.” Die Schauspielerin ist Jahrgang 1950, schloss sich als Jugendliche der 68er-Bewegung an. “Ich bin in der Zeit groß geworden, über die Dorothea spricht. Gerade das Gespräch mit der Enkeltochter über Haltung kam mir bekannt vor. Ich versuche, den Freigeist in meiner Lebensmelodie zu leben.”

Sie führt aus: “Ich komme aus einer Generation, die auch stark für sich eingestanden ist. Wir sind für Vieles auf die Straße gegangen: für das Recht auf Abtreibung, für die Selbstbestimmung der Frau, für die Abschaffung des Paragraphen 175, der legitimierte, schwule und bisexuelle Männer strafrechtlich zu verfolgen.” In der logischen Konsequenz würde sie auch verstehen, warum das Gendern so wichtig ist. “Es ist ganz klar und wichtig, dass sich Sprache verändert. Das hat sie schon immer und das wird sie auch weiterhin tun. Nicht nur Sprache verändert sich, sondern mit ihr auch eine Haltung.”

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Der Spitzname

Antigone (Kya-Celina Barucki, r.) weckt den eingeschlafenen Demonstrationsgeist in Mutter Elisabeth (Caroline Peters) und Großmutter Dorothea (Iris Berben).


© Constantin Film Verleih / Jürgen Olczyk

“Ich musste lernen, dass das heute eine Form der Übergriffigkeit darstellt”

Auch Iris Berben hätte mit der Zeit lernen müssen, bestimmte Dinge anders zu formulieren – oder gar nicht mehr anzusprechen. BUNTE.de gibt sie ein Beispiel. “Für mich war es ganz normal, wenn ich mit jemanden auf der Straße oder im Taxi ins Gespräch gekommen bin und bemerkte, dass diese Person aus einer anderen Kultur kommt, zu fragen: ‘Wo kommst du her? Was machst du? Wie nimmt man dich hier auf?'” Für sie hätten diese Fragen keine Übergriffigkeit dargestellt. Im Gegenteil. “Sie sollten das Gefühl vermitteln, dass ich ernsthaft an meinem Gegenüber interessiert bin. Ich musste lernen, dass das heute eine Form der Übergriffigkeit darstellt, weil es impliziert, dass jemand nicht dazu gehört. Das war mein Lernprozess. Und das ist gut so.”

“Cancel Culture” – und welche Gefahr diese birgt

Und trotzdem übt Iris Berben auch Kritik. “Ich sehe ein, dass man sensibilisiert werden muss. Gleichzeitig sehe ich eine enorme Gefahr in dieser sogenannten ‘Cancel Culture”https://www.bunte.de/stars/star-life/.” Der Begriff stammt aus dem englischen Sprachraum, wurde Mitte der 2010er Jahre zuerst von schwarzen Twitter-Usern benutzt, die problematisches Verhalten von Prominenten kritisierten und vor allem forderten, dass dieses Verhalten nicht länger toleriert werden sollte.

Die “Cancel Culture” stellt eine Form des Boykotts dar. Menschen, die sich vermeintlich falsch zu Fragen sozialer Gerechtigkeit, Sexismus, Rassismus und Homophobie äußern, sollen “gecancelt” werden. Sprich: Sie sollen nicht mehr auf Bühnen auftreten dürfen, aus -Programmen verschwinden, den Job verlieren etc.pp. “‘Canceln’, also löschen oder zensieren, ist eines der traurigsten Worte, die es für mich gibt”, konstatiert Iris Berben. “Weil es genau das Gegenteil von dem meint, was wir doch eigentlich wollen: uns Menschen näher zusammenzubringen.”

Iris Berben appelliert: “Habt mehr Geduld mit eurem Fallbeil”

“Wir müssen nicht die Leute erreichen, die nicht korrekt gendern, sondern die, die die Inhalte nicht verstehen. Die Menschen, für die es nicht selbstverständlich ist, dass jede Lebensform und jede Farbe und jede Religion eine Gesellschaft abbildet. Die müssen wir davon überzeugen, dass wir alle zusammengehören.” Daher laute Iris Berbens Appel zum Thema Gendern: “Habt mehr Geduld mit eurem Fallbeil. Wir müssen zuerst die Menschen an die Hand kriegen, die das große Ganze nicht begriffen haben.”

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Der Spitzname

Nach “Der Vorname” und “Der Nachname” kommt jetzt Teil 3 in die Kinos.
© Constantin Film

Wenn der “alte, weiße Onkel” an Weihnachten nervt

Leichter gesagt als getan. Vor allem, wenn bei Weihnachtsfeiern im Büro oder gar im eigenen Wohnzimmer verschiedene Sichtweisen aufeinander knallen. “Wir müssen mehr zuhören”, legt Iris Berben uns im BUNTE.de-Interview ans Herzen. “Auch dem ‘alten, weißen Onkel’ an Weihnachten. Zuhören und ihn dann mit gezielten Fragen konfrontieren. ‘Was stört dich denn genau? Wie wird dein Leben beeinträchtigt? Was tut der Schwule, der Farbige, etc. ganz speziell dir an?’ Und wenn sie ihre Antworten liefern, dann muss man mit Fakten dagegenhalten. Ihnen erklären, wie die Realität aussieht. Das ist Arbeit.”

Haben Sie immer den Mut, solche Themen anzusprechen, Frau Berben? “Ja, ich bin ziemlich angstfrei.” Die Antwort kommt, ohne zu zögern. “Ich glaube nicht daran, dass jemand aufgrund seines Amtes oder seiner Stellung erstmal per se recht hat. Davon muss er mich erstmal überzeugen. Angstfrei zu sein, ist ein ganz guter Zustand. Aber das kann man nicht verordnen.”

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„Der Rock 'n' Roll ist nie weggegangen aus meinem Kopf“

“Der Rock ‘n’ Roll ist nie weggegangen aus meinem Kopf”
© © Radio Bremen / Matthias Hornung; BUNTE.de

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