Die Regierungspartei Georgischer Traum drückt ihren Kandidaten für den Präsidentenposten durch. Ein erster Nachbar gratuliert. Flammen die Proteste jetzt wieder auf?
Ph.D./I. /(dpa) In der Südkaukasusrepublik Georgien ist trotz wochenlanger Proteste ein neuer Präsident gewählt worden. Für den Ex-Fussballer Michail Kawelaschwili stimmten 224 Mitglieder eines Wahlgremiums, eine abgegebene Stimme war ungültig, wie georgische Medien unter Berufung auf die Zentrale Wahlkommission berichteten. Gegenkandidaten gab es nicht. Kawelaschwili war von der Regierungspartei Georgischer Traum aufgestellt worden.
In der Schweiz kennt man Kawelaschwili vor allem als Fussballer. Zwischen 1997 und 2006 spielte er für insgesamt sechs Schweizer Vereine, darunter auch für die Grasshoppers und den FC Zürich.
Vor dem Parlament protestierten Hunderte Demonstranten, darunter Amtsinhaberin Salome Surabischwili. «Niemand hat irgendwen gewählt. Es ist nichts passiert», sagte die Präsidentin Medienberichten zufolge. Sie hatte bereits erklärt, dass sie sich als einzig legitime Präsidentin sehe. Die neue Wahl bezeichnete sie als «Parodie».
Es ist das erste Mal, dass das Staatsoberhaupt nicht direkt, sondern von einem Wahlgremium aus Parlamentsabgeordneten und regionalen Abgeordneten bestimmt wurde. Der Georgische Traum hatte die Verfassung 2017 entsprechend geändert. Die Opposition hat bereits erklärt, die Wahl nicht anzuerkennen.
Surabischwili sieht Wahl als «Parodie»
Ihre Vertreter hatten die bei der umstrittenen Parlamentswahl Ende Oktober erlangten Mandate nicht angenommen. Daher waren im Wahlgremium weniger als die 300 eigentlich vorgesehenen Volksvertreter anwesend. 200 Stimmen waren am Samstag für einen Wahlsieg notwendig.
Surabischwili erinnerte daran, dass Georgien genau vor einem Jahr den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten hatte. «Es war ein Tag des Konsenses, der Freude in der Bevölkerung und grosser Emotionen!», schrieb sie auf der Plattform X und warf der Regierungspartei vor, ein «repressives autoritäres Regime» errichtet zu haben.
Glückwünsche aus Aserbaidschan und vom Regierungschef
Nach der Bekanntgabe des Sieges von Kawelaschwili gratulierte der Präsident des Nachbarstaates Aserbaidschan, Ilham Aliyev, prompt. Auf einer Pressekonferenz beglückwünschte Georgiens Ministerpräsident Irakli Kobachidse den früheren Fussballer Kawelaschwili ebenfalls zur Wahl. «Mehr als 20 Jahre hatte Georgien keinen patriotischen sowie moralisch und psychologisch ausgeglichen Menschen als Präsidenten», sagte er gemäss einer Mitteilung. Die Wahl Kawelaschwilis werde daher zu einem Wendepunkt für das Land. Vorgängerin Surabischwili war 2018 bei ihrer Wahl ebenfalls vom Georgischen Traum unterstützt worden.
Angesichts der während des Wahlvorgangs schwach besuchten Proteste sprach der Ministerpräsident von einer Niederlage der Opposition. «Die radikale Opposition hat zuerst die Wahlen und danach die Strasse verloren», schrieb der Regierungschef. Oppositionsparteien und Nichtregierungsorganisationen seien nicht einmal mehr in der Lage, 2000 Menschen zu Strassenaktionen zu bewegen. «Das ist ihre reale Lage, was sehr gut für unser Land ist. In Georgien ist der «Majdan» gescheitert und wird niemals gelingen», behauptete Kobachidse. Wenig später zog ein Demonstrationszug von mehreren tausend Regierungsgegnern durch das Stadtzentrum.
Seit der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl demonstrieren Menschen in Georgien regelmässig gegen die Regierungspartei. Ein neues Ausmass erreichte der Protest vor mehr als zwei Wochen nach der Erklärung Kobachidses, keine EU-Beitrittsverhandlungen bis Ende 2028 zu führen. Kritiker befürchten, dass dies auch mit einem Einfluss Russlands zu tun hat. Polizei und Demonstranten lieferten sich Strassenschlachten, es gab Verletzte und mehrere Hundert Festnahmen, darunter waren auch Oppositionspolitiker. Vorwürfe von Polizeigewalt und Folter wurden laut.
Vom Fussballspieler zum antiwestlichen Politiker und Staatschef
Der 53-jährige Kawelaschwili ist seit 2016 Abgeordneter im georgischen Parlament. Davor war er Fussballer für verschiedene Vereine im In- und Ausland – kurz auch für Manchester City und für mehrere Vereine in der Schweiz. Er zog mit dem Georgischen Traum ins Parlament und gründete später mit anderen den antiwestlichen Ableger Kraft des Volkes, der seit diesem Jahr auch als Partei registriert ist. Die Gruppe hat den zweiten Anlauf des umstrittenen Gesetzes gegen angebliche ausländische Einflussnahme initiiert. Trotz Massenprotesten setzte der Georgische Traum das Gesetz nach russischen Vorbild im Mai durch.
«Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Patriotismus und Prinzipientreue sind die Eigenschaften, die Michail Kawelaschwili auszeichnen», sagte Parteigründer und Milliardär Bidsina Iwanischwili nach der Nominierung über Kawelaschwili. Er sei die Verkörperung des georgischen Mannes.
Wegen der Mehrheit im Wahlgremium gab es keine Zweifel an der Besetzung des Staatsoberhaupts. «Es ist daher klar, dass der vom Georgischen Traum unterstützte Kandidat das Amt des georgischen Präsidenten bekleiden wird», sagte Iwanischwili damals.