Lindsey Vonn in St. Moritz: Das grosse Comeback im Ski-Weltcup

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Was in St. Moritz zu reden gab

Vonn logiert im Luxushotel statt beim Team – und eine Schweizerin thront über allen

Die Amerikanerin will ihre Gegnerinnen schon bald nervös machen, spricht aber Olympiasiegerin Corinne Suter Mut zu. Michelle Gisin stellt sich derweil Grundsatzfragen.

Publiziert heute um 17:19 Uhr

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Das Comeback: Blabla-Gesten und eine Ansage

2141 Tage Rennpause hat sie hinter sich, fast sechs Jahre also. Umso verblüffender ist, was Lindsey Vonn in St. Moritz als 40-Jährige und mit einer Teilprothese im Knie zeigt: Mit der ungünstigen Nummer 31 fährt sie auf Rang 14, verliert nur 1,18 Sekunden. Vonn wählt keine Harakiri-Linie. Und dass sie danach sagt, sie habe nichts riskiert und es sei erst der Anfang gewesen, muss sich für die staunende Konkurrenz wie eine Drohung anfühlen.

Zumindest ein kleiner Vonn-Hype ist zu spüren im Engadin, rund 5000 Zuschauer sind im Zielraum und nochmals so viele an der Strecke, deutlich mehr als in den letzten Jahren. Wegen der Amerikanerin sind Hunderte zusätzliche Ticketanfragen eingegangen, und deutlich mehr Journalisten haben sich akkreditiert.

Logiert hat Vonn nicht im US-Teamhotel, sondern als einzige Fahrerin im 5-Stern-Hotel Kempinski. Angesprochen auf die von diversen Skilegenden geäusserte Kritik an ihrem Comeback, antwortet sie mit «Blabla»-Gesten. Vonn sagt: «Ich bin nicht sehr alt. Mein Körper ist sogar stärker als gegen Ende meiner ersten Karriere. Und der Rennsport ist sowieso gefährlich, egal ob du 40, 30 oder 18 bist.» Hat Vonn das Gefühl, die Konkurrenz nervös zu machen? «Noch nicht. Aber in ein paar Rennen schon.»

Die wertvolle Hilfe: Corinne Suters Dank

Eine Lanze für Vonn bricht Corinne Suter. Die Amerikanerin war lange ihr Idol, seit Jahren sind sie Kolleginnen. Im Januar zog sich Suter einen Kreuzbandriss und eine Meniskusverletzung zu, während der Reha meldete sich Vonn mehrmals bei ihr, sprach ihr Mut zu und gab Tipps – schliesslich weiss kaum eine so gut wie sie, wie mit einem lädierten Körper umzugehen ist. «Lindsey ist eine enorm hilfsbereite Person», sagt die Schwyzerin, «und wenn sie glücklich ist, spricht doch nichts gegen ihr Comeback.»

Suter selbst macht im Engadin einen Schritt nach vorne, Platz 10 am Samstag ist ein Aufsteller. «Gewisse Abschnitte passten, aber ich bringe noch keine ganze gute Fahrt zusammen», sagt die Abfahrtsolympiasiegerin. Noch fehlt das absolute Vertrauen, sie braucht Geduld, was nicht ihre Stärke ist. Die 30-Jährige resümiert: «Ich darf nicht aufgeben und muss dranbleiben. Das A und O ist jetzt, dass ich kämpfe.»

Die Schweizer Bank: Gut-Behrami liefert wieder

>Lara Gut-Behrami aus der Schweiz nach dem Super-G-Rennen der Frauen beim Alpinen Ski-FIS-Ski-Weltcup in St. Moritz, Schweiz, Samstag, 21. Dezember 2024. (KEYSTONE/Til Buergy)>

Sie wird Zweite, trotz eines Fehlers, der sie den Sieg kostet. Nach dem Rennen am Samstag ist Lara Gut-Behrami denn auch bedient. Bald aber kehrt ihr Lächeln zurück, diese gute Laune, die sie in diesen Tagen im Bündnerland ausstrahlt. Sie fahre nun wieder so, wie sie sich das vorstelle, sagt die Tessinerin, die Selbstsicherheit sei zurück. Nur über Lindsey Vonn mag sie nicht sprechen, wobei sie nicht die Einzige ist. Einige scheinen genug zu haben vom Hype um die Rückkehrerin, Federica Brignone etwa hält fest: «Wir dürfen nicht vergessen, dass auch andere erwähnenswerte Leistungen zeigen.»

Doch zurück zu Gut-Behrami: In den Speeddisziplinen ist sie die Schweizer Bank, und es spricht derzeit wenig dagegen, dass sie noch eine Saison anhängen wird. Die Olympischen Spiele 2026 in Italien dürften ihr letztes Ziel sein. Swiss-Ski-Alpinchef Hans Flatscher sagt: «Wir machen alles, damit sie noch dabei sein wird. Es soll für sie alles stimmen.»

Die Suchende: Wohin des Weges, Michelle Gisin?

>Michelle Gisin aus der Schweiz in Aktion beim Super-G-Rennen der Frauen beim Alpinen Ski-FIS-Ski-Weltcup in St. Moritz, Schweiz, Samstag, 21. Dezember 2024. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)>

Der Saisonstart war einer zum Vergessen, und als sich Michelle Gisin in Copper Mountain auf die ersten Speedrennen vorbereitete, hatte sie auf einmal das Gefühl, sie könne keine Kurve mehr fahren. Die Sicherheit war weg, gemeinsam mit den Trainern ging sie über die Bücher.

Seither geht es aufwärts, nach den Rängen 8 und 9 in Beaver Creek reicht es in St. Moritz immerhin zum 15. Platz. Jahrelang definierte sich die Engelbergerin darüber, sämtliche Rennen zu bestreiten, «ich habe das fast ein wenig zelebriert», sagt sie. Doch die Allesfahrerin Gisin dürfte bald Geschichte sein. Sie müsse lernen, Prioritäten zu setzen, und sich von der Alles-oder-nichts-Devise lösen. «Ich bin zwar so fit wie nie, aber auch der Kopf muss mitmachen.»

Die 31-Jährige mag langsam, aber sicher nicht mehr von der einen zur anderen Disziplin hetzen, «es wäre schön, sich mal richtig auf ein Rennen vorbereiten zu können und wenn der Alltag nicht nur aus Packen, Reisen und Fahren bestehen würde». Sie sagt nicht, auf dieses oder jenes verzichten zu wollen, die Tendenz geht aber in die Richtung, dass sich Gisin künftig auf Speedrennen konzentrieren wird.

Der Gesamtweltcup: Eine erstaunliche Leaderin

Wer vor dem Saisonstart darauf gewettet und ordentlich Geld gesetzt hätte, könnte sich in St. Moritz wohl eine Ferienwohnung kaufen. Vor Weihnachten führt im Gesamtweltcup… Camille Rast! Die Walliserin ist die Profiteurin der Absage des zweiten Super-G vom Sonntag, als Hudelwetter herrscht. Sie führt 37 Punkte vor der Österreicherin Cornelia Hütter, wobei gerade Gut-Behrami (4.) und Brignone (6.) im Januar aufholen dürften, weil sie in drei Disziplinen vorne mitmischen können. Alpinchef Flatscher spricht von einer schönen Momentaufnahme, «das zeigt, dass wir einiges richtig gemacht haben».

Flatscher liegt gewiss nicht falsch, nach acht Rennen totalisieren die Schweizerinnen bereits sieben Podestplätze. Ein wenig Sorge bereitet aber die zweite Garde: Joana Hählen braucht nach ihrer Knieblessur noch etwas Zeit, wie Priska Ming-Nufer und Jasmina Suter verpasste sie die Top 30. Zudem sind einige junge Athletinnen verletzt. Anders als bei den Männern rücken weniger Talente nach, und die Leaderinnen sind bereits alle über 30.

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Philipp Rindlisbacher arbeitet seit 2008 für Tamedia. Er ist Vorsitzender des Berner Sport-Teams sowie Stellvertreter der Ressortleitung. Schwerpunktmässig berichtet er über Ski alpin, Schwingen und Eishockey. Mehr Infos

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