Die Frau, die die österreichische Ampel zum Platzen brachte

Die Frau, die die österreichische Ampel zum Platzen brachte
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Neos boss Beate Meinl-Reisinger

Die Frau, die die österreichische Ampel zum Platzen brachte

Beate Meinl-Reisinger und die liberalen Neos scheiterten in den Koalitionsverhandlungen mit ÖVP und SPÖ an der Realität. Doch den Vergleich mit Christian Lindner will sie nicht akzeptieren.

Verena Mayer

Heute um 9:42 Uhr veröffentlicht

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Kurz:
  • Wegen gescheiterter Verhandlungen zogen sich die Neos aus den Koalitionsgesprächen zurück.
  • Beate Meinl-Reisinger kritisierte politische Korruption und forderte Reformen in Österreich.
  • Das Scheitern der Verhandlungen führte zu einem Rückschlag für die Liberale Partei.

Der Weg zu Beate Meinl-Reisinger führt durch ein Gebäude im Stil der Neorenaissance, an dem eine klobige Gedenktafel daran erinnert, dass hier Theophil Hansen („Dr., k.k. Oberbaurat und Professor“) lebte. Er baute das Österreichische Parlament auf, das gleich um die Ecke liegt – schon die Neos-Räumlichkeiten deuten darauf hin, dass hier eine Partei das Zentrum der Macht anstrebt. Mehrere Monate lang sah es so aus, als würde die kleine liberale Partei Teil einer Regierung werden. Seit Herbst verhandeln die Neos mit der konservativen ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ über eine Art Austro-Ampel. Eine Einigung schien nah, doch dann verkündete Meinl-Reisinger am Freitag, dass die Neos für eine Dreierkoalition nicht mehr zur Verfügung stünden.

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In österreichischen Medien wird ihr nun vorgeworfen, sie habe „das Lindner gemacht“. 2017 brach FDP-Chef Christian Lindner die Verhandlungen mit Union und Grünen über eine Jamaika-Koalition mit der Begründung ab, es sei besser nicht zu regieren als schlecht zu regieren. Doch der Vergleich mit der deutschen FDP gefällt Meinl-Reisinger nicht, wie sie in einem Interview mit der SZ sagte. Es handele sich nicht nur um keine seit Jahrzehnten bestehende liberale Partei, die sich „in erster Linie an Selbstständige, Unternehmer und Freiberufler richtet“. Die erst seit 2012 existierenden Neos seien „bürgerlich-liberal“ und fokussieren sich auf Menschen „vom Handwerker bis zum Arzt, vom Lehrling bis zum Studenten“, die „sagen, dass es so nicht weitergehen kann“.

Mit diesem Anspruch engagiert sich Meinl-Reisinger seit Jahren in der Oppositionspolitik, zunächst im Wiener Landtag, wo sie mit dem Slogan „Kluge Kinder statt spießige Politiker“ die weitverbreitete politische Korruption in Österreich anprangerte, später als Parteivorsitzende und Parteivorsitzende Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl.

Meinl-Reisinger zog es zunächst nicht in die erste Reihe. Der 46-jährige Wiener studierte Rechtswissenschaften, spezialisierte sich auf Europarecht und arbeitete eine Zeit lang für einen konservativen Europaabgeordneten. Doch dann kam dieser Moment, als die Neos 2013 ihre Listen erstellten. Es waren etwa hundert Leute im Raum und es wurden Leute gefragt, die gerne kandidieren würden. „Dann sind ganz schnell viele Männer aufgestanden und ich habe mir gedacht: So geht das nicht.“

Im konservativen Österreich ist Meinl-Reisinger immer noch eine der wenigen Frauen in einem politischen Spitzenamt. Und sie ist eine Politikerin, die ihr Herz auf der Zunge trägt, was in einem Land, das Dinge gerne rückwärts angeht, nicht immer beliebt ist. Als Oppositionspolitikerin setzte sie sich dafür ein, dass Korruption in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen untersucht wird. Über die Partei der Kanzlerin ÖVP sagte sie einmal: „Die ÖVP hat nicht nur ein Korruptionsproblem, sie ist ein Korruptionsproblem.“ Meinl-Reisinger sagt, sie würde das heute nicht wiederholen, „ich wäre sachlicher.“

Dennoch sprach sie in den Koalitionsverhandlungen immer wieder von „Stillstand“ und „Strukturstarrheit“ und wies darauf hin, was ihrer Meinung nach dringend geändert werden müsse. Die träge Verwaltung im Bildungs- und Gesundheitsbereich, das üppig finanzierte Rentensystem, die Zuständigkeitsverwirrung zwischen Bund, Ländern und Kommunen, ein politisches System, das oft auf reinen Machterhalt ausgelegt ist. Und in den Diskussionen war sie immer wieder diejenige, die auf die prekäre Haushaltslage hinwies und Sparmaßnahmen forderte. Dies kam insbesondere bei den Sozialdemokraten nicht gut an, die Meinl-Reisinger vorwarfen, ihre Rolle als Vertreterin der kleinsten Partei zu überfordern.

Kurz vor Weihnachten lachte Meinl-Reisinger über die Frage, ob sie nicht Angst vor einem Zerfall der Neos zwischen den beiden großen Parteien habe, die sich im Laufe ihrer Geschichte in vielen Koalitionen verständigt hätten. Diese Frage läuft darauf hinaus, dass Regierungsbeteiligung ein reiner Selbstzweck ist, und das ist für die Neos nicht der Fall. Heute muss sie zugeben, dass sie an der Realität gescheitert ist. Die Aufbruchstimmung, die die Neos verbreiten wollten, ist großer Ernüchterung gewichen. Auch wenn die Neos beispielsweise ausgehandelte Reformprojekte im Bildungsbereich unterstützen wollen, steht das Land nun genau dort, wo es schon so oft war: ÖVP und SPÖ verhandeln über eine große Koalition.

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