Das Bergdorf nutze seine Isolation als Chance und setze sich erfolgreich gegen die Abwanderung durch, begründet der Schweizer Heimatschutz die Wahl.
Lippe/max. Die Schweizer Denkmalpflege hat der Bündner Gemeinde Puschlav den Wakker-Preis 2025 verliehen. Der Heimatschutz würdigt Puschlav als „Vorbild für das gelungene Zusammenspiel von Tradition, Fortschritt und Gemeinschaftsgefühl“, wie er am Dienstag mitteilte.
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Puschlav liegt am Fusse des Südhangs des Berninapasses. Es nutzt seine Randlage als Chance und verbindet Unabhängigkeit, Baukultur und nachhaltige Entwicklung zu einem zukunftsweisenden Modell für Bergregionen, so die Heimatschutzbehörde. Historische Gebäude und zeitgenössische Architektur, innovative Projekte und ein vielfältiges Kulturangebot würden Lebensqualität schaffen und der Migration entgegenwirken.
Ein Bergdorf mit mediterranem Flair
Der Wakker-Preis zeichnet jedes Jahr eine Gemeinde aus, die sich durch Stadtbild und Siedlungsentwicklung besonders hervorhebt. Das damit verbundene Preisgeld von 20.000 Franken habe eher symbolischen Charakter, sagt die Heimatschutzbehörde: „Der Wert der Auszeichnung liegt vielmehr in der öffentlichen Anerkennung vorbildlicher Leistungen.“
In Poschiavo, einer einst blühenden Handelsstadt zwischen Graubünden und Italien, sieht Homeland Security ein Stück Geschichte widergespiegelt. Nach einem wirtschaftlichen Abschwung am Ende des 18. Jahrhunderts wanderten viele Einwohner aus, um als Konditoren in europäischen Städten ihr Glück zu suchen. Sie brachten Wohlstand und urbanes Flair zurück. Davon zeugen die eleganten Patrizierhäuser, die „Palazzi“, die noch heute das Stadtbild prägen. Zusammen mit der historisch gewachsenen Struktur des Poschiavo sind sie heute im Bundesinventar der schützenswerten Stätten von nationaler Bedeutung der Schweiz (ISOS) eingetragen.
Die Architektur des Ortes zeigt, dass dort einst tiefe konfessionelle Gräben herrschten. Seit der Reformation wurde Puschlav überwiegend von Protestanten bebaut, die umliegenden Dörfer von Katholiken. Die häufige Blütezeit der reformierten Kirche spiegelt sich im Ortsbild wider: Poschiavo erinnert an noble italienische Städte. Die eher einfachen, rustikalen Holz- und Steinhäuser der umliegenden katholischen Dörfer erinnern an die schroffen umliegenden Berge.
-Nach Angaben des Heimatschutzes ist Poschiavo auch ein Vorbild für den sorgfältigen Umgang mit Baukultur. Neubauten basieren auf traditionellen Prinzipien, um das Stadtbild zu bewahren. Auch das Maiensäss ausserhalb des Dorfzentrums würde weiterhin genutzt und unterhalten.
Bürgermeister Giovanni Jochum freut sich über die Auszeichnung. Es würdige die Arbeit vieler Einheimischer, wird er in einer Gemeindeerklärung zitiert. Als Beispiel nennt er unter anderem die Wiederherstellung der Terrassenlandschaften mit den Trockenmauern, die nun wieder dem Gemüse- und Kräuteranbau dienen. „Es gibt junge Leute, die zurückkommen“, sagte Jochum bei SRF. In der Mitte des 19. und im 20. Jahrhundert kam es zu Auswanderungswellen. Seit 1990 wächst die Bevölkerung jedoch wieder. „Die kleine Fläche des Tals ermöglicht es ihnen, etwas Eigenes zu machen.“
Gleichzeitig ist es für Jugendliche jedoch unmöglich, in Puschlav die Matura zu absolvieren. Bis heute müssen junge Menschen nach Chur, Samedan oder Zuoz ziehen.
Laut Bürgermeister Jochum verfügt Poschiavo über ein größeres kulturelles Angebot als vergleichbare Orte. „Das ist dem ehrenamtlichen Engagement von Privatpersonen zu verdanken“, sagte Jochum. Die gesamte Bevölkerung beteiligt sich.
Abgeschiedenheit als Vorbild
Der Heimatschutz lobt, dass Puschlav seine Isolation zum Vorbild für regionale Unabhängigkeit gemacht habe. Die Gemeinde bietet ein eigenes Krankenhaus, Fernwärme, Schulen, eine Bibliothek, ein kulturelles Angebot, kurz: eine beachtliche Grundversorgung für die rund 3.500 Einwohner.
„Diese Unabhängigkeit ist ein entscheidender Faktor im Kampf gegen die Migration, die viele Bergregionen betrifft“, heißt es in einer Stellungnahme. Puschlav beweist, dass eine starke Gemeinschaft und kluge Planung zentrale Bausteine für eine lebenswerte Zukunft sind.