Der Krimi thematisiert auch die gängigen Vorurteile gegenüber Polizistinnen in dem vermeintlichen Männerjob.
Kriminalhauptkommissar Schnabel (Martin Brambach) ist wieder einmal der Letzte, der von dem neuen Fall erfährt. Aufgeregt stürmt er in die Dresdner Zentrale. Warum wurde er nicht längst informiert? Die Ermittlerinnen Gorniak (Karin Hanczewski) und Winkler (Cornelia Gröschel) wollten ihrem Chef die Taufe seiner Grossnichte nicht verderben. «Familie ist der Horror», erwidert der genervt, «seien Sie froh, dass Sie keine mehr haben.»
Schnabel ist besonders aufgebracht, weil es um den Mord an einem Polizisten geht: Ein Kollege aus dem Umland wurde bei einer Verkehrskontrolle auf offener Landstrasse erschossen, sein Partner schwebt im Krankenhaus in Lebensgefahr. Der Täter ist flüchtig, die Fahndung läuft.
Private Verstrickungen
Als Erste war Oberkommissarin Winkler am Tatort und hat den Schwerverletzten versorgt. Sie war in der Nähe verabredet. Ein Zufall?Zum Zeitpunkt der Schiesserei waren ausserdem zwei weitere Kolleginnen aus derselben Dienststelle vor Ort. Anstatt aus der Deckung heraus die Stellung zu halten, sind die beiden Frauen in Panik mit dem Dienstwagen davongerast. Auch das nur ein merkwürdiges Detail?
Als sich herausgestellt hat, dass Winkler an dem Morgen mit dem späteren Schützen verabredet war, wird es heikel. Private Verstrickungen sind immer schlecht, wenn es um Mordermittlungen geht. Bereits vor einem Jahr hatte das Dresdner Team ein Verbrechen zu klären, bei dem Winklers verstorbener Bruder Martin indirekt eine Rolle spielte.
Diesmal ist die Sachlage noch komplizierter: Martin, der ebenfalls Polizist war, arbeitete vor neun Jahren auf derselben Dienststelle wie die nun angegriffenen Kollegen. Dann kam er bei einer Razzia ums Leben. Womöglich fiel er einem internen Komplott zum Opfer. Das behauptet zumindest der Flüchtige, der Winkler angeblich geheime Informationen zuspielen wollte und bei der Verkehrskontrolle die Nerven verlor.
Trotz der offensichtlichen Befangenheit bleibt die Kommissarin dran an dem Fall. Zu Hauptkommissar Schnabel sagt sie nichts. Stattdessen fährt sie zu ihrem Vater, um nach Antworten zu suchen, doch der stellt sich stur. Sein sperriges Verhalten passt zu diesem Dresdner «Tatort» (Drehbuch: Christoph Busche, Regie: Jano Ben Chaabane). An allen Ecken stockt es – und Schnabels Blutdruck steigt.
Die Wache ist in der Kirche
Die Stimmung ist gereizt. Nervosität macht sich auf Täterseite und bei den Ermittlern breit. Überall wird vertuscht, verdrängt, retuschiert und gelogen. Während Winkler im Alleingang den Hintergründen um den Tod ihres Bruders nachgeht, recherchieren Gorniak und Schnabel mögliche Verbindungen zu einer langjährigen Einbruchserie. Doch alle Spuren führen zurück zu der betroffenen Provinzwache, die bis heute von Martins ehemaligem Vorgesetzten (Andreas Lust) geleitet wird.
Dass die kleine Dienststelle in einer alten Dorfkirche untergebracht ist, sorgt für einige schöne Nebeneffekte. Beim Geläut im Glockenturm schiesst und schreit sich eine Polizistin die Wut von der Seele. Es geht in diesem Fall auch um die gängigen Vorurteile gegenüber Frauen in einem vermeintlichen Männerjob. Winkler und Gorniak halten wie immer mit Kompetenz und Sachlichkeit dagegen, das ist ihre Stärke.
Die grösste Belastung liegt auf Schnabels schmalen Schultern. Er hält am Teamgeist und an der Loyalität seines Berufsstands fest. Martin Brambach spielt den dünnhäutigen Profi mit der gewohnten zynischen Trockenheit und einer tiefen Zuneigung für seine Figur. Ihm gehören die besten Sätze, man schaut ihm gern zu. Auch wenn die ganze Aufregung am Ende in sich zusammenfällt. Das System ist korrupt, Polizisten sind menschlich. Und manchmal fühlt man sich auch mit Familie verdammt allein.
«Tatort» aus Dresden: «Unter Feuer». Sonntag, 20.05 / 20.15 Uhr, SRF 1 / ARD.
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