Die letzte Präsidentschaftswahl zeigte: Zwischen der Wahlnacht und der Inauguration kann viel geschehen. Die wichtigsten Daten während der kommenden Tage und Wochen.
Vor vier Jahren stürzte die amerikanische Wahldemokratie in eine tiefe Krise, weil Donald Trump sich weigerte, seine Abwahl anzuerkennen. Die Lage eskalierte am 6. Januar 2021, dem Tag der offiziellen Beglaubigung durch den Kongress.
Das Chaos war ein Weckruf. Plötzlich war man sich bewusst, dass die Wahlen ein gefährdeter Prozess sind und die Gesetze diesen nicht genügend schützen. Trump versuchte, Lücken und Unschärfen auszunützen, um die Wahl Joe Bidens und damit den Volkswillen zu kippen. Er scheiterte schliesslich vor den Gerichten und aufgrund des Widerstands durch prinzipientreue Republikaner in den Swing States und von Vizepräsident Mike Pence.
Inzwischen haben der Kongress, die Gerichte und der Supreme Court den Wahlprozess widerstandsfähiger gemacht. Dennoch werden die Ereignisse in den Wochen nach der Wahl dieses Jahr wahrscheinlich wieder eine wichtige Rolle spielen. In den Teilstaaten steht ein Heer von Anwälten beider Lager bereit, um knappe Wahlresultate anzufechten.
Die 50 Teilstaaten und das District of Columbia wählen einen Präsidenten, aber nicht direkt, sondern durch eine Volkswahl von Elektoren, welche die Parteien im Vorfeld aufstellen. Die meisten Teilstaaten haben Gesetze, die verhindern, dass sogenannte treulose Elektoren nach der Wahl das Lager wechseln. 2020 gab es keinen einzigen von insgesamt 538 Elektoren, der sich weigerte, die Stimme für seinen Kandidaten abzugeben.
Nachdem die Urnen geschlossen haben, zählen die Verantwortlichen in den Wahlkreisen die Stimmen fertig aus und beglaubigen das Resultat. Je nach Gesetz in den Teilstaaten dauert das Tage oder sogar Wochen.
Das Wahlsieger wird in den USA nicht vom Staat, sondern von unabhängigen Medien . Die NZZ richtet sich nach der Associated Press, welche die Umfrage- und Analysetechnologie AP VoteCast benützt. Meistens erfolgt das Resultat in der Wahlnacht, aber es gibt Ausnahmen wie im Jahr 2000, als in Florida die Stimmen nicht vollständig ausgezählt werden konnten, oder 2020, als das Wahlresultat erst am Samstag klar war.
Mögliche Klagen wegen mutmasslicher Wahlmanipulation werden schon am Wahltag erfolgen und können sich über mehr als einen Monat erstrecken. Die Republikanische Partei verfolgt in ihrer Kampagne für «Integrität der Wahlen» das Ziel, 100 000 Anwälte und Wahlbeobachter zu mobilisieren, um proaktiv Rechtsstreite vorzubereiten.
Die Demokraten haben ihrerseits ein Heer von Anwälten aufgestellt, die in den Swing States bereitstehen und sich national koordinieren. Es können Ungültigkeitsklagen erfolgen, Audits oder Nachzählungen abgegebener Briefstimmen verlangt werden. Die Gerichte und der Supreme Court stehen für Express-Urteile bereit.
Der mögliche Klagen-Spuk wird spätestens am 11. Dezember zu Ende sein. Ein neues Bundesgesetz, die Electoral Count Reform Act, schreibt vor, dass alle Rechtsstreite bis dann beendet sein müssen und dass die Gouverneure (oder ein stellvertretendes Exekutivmitglied) die Elektoren delegieren. «Falsche Elektoren», die durch die Legislative als Alternative aufgestellt werden, sind nicht mehr möglich.
Sobald das Resultat feststeht, müssen die Gouverneure der Teilstaaten das Wahlresultat bescheinigen. Sie senden ihre offizielle Bescheinigung gleichentags an die Archivarin der Vereinigten Staaten in Washington. Das offizielle Dokument muss die Elektoren sowie die endgültige Stimmenzahl der Kandidaten ausweisen.
Die gewählten Elektoren treffen sich in ihren Teilstaaten und geben ihre Stimme für den Präsidenten und den Vizepräsidenten ab. Die Wähler bestätigen in mehreren Urkunden ihre Stimmabgabe und übermitteln sie den Behörden in ihrem Teilstaat und an das National-Archiv in Washington. Die Frist dafür endet am 25. Dezember.
An diesem Tag werden die neugewählten Senatoren und Kongressabgeordneten vereidigt. Das Repräsentantenhaus wählt einen neuen Speaker. Die Archivarin der Vereinigten Staaten übermittelt bis spätestens dann die Bescheinigungen der Elektorenstimmen aus den Teilstaaten.
Das Repräsentantenhaus und der Senat treten um 13 Uhr zum Kongress zusammen, wobei Vizepräsidentin Kamala Harris oder ein von ihr bestimmter Stellvertreter den Vorsitz halten wird. In der Session werden die Wahlscheine aus den Teilstaaten ausgezählt, und das Ergebnis wird vom Präsidenten des Senats, also Harris, verkündet. Die Electoral Count Reform Act regelt, dass die Rolle des Senatspräsidenten rein zeremoniell ist.
Um ein Resultat aus einem Teilstaat anzufechten, braucht es dazu neu einen Fünftel der Stimmen im Kongress. Die Einsprachen müssen zudem von einer Mehrheit in beiden Kammern bestätigt werden. Damit hat der Kongress die Hürde für unseriöse Anträge erhöht, wie sie 2020 von Trump-nahen Republikanern erfolgten.
Bei einem Patt der Elektorenstimmen (269 zu 269) wählt das Repräsentantenhaus den Präsidenten. Da dabei jeder Teilstaat eine Stimme hat und die Republikaner die Mehrheit der Teilstaaten vertreten, würde wohl Trump siegen.
Am Mittag beginnt die Amtseinführung des gewählten Präsidenten oder der gewählten Präsidentin. Zusammen mit ihrem Vizepräsidenten legen Harris oder Trump den Amtseid ab. Ab 14 Uhr schaltet und waltet eine neue Regierung im Weissen Haus. Erste Verordnungen sind zu erwarten.
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