Die Amerikaner geben Donald Trump eine zweite Chance. Er setzte auf die Themen, die den Wählern unter den Fingernägeln brannten. Kamala Harris war letztlich eine zu schwache Kandidatin, um Joe Bidens schwieriges Vermächtnis in einen Wahlsieg umzumünzen.
Nach Joe Bidens Verzicht auf eine Wiederwahl im Juli war die Euphorie in den Reihen der Demokraten gross. Kamala Harris versprach, Donald Trump mit Freude und Optimismus zu bekämpfen. Ihr Ehemann Doug Emhoff bezeichnete seine Frau am Parteitag als «joyful warrior» – eine fröhliche Kriegerin. Doch der Mehrheit der amerikanischen Wähler ist momentan ganz anders zumute. Gemäss der Nachwahlbefragung am Dienstag sind 29 Prozent wütend und 43 Prozent unzufrieden.
Diese Unzufriedenheit manifestierte sich in der Wahlnacht schnell in ernüchternden Resultaten. In den südlichen Swing States Georgia und North Carolina stand Trump bereits in der Nacht auf Mittwoch als Sieger fest. Bald übernahm er auch in den umkämpften Gliedstaaten im nördlichen Industriegürtel – Wisconsin, Michigan und Pennsylvania – die Führung. Die sogenannte «blaue Wand» im Rust Belt bröckelte und stürzte dann komplett ein.
Ein «starkes Mandat» des Volkes
Auch wenn die Umfragen knapp waren, feiert Trump einen klaren Sieg. Vermutlich wird er am Ende auch die beiden Swing States im Westen – Arizona und Nevada – für sich entscheiden. Am Mittwoch hatte der republikanische Präsidentschaftskandidat 292 Elektorenstimmen sicher auf seinem Konto, 270 brauchte er mindestens für den Sieg. Gleichzeitig steht fest, dass die Republikaner die Mehrheit im Senat zurückerobern. Der Ausgang im Repräsentantenhaus ist derweil noch offen.
Während Harris in ihrer Enttäuschung in der Wahlnacht auf einen Auftritt vor ihren Anhängern verzichtete, zeigte sich Trump in Florida am Mittwoch um halb drei Uhr nachts überschwänglich: «Schaut, was passiert ist. Ist das nicht verrückt?», sagte er unter dem Jubel seiner Unterstützer. Amerika habe ihm ein «starkes Mandat» gegeben. Und er werde sein Land in ein «goldenes Zeitalter» führen. In Anspielung auf das Attentat auf ihn im Juli meinte Trump: «Viele Leute haben mir gesagt, dass Gott mich aus einem Grund am Leben gelassen habe.» Der Grund sei, Amerika zu retten und zu alter Grösse zu führen.
In Tat und Wahrheit scheinen die Gründe für Trumps beeindruckendes Comeback ganz irdisch zu sein. Wer seine Stimme für ihn einlegte, sorgte sich vor allem um zwei Dinge: die wirtschaftliche Situation und die Zuwanderung. Das sind die beiden Themen, die der Republikaner ins Zentrum seines Wahlkampfs stellte. Und wie sich gemäss den Nachwahlbefragungen zeigt, sind es die zwei Dinge, über die sich eine Mehrheit der Amerikaner derzeit die grössten Sorgen macht.
Wer Harris wählte, sorgte sich vor allem um die Stabilität der amerikanischen Demokratie und das Recht auf Abtreibung. Doch mit diesen beiden Themen konnte die Vizepräsidentin letztlich nicht genügend Wähler mobilisieren. Nicht einmal die Frauen zeigten sich besonders begeistert. Harris gewann zwar mehr weibliche Stimmen als Trump. Doch ihr Vorsprung von 10 Prozentpunkten bei dieser Wählergruppe war deutlich kleiner als Bidens Vorsprung von 15 Prozentpunkten vor vier Jahren. Trump vergrösserte derweil seinen Rückhalt in gesellschaftlichen Schichten, die bisher traditionell die Demokraten wählten: bei jungen Wählern sowie unter afroamerikanischen und hispanischen Männern. Trump wird in dieser Wahl deshalb erstmals auch das Volksmehr – die «popular vote» – gewinnen.
Die Folge einer durchwachsenen Präsidentschaft
Mit dem Votum erhalten die Demokraten eine schmerzhafte Quittung für Joe Bidens durchwachsene Präsidentschaft. Die Inflation hat sich zwar wieder auf moderate 2,4 Prozent abgekühlt. Aber die Amerikaner bezahlen heute rund 20 Prozent mehr für Lebensmittel als vor vier Jahren. Zudem legten auch die Mietpreise und die Hypothekarzinsen stark zu. Zwar gleichen steigende Löhne die Teuerung immer mehr aus, aber eine Mehrheit der Amerikaner sieht sich trotzdem schlechter gestellt als vor vier Jahren.
Gleichzeitig führte die Lockerung der Asylpolitik unter der Biden-Harris-Regierung zu einer rekordhohen Einwanderung über die Südgrenze zu Mexiko. Die Belastung für einzelne Kommunen war so gross, dass sich selbst demokratische Bürgermeister und Gouverneure über die Politik in Washington beschwerten. Biden handelte zu zögerlich. Erst als die Wahlen näher rückten, reagierte er in der ersten Hälfte dieses Jahres. Mit Mexikos Hilfe und einer durch Verordnungen verschärften Asylpolitik sank der Zustrom der Migranten um 60 Prozent.
Hinzu kamen aussenpolitische Krisen und Konflikte, in denen Washington wenig erfolgreich agierte. Mit dem chaotischen Abzug aus Afghanistan 2021 stürzten Bidens Umfragewerte ab und erholten sich nicht mehr. Wenige Monate später konnte er den russischen Einmarsch in der Ukraine nicht verhindern. Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 verfolgte Biden auch im Nahen Osten einen hilflosen Zickzackkurs. Er unterstütze einerseits Israels Offensive im Gazastreifen und drängte andererseits angesichts der Studentenproteste an amerikanischen Universitäten auf einen Waffenstillstand. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu weitete den Krieg jedoch immer weiter aus. Biden wirkte machtlos.
Zu spät erkannte Biden zudem auch, dass sein gesundheitlicher Zustand keine weitere Amtszeit mehr zulässt. Hätte er rechtzeitig auf eine zweite Amtszeit verzichtet, wäre es für die Demokraten möglich gewesen, in offenen Vorwahlen den besten Kandidaten in ihren Reihen aufzustellen. So aber blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich in der Verzweiflung im Juli hinter Kamala Harris zu stellen. Diese konnte das Vertrauen der Amerikaner letztlich nicht gewinnen. Einerseits erwies sich Bidens Erbe als zu schwer. Anderseits fehlte Harris das Charisma, um die Herzen der Wähler im Sturm zu erobern.
Amerika soll zunächst an sich denken
Ob die USA mit Trump im Weissen Haus nun aber über einen besseren Commander-in-Chief verfügen, muss sich erst noch zeigen. Sein Wahlprogramm verspricht kaum Lösungen für die drängendsten Probleme. Den Arbeitern hat Trump mehr Protektionismus durch noch höhere Zölle versprochen, die Milliardäre begeisterte er mit der Aussicht auf Steuersenkungen. Zudem will er illegale Einwanderer in Massen ausschaffen. Amerikanische Wirtschaftsexperten warnen davor, dass diese Pläne die Inflation anheizen und das Loch in der Staatskasse weiter vergrössern werden.
Trump hegt die Idee, den Tesla-Gründer Elon Musk damit zu beauftragen, den amerikanischen Staat schlanker zu machen. Doch für die wachsenden Schulden sind nicht in erster Linie die Beamtenlöhne verantwortlich, sondern die staatlichen Renten- und Gesundheitsversicherungen. Trump hat allerdings versprochen, die Renten nicht zu kürzen und das Rentenalter nicht zu erhöhen.
Die Demokraten befürchten derweil, dass Trump die Gewaltenteilung und den Rechtsstaat aushöhlen könnte. In seiner Rede nach dem Wahlsieg gab sich Trump zwar versöhnlich und drohte seinen politischen Gegnern nicht mit Rache. Im Wahlkampf hatte er jedoch angekündigt, «sehr aggressiv» gegen «schurkische Bürokraten» vorzugehen. Die Sorge der Demokraten ist es, dass der neue republikanische Präsident die Verwaltung politisieren könnte, indem er Zehntausende von Beamten durch loyale Gehilfen ersetzt. Dies würde Trump erlauben, seine Kritiker mithilfe der Bürokratie zu gängeln. Gemäss seinem früheren Stabschef John Kelly wollte Trump in seiner ersten Amtszeit die Steuerbehörden missbrauchen, um unliebsame Personen einer Steuerprüfung zu unterziehen.
Die Demokraten sehen auch die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet. Sie erwarten, dass Trump einen überaus loyalen Justizminister ernennen wird, um in einem ersten Schritt den Sonderermittler Jack Smith abzusetzen. Dieser hatte zwei Anklagen gegen ihn erhoben wegen der Unterschlagung von Geheimdienstdokumenten und seines «Putschversuchs» gegen das Wahlresultat 2020.
Aussenpolitisch könnte Trump neue Gräben zwischen den westlichen Bündnispartnern aufreissen, zu einem Zeitpunkt, zu dem die freie Welt eigentlich Geschlossenheit gegenüber der autoritären Achse zwischen Moskau, Peking, Pjongjang und Teheran zeigen sollte. In seiner Siegesrede betonte Trump, dass die USA unter ihm zunächst an sich selbst und nicht an ihre Rolle als Weltpolizist denken würden. Es gelte «America first», zumindest für eine bestimmte Zeit. Die «New York Times» zeigte sich am Mittwoch pessimistisch: «Donald Trumps Rückkehr an die Macht leitet eine Ära der Unsicherheit ein.»
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