„Wie wir hören, ist die Ampelregierung Geschichte“: Mit diesen Worten von Markus Preiß, dem Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, war klar, dass der Fernsehabend im Ersten, der eigentlich komplett auf die US-Wahl ausgerichtet war, einen neuen Spin bekommen hatte. Donald Trump? War plötzlich nur noch alte News. SPD, FDP dementiert – Lindner will nochmal Finanzminister werden”>Denn Berlin bebte.
Es sind Abende wie dieser, die uns zeigen, was wir tatsächlich an der ARD haben. Gerne gescholten als tantenhaft-behäbig und von vorgestern, wächst das öffentlich-rechtliche Fernsehen in solchen Krisenmomenten plötzlich über sich hinaus und lässt durchblitzen, warum die Fernsehgebühren vielleicht doch ihren Sinn und Zweck haben.
Die Nacht der vielen Wendungen
Der ARD-„Brennpunkt zur Wiederwahl von Donald Trump hätte eigentlich um 21 Uhr enden sollen, geplant war danach eine – unüblich frühe – Folge von „Maischberger“, in denen unter anderem CDU-Mann Armin Laschet und der ehemalige Trump-Berater John Bolton über die neue Lage in der USA hätten reden sollen. Doch nach der letzten Schalte zu Jörg Schönenborn redet Moderatorin Ellen Ehni einfach lächelnd weiter – mit der vagen Ankündigung, „man weiß ja nicht, welche Wendung die Sendung noch nehmen wird“.
Weil sich in Berlin die Geschehnisse überschlagen, unterbricht das ZDF seinen Kriminalklassiker „Aktenzeichen XY … ungelöst“ und wechselt zum Berliner Politthriller. Bei der ARD wächst der auf 45 Minuten angelegte „Brennpunkt“ auf satte zwei Stunden an. Scholz‘ Verbalohrfeige für Christian Lindner und seine Ankündigung von Neuwahlen im Januar werden live eingebunden, ebenso Robert Habecks hörbare Fassungslosigkeit und Enttäuschung über den plötzlichen Bruch der Koalition sowie Christian Lindners empörtes Statement, in dem er dem Kanzler einen „kalkulierten Bruch der Koalition“ vorwirft.
Hinten Hektik, vorne gelassene Kompetenz
Man kann sich nur vorstellen, welche Hektik bei den journalistischen Heinzelmännchen hinter den „Brennpunkt“-Kulissen herrschte, um in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Schalten zu organisieren und im Berliner Politnebel nach Fakten zu fahnden. Vor der Kamera hingegen: nichts als routinierte Gelassenheit.
Jörg Schönenborn, der Mann der Zahlen und Umfragen bei der ARD, zaubert unermüdlich neue Diagramme auf den Screen. Markus Preiß hört manche Frage von Moderatorin Ehni nicht und hat stattdessen sich selbst als Echo im Ohr – und doch klingt das, was er über das Ratzfatz-Ende der Ampelkoalition und die neue Rolle von Lindner als Watschenbaum von Kanzler Scholz zu sagen hat, nicht nur flüssig, sondern auch nachvollziehbar: „Wenn das alles so war: Wo war da die Führungsstärke von Olaf Scholz?“
Die Kernkompetenzen des viel gescholtenen analogen Fernsehens
Der Maischberger-Talk wird spontan in den „ARD-Brennpunkt“ integriert, obwohl weder CDU-Mann Armin Laschet noch SPD-Politikerin Gesine Schwan aus dem Studio heraus kaum Substanzielles zum Berliner Crash beitragen können. Laschet behauptet, das Ampel-Ende sei „überraschend, aber auch nicht ganz unlogisch“ und hadert damit, dass der Noch-Kanzler die Vertrauensfrage erst im Januar stellen will. Und Schwan konstatiert, dass Deutschland sich nach der Trump-Wahl so etwas wie das Hin und Her der letzten Wochen nicht mehr leisten könne.
Und dennoch: Endlich zeigen sich mal wieder die Kernkompetenzen des viel gescholtenen analogen Fernsehens – das Geschehen nicht nur live zu übermitteln, sondern es auch ebenso kompetent wie verständlich einzuordnen und zu kommentieren. An solchen Ausnahme-Abenden sitzt man dann doch bei ARD und ZDF gerne in der ersten Reihe.
Surftipp: Die Entlassung von Finanzminister Lindner durch Bundeskanzler Scholz entfacht hitzige Diskussionen. Tausende FOCUS-online-User äußern Kritik an Scholz und der Ampel-Koalition. KI-Spezialistin Nadine Noppinger hat das Stimmungsbild analysiert.
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