Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Rassendiskriminierung: Wird die Immunität von Andreas Glarner aufgehoben?
Die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland hat bei der zuständigen Kommission des Nationalrats ein Gesuch eingereicht, um die Immunität von Andreas Glarner aufzuheben. Gegen den SVP-Nationalrat läuft ein Strafverfahren wegen eines islamkritischen Beitrags auf X/Twitter nach der Messerattacke von Mannheim.
Vor den Nationalratswahlen im Herbst 2023 publizierte Andreas Glarner auf X (damals Twitter) und Instagram ein Fake-Video der Basler Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan. Mithilfe künstlicher Intelligenz liess der SVP-Nationalrat seine Amtskollegin rechte Parolen aufsagen, mit einer Stimme, die klang wie ihre. Die gefälschte Arslan forderte Wählerinnen und Wähler auf, Andreas Glarner zweimal auf die Liste schrieben.
Der Hinweis, dass es sich nicht um ein echtes Video handelte, war unten links verhältnismässig klein eingeblendet. Arslan erwirkte eine superprovisorische Verfügung, Glarner musste das Video vom Netz nehmen, das Basler Zivilgericht verurteilte ihn zu einer Zahlung von 3842.50 Franken: 1500 Franken betrugen die Gerichtskosten, 2342.50 Franken die Anwaltskosten von Sibel Arslan.
Glarner sagte im Januar in den Tamedia-Zeitungen: «Das war mir der Spass wert.» Die rechtliche Auseinandersetzung war damit aber nicht beendet: Am 12. Januar reichte Arslan eine Strafanzeige gegen Glarner ein – der Vorwurf: Identitätsmissbrauch. Seither war es still um den Fall – bis am 5. November auf der Seite des Parlaments ein brisanter Eintrag aufgeschaltet wurde.
Berner Staatsanwaltschaft ermittelt
«24.195 Geschäft des Parlaments: Immunität von Nationalrat Andreas Glarner. Gesuch um Aufhebung», steht dort. Das ist bemerkenswert, weil die Staatsanwaltschaft die Aufhebung der Immunität von Glarner anfordern muss, wenn sie ein Verfahren gegen ihn an die Hand nimmt. Parlamentsmitglieder sind durch die Immunität geschützt, wenn die möglicherweise strafbare Handlung in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer amtlichen Stellung geschieht.
Anfrage bei der Berner Staatsanwaltschaft: Der Informationsbeauftragte Christof Scheurer bestätigt, dass die regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland ein Gesuch um Aufhebung der Immunität von Andreas Glarner gestellt hat. Das Gesuch stehe indes nicht im Zusammenhang mit der Anzeige von Nationalrätin Sibel Arslan.
Tweet nach Messerattacke in Deutschland
Kurz darauf erreicht die Redaktion den SVP-Nationalrat am Handy, und Glarner bestätigt, dass ein Strafverfahren gegen ihn läuft. Er sei anonym angezeigt worden, dies wegen eines islamkritischen Tweets, den er nach der Messerattacke von Mannheim verfasst habe. Allerdings sei er gerade unterwegs und habe die Unterlagen im Büro, deshalb könne er keine Details nennen, sagt Glarner. Später zeigt sich: Es geht um einen Post auf X vom 2. Juni dieses Jahres.
Darin schrieb Glarner: «Sollten wir nicht langsam einer Religion Einhalt gebieten, deren Angehörige ihren Forderungen nach Kopftuch, Sonderrechten, Kalifaten, Minaretten, Gebetsrufern, Scharia-Gerichten usw. durch Sprengstoffanschläge, Angriffe auf Weihnachtsmärkte und Messerattacken auf unbescholtene Bürger Nachdruck verleihen…»
Christof Scheurer, Sprecher der Berner Staatsanwaltschaft, bestätigt am Donnerstag die Aussagen von Glarner. Er ergänzt: «Die Polizei erhielt einen anonymen Hinweis und reichte gestützt darauf in der Folge eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland ein.» Scheurer teilt weiter mit, es gehe – wie von der AZ vermutet – um mögliche Rassendiskriminierung. Nadia Bürgy, die Auskunftsperson der Immunitätskommission des Nationalrats, äussert sich nicht, sie stellt eine Medienmitteilung für den 18. November in Aussicht.
Andreas Glarner nimmt zum möglichen Verfahren Stellung.
Video: Tele M1
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