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Biograf Ronald Reng erinnert sich an letztes Telefonat

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Sie sagten mal, er habe in diesem Gespräch gehetzt gewirkt.

Er klang für mich, als fühlte er sich von mir in diesem Moment gestört. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt ja noch nichts von Roberts Depressionen. Später habe ich gelernt, was für eine Belastung es in einer tiefen Depressionsphase für den Betroffenen ist, überhaupt ein Telefonat zu führen. Die Depression verzerrt seine Wahrnehmung so sehr, dass er fühlt, nichts mehr zu schaffen, nicht einmal mit einem Freund zu reden.

Was meinen Sie damit, wenn Sie von einer “verzerrten Wahrnehmung” sprechen?

Eine Depression ist eine Stoffwechselkrankheit. Dabei sind verschiedene Funktionen im Gehirn für den Moment eingeschränkt, zum Beispiel funktionieren die Neurotransmitter nicht richtig. Das wiederum führt dazu, dass die eigene Wahrnehmung des Betroffenen extrem verzerrt ist. Er kann die Dinge nicht mehr positiv sehen. Aus dieser negativen Weltansicht folgt dann auch oft ein Angstdenken: Ich kann nichts mehr. Ich mache nur noch Fehler. Meine Beine sind Streichhölzer.

Gedanken, die auch Robert Enke hatte.

Ja, das waren klassische Symptome seiner Krankheit. Wobei Robert nur für sehr kurze Phasen seines Lebens unter Depressionen litt. War er gesund, dann war er ein äußerst stressresistenter Sportler, frei von Ängsten. Es ist dabei auch wichtig, dass wir in diesem Kontext zwei entscheidende Dinge nicht miteinander vermischen.

Angststörung oder auch krankhafter Stress auf der einen Seite und Depressionen auf der anderen sind zwei unterschiedliche psychische Krankheiten, so wie ein Bänderriss und ein Knochenbruch verschiedene physische Leiden sind. In einem Beruf mit hohem Druck wie dem Profifußball kann es öfter zu krankhaften Stresserscheinungen kommen. Der ehemalige Nationalspieler Per Mertesacker hat zum Beispiel davon berichtet, wie ihm der Stress vor Spielen so auf den Magen schlug, dass er sich übergeben musste. Das hat aber nichts mit Depressionen zu tun. Depressionen treten – ähnlich wie Krebs – in jedem Alter, in jedem Beruf, in jeder Schicht, in jedem Land auf. Die Vorstellung vieler Menschen, der hohe Druck mache Profifußballer besonders anfällig für Depressionen, ist falsch. Robert wäre nach meiner Einschätzung auch als Lehrer oder Buchautor anfällig für Depressionen gewesen, weil er eine Prädisposition dafür hatte.

Seine Depression hat Robert Enke über Jahre verheimlicht, nicht nur vor Ihnen. Er hatte vor allem Angst davor, seine Karriere beenden zu müssen, wenn er sich mit der Krankheit an die Öffentlichkeit wendet. Wäre das heute anders?

Da bin ich mir sicher. Das Paradebeispiel dafür ist doch Andrés Iniesta, einer der weltbesten Fußballer der jüngeren Vergangenheit, der seine Erkrankung 2018 öffentlich gemacht hat. Er hat es geschafft, mit ihr zu leben und trotzdem im Fußball leistungsfähig zu sein. Solche Beispiele gab es zu Roberts Zeit aber nicht. In Deutschland war da nur der Fall Sebastian Deisler – und der hat wegen der Depression seine Karriere beendet. Heutzutage hätte Robert es Iniesta sicherlich gleichgetan. Die Behandlung wäre ihm dann auch leichter gefallen und vielleicht wäre er heute sogar noch am Leben.

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