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Angriff in Samnaun: Kesb war Monate zuvor gewarnt

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In Samnaun GR griff ein 52-jähriger Mann am Mittwoch einen zehnjährigen Jungen an einer Bushaltestelle an. Wie der Bruder des mutmasslichen Täters gegenüber 20 Minuten erzählt, habe er ihn bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden Kesb gemeldet. Welche Schritte unternimmt die Behörde bei einer Gefährdungsmeldung, und wie kann Gewalt effektiv verhindert werden? Die Kesb erklärt – unabhängig vom Fall in Samnaun – die Vorgehensweise.

Wenn bei der Kesb eine Gefährdungsmeldung eingeht, wird zunächst ein Abklärungsverfahren eingeleitet, erklärt Matthias Tscharner, Leiter der Kesb Graubünden.

Ziel sei es, herauszufinden:

Dazu führe die Kesb Gespräche mit der Person selbst sowie Angehörigen, Sozialdiensten oder Ärzten. Anhand der abgeklärten Sachverhalte erfolge dann eine interdisziplinäre Problemerklärung: «Wir wollen herausfinden, ob ein Schwächezustand vorliegt, der eine behördliche Intervention erforderlich macht», sagt Tscharner. Liege eine akute Gefährdung vor, könne die Behörde in besonderen Fällen auch superprovisorische Massnahmen ergreifen. «Das sind Entscheidungen, die ohne Anhörung der Beteiligten getroffen werden. Die Anhörung muss dann aber bei erster Gelegenheit nachgeholt werden.»

Die Kesb könne zudem für die Dauer eines Verfahrens notwendige Massnahmen vorsorglich treffen: «Das wird gemacht, wenn der betroffenen Person ohne Massnahme ein Nachteil entstehen oder diese sich erheblich gefährden würde», sagt Tscharner.

Nicht immer seien Betroffene bereit, mit der Kesb oder anderen Behörden zusammenzuarbeiten. «Es kommt vor, dass Erwachsene nicht einsehen, dass sie sich selbst oder andere gefährden», so Tscharner. So stuften manche das eigene Verhalten nicht als problematisch ein. Auch bei psychischen Erkrankungen sei die Einsicht oft nicht gegeben. Dennoch sei die Mitwirkung gesetzlich vorgeschrieben, und letztlich entscheide die Kesb, ob und welche Massnahmen ergriffen werden. Auch die Angehörigen könnten das nicht entscheiden, erklärt Tscharner.

Die Kritik, dass die Behörden oft erst reagieren, wenn bereits etwas passiert ist, hört man immer wieder. Tscharner betont jedoch, dass die Handlungsfähigkeit von Seiten der Behörde begrenzt sei: «Die Kesb kann keine Massnahmen auf Vorrat anordnen.» Die Behörde könne nur Massnahmen aufgrund konkreter und aktueller Sachverhalte anordnen. Und diese werden auf den Einzelfall massgeschneidert.

Da es sich im Fall Samnaun um ein laufendes Verfahren handelt, äussert sich die Kesb nicht zum Fall. Welche Massnahmen seitens der Behörden ergriffen wurden, kann aus Datenschutzgründen nicht mitgeteilt werden. «Die Frage ist, ob überhaupt Abklärungen vorgenommen worden sind», sagt Dirk Baier, Experte für Gewaltprävention. Zudem sei bei einer gemeldeten Fremdgefährdung eine sogenannte polizeiliche Gefahrenabklärung wichtig.

Dirk Baier ist seit 2024 Professor für Kriminologie an der Universität Zürich und seit 2015 Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Dirk Baier, Gewaltexperte und Kriminologe

ZAHW

Ein Problem ist laut Baier, dass Graubünden im Gegensatz zu anderen Kantonen noch kein Bedrohungsmanagement habe. Das Bedrohungsmanagement zielt darauf ab, schwere Gewalttaten zu verhindern, indem frühzeitig Warnsignale erkannt und seitens der Behörden interveniert wird. Dieses System sei speziell für Fälle von Fremdgefährdung entwickelt. «Ob ein solches System den Vorfall hätte verhindern können, ist unklar. Absolute Sicherheit gibt es nicht», sagt er. Dennoch könne es helfen, potenzielle Gefährder besser einzuschätzen und frühzeitig präventive Massnahmen zu ergreifen.

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Frauenberatung sexuelle Gewalt

Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche

Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein

Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer

LGBT+-Helpline, Tel. 0800 133 133

Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Beratungsstellen für gewaltausübende

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