Am Samstag kommt es im Achtelfinale des Berliner Pokals zu einem ungleichen Spiel. Nicht nur, weil sich Kreisligist Delay Sports mit dem Viertligisten BFC Dynamo duelliert. Sondern auch, weil zwei völlig gegensätzliche Philosophien aufeinandertreffen.
Länderspielpause. Die großen Fußballstadien bleiben am Wochenende also leer, auch in Berlin stellt sich die Lage nicht anders dar. Kein Hertha BSC im Einsatz, ebenso wenig Union. Und doch dürfte es in der Hauptstadt nicht langweilig werden, was die Unterhaltung, Action und Brisanz auf Vereinsebene betrifft. Denn der Cosy Wasch-Landespokal (ja, so heißt der Wettbewerb wirklich), elektrisiert die Stadt in diesen Tagen – vor allem das Sportforum Hohenschönhausen, wo am Samstag um 13 Uhr 3.500 bis 4.000 Zuschauer erwartet werden.
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Mittendrin ist Deutschlands bekanntester Amateurklub: Delay Sports Berlin. Der von den beiden Twitch-Streamern und Ex-Fußballern Elias Nerlich und Sidney Friede mitgegründete Verein kämpft für seinen großen Traum und hat auf dem Weg ins Achtelfinale des Berliner Pokals schon für viele große Überraschungen gesorgt. Nach Siegen gegen einen Neuntligisten, einen Achtligisten, einen Siebtligisten und zuletzt den Sechstligisten Polar Pinguin wartet nun der Regionalligist BFC Dynamo. Der Sieger des Berliner Pokals qualifiziert sich für die DFB-Pokalsaison 2025/26.
Vier Siege fehlen bis dahin. Die Aufgaben werden nicht leichter – das Selbstbewusstsein aber auch nicht kleiner. Wie es theoretisch möglich wäre, dass ein Verein aus der 9. Liga gegen einen Viertligisten doch die Oberhand behält? „Wenn man Delay Sports heißt“, lacht Bilal Kamarieh, eines der bekanntesten Gesichter des Kreisligisten, im Gespräch mit SPORT1. Er wisse zwar, dass es sehr, sehr schwer werde, „aber wir werden alles reinwerfen und sehen, was herauskommt. Ich habe richtig Bock und freue mich noch mehr für die Jungs, die so eine Kulisse nicht gewohnt sind“, erklärt der 28-Jährige vor dem, wie er selbst sagt, größten Spiel der Vereinsgeschichte.
„Crazy, wie schnell sich das alles entwickelt hat“
Dass die Atmosphäre eine ganz spezielle wird, ist klar. Weil das Duell sportlich ein ungleiches ist und sich trotzdem beide Seiten, mehr oder weniger mutig formuliert, etwas ausrechnen. Aber auch, weil die Fußballwelten, in denen sich die Klubs bewegen, unterschiedlicher kaum sein könnten. BFC Dynamo gegen Delay Sports, das ist auch der DDR-Rekordmeister gegen einen erst 2021 ins Leben gerufenen Verein. Ost-Urgestein gegen Influencer-Projekt. Tradition gegen Moderne. Oder ein Team, das Ambitionen Richtung Dritte Liga hat, aber seit Jahren in der Regionalliga festhängt, gegen einen aufstrebenden Verein, der vor allem bei Jugendlichen einen riesigen Hype auslöst.
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Was die mediale Reichweite angeht, ist der Kreisligist sogar schon Top-of-the-Town. Allein auf Instagram verzeichnet Delay Sports (550.000) deutlich mehr Follower als die beiden gestandenen Berliner Bundesligisten Hertha BSC (368.000) und Union (349.000). „Es ist crazy, wie schnell sich das alles entwickelt hat und von wie vielen Menschen wir mittlerweile unterstützt werden“, betonte Kamarieh, dem gleichzeitig bewusst ist, dass nicht alle mit dem Projekt einverstanden sind. Trotzdem oder gerade deshalb ist es ihm wichtig zu betonen, dass Delay Sports mehr ist als nur ein Influencer-Team.
„Ich mag das Wort nicht“, sagte Kamarieh. „Wir haben eigentlich nur zwei oder drei Leute, Sidney und Elias, die wirklich streamen. Der Rest sind gute Freunde. Natürlich gibt es bei uns – wie immer im Leben, wenn man neue Wege geht – nicht nur Ja-Sager, sondern auch viele, die dagegen sind. Aber das gehört dazu und das nehmen wir in Kauf“, fügt er hinzu, ohne das Thema weiter zu vertiefen. Kritiker wiederum haben sich seit der Vereinsgründung vor allem auf zwei Aspekte konzentriert: Manche stören sich an der jungen Community, die in krassem Gegensatz zu den bisher bekannten Fangruppen steht – auch zu denen des BFC Dynamo, lange als schwarzes Schaf des Ostfußballs abgestempelt. Andere werfen Delay Profitgier vor.
Delay Sports: Fernziel Bundesliga?
Viele, die so etwas sagen, würden den Verein aber gar nicht kennen und nicht wissen, „was Delay Sports neben dem Fußball alles Gutes tut“, bezeichnet Kamarieh die Geldgier-Vorwürfe für haltlos. Der Klub verzichtet unter anderem auf Einnahmen durch Trikotsponsoring und spielt stattdessen mit dem Logo der Stiftung Deutsche Krebshilfe auf der Brust. Dazu nutzet die Organisation ihre hohe Reichweite, um die Sichtbarkeit des Amateurfußballs zu erhöhen. Das hat auch der Berliner Fußballverband erkannt und Delay eine Sondergenehmigung erteilt, direkt in der Kreisliga C zu starten, um nicht erst, wie sonst vorgeschrieben, für drei Jahre ununterbrochen der Freizeitliga angehören zu müssen.
Seitdem geht es sportlich nur noch steil bergauf. In der ersten Saison gewann die Mannschaft jedes Spiel und erzielte 183 Tore. Auch im folgenden Jahr gab Delay Sports keinen einzigen Punkt ab und ging zum zweiten Mal in Folge ungeschlagen eine Klasse hoch. Der Plan des Vereins geht bisher auf – auch dank des professionellen Umfeldes. Erst im Oktober, 58 Spiele nach der Gründung, kassierte Delay die erste Niederlage im Ligabetrieb. Wohin die Reise früher oder später gehen könnte? Kamarieh antwortete direkt und selbstbewusst: „Bundesliga, Champions League!“
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DFB-Pokal wäre „geisteskrank“
„Wenn ich an so einem Projekt teilnehme, ist natürlich viel Spaß dabei. Aber richtig Spaß macht es nur, wenn man erfolgreich ist“, begründet der Offensivspieler, der einst als großes Talent galt und aus der Jugend von Hertha BSC zum 1. FSV Mainz 05 wechselte, aber nie für die Profis der Rheinhessen auflief. „Mir ist es egal, was die anderen sagen. Unser Ziel ist es, so weit wie möglich nach oben zu kommen. Ich weiß, wenn Eli (Präsident Elias Nerlich) etwas anfasst, dann steht er mit vollem Ehrgeiz dahinter. Das liebe ich. Wir geben alles und schauen, wie hoch wir kommen. Mein Call ist: Bundesliga.“
Dass der Weg dorthin extrem weit ist, ist einleuchtend. Doch eine weitere Pokalüberraschung am Samstag wäre zumindest wieder ein Indiz dafür, wie ernst es Delay Sports mit der Zukunft meint. Gegen den BFC Dynamo sei die Chance zwar sehr klein, „aber sie ist da“, so Kamarieh: „Wenn es klappen würde und wir wirklich eines Tages im DFB-Pokal stehen, wäre das geisteskrank und Wahnsinn für jeden.“ Sein Traumgegner? Natürlich der Jugendverein, den er bis heute am intensivsten verfolgt: Hertha BSC!
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