Erstmals erlaubt die US-Regierung der Ukraine den Einsatz von US-Raketen gegen Ziele auf russischem Territorium. Diese Entscheidung betrifft zunächst die von der Ukraine besetzte Region Kursk. Dort zeichnet sich eine russische Gegenoffensive ab. Bisher hatte Washington lediglich den Einsatz seiner Waffen innerhalb der Ukraine gestattet. Ist dies ein Wendepunkt in der US-Politik? Sicherheits- und Verteidigungsexperte Christian Mölling schätzt die Entscheidung der Regierung Biden ein.
Christian Mölling
Sicherheitsanalyst
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Dr. Christian Mölling ist stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der DGAP und Leiter des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung.
SRF News: Die USA erlauben der Ukraine, US-Waffen auch auf russischem Territorium einzusetzen. Ist das ein Paradigmenwechsel der US-Politik?
Christian Mölling: Nein, das kann man sicherlich nicht sagen. Zumal wir derzeit nicht wissen, wie viele Raketen überhaupt noch verfügbar sind. Um den Krieg entscheidend zu verändern, müsste es eine dauerhafte Möglichkeit für die Ukraine sein, ihre militärischen Optionen zu erweitern oder Russland massiv einzuschränken. Von einem Paradigmenwechsel sind wir leider weit entfernt.
Warum bleiben die USA weiterhin zurückhaltend, was den Einsatz ihrer Waffen gegen Russland angeht?
Die alte Linie war, keine zu starken Waffen zu liefern, aus Sorge vor der russischen Reaktion darauf. Diese Befürchtung haben Joe Biden in Washington und auch Olaf Scholz in Berlin immer wieder geäussert, auch wenn das in der Vergangenheit nie der Fall war. Und Biden will sich wohl nicht dem Vorwurf aussetzen, dass er kurz vor Wahlende inkonsistent sei, was seine Politiklinie angeht. Dann müsste er erläutern, warum eine Eskalation auf einmal nicht mehr so wichtig ist.
Der Einsatz solcher Systeme im Süden würde helfen, die Ukraine zu entlasten.
Inwiefern hilft dieser Entscheid der Ukraine?
Er hilft ein bisschen. Aber: Der Entscheid ist begrenzt auf die Region Kursk. Im Süden und anderen Frontabschnitten, wo die Ukraine massiv unter Druck ist, hilft es nicht. Da würde der Einsatz solcher Systeme helfen, die Ukraine zu entlasten. Aber da gibt es derzeit keine Freigabe. Selbst wenn es diese gäbe, würde ein geringes Arsenal auch nicht wahnsinnig viel bringen. Doch weder wir noch Russland wissen, wie viele Systeme tatsächlich noch zur Verfügung stehen.
Um welche Waffensysteme geht es konkret?
Es handelt sich wohl um sogenannte ATACMS-Systeme. Die Raketen sind zwar schon im Einsatz, waren aber in ihrer Reichweite auf rund 80 Kilometer beschränkt. Sie können aber mit 300 Kilometern jetzt deutlich weiter reichen. Dadurch stellen sich schon Fragen: Wie weit müssen sich russische Kräfte möglicherweise zurückziehen? Welche Kräfte werden möglicherweise angegriffen? Wenn ausreichend Munition vorhanden ist, macht das tatsächlich einen Unterschied.
Das Gespräch führte Dominik Brand.
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