Europäische Union –
Weg für neue EU-Kommission ist frei – und Melonis Gefolgsmann ist dabei
Nach langem Ringen kann Ursula von der Leyen wohl am 1. Dezember ihre Arbeit mit dem neuen Team beginnen. Der umstrittene Raffale Fitto soll eine herausgehobene Position erhalten.
Josef Kelnbergeraus Brüssel
Publiziert: 20.11.2024, 21:01
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- Das Europaparlament einigte sich auf Ursula von der Leyens neues Team.
- Raffaele Fitto wird trotz anfänglicher Ablehnung Vizepräsident der Kommission.
- Die Europäische Volkspartei akzeptiert Teresa Ribera als Kommissarin für Umweltthemen.
- Die Kommissionsbestätigung könnte auf rechtem Stimmenunterstützung beruhen.
Ursula von der Leyen wollte ursprünglich am 1. November die Arbeit mit ihrer neuen Kommission aufnehmen. Nun kann sich die Kommissionspräsidentin zumindest darauf einstellen, dass sie am 1. Dezember loslegen darf. Denn nach einem langwierigen Hauen und Stechen zwischen dem linken und dem rechten Lager hat sich das Europaparlament am Mittwoch dazu durchgerungen, die Anhörung der 26 Frauen und Männer, die von der Leyens neuem Team angehören sollen, zu einem einvernehmlichen Ende zu bringen.
Die Sozialdemokraten und Liberalen erklärten sich damit einverstanden, dass der Italiener Raffaele Fitto einer von sechs Stellvertretern Ursula von der Leyens wird. Weil er den postfaschistischen Fratelli d’Italia der Regierungschefin Giorgia Meloni angehört, schlug ihm vor allem bei den Sozialdemokraten grosse Ablehnung entgegen. Im Gegenzug erklärte sich die Europäische Volkspartei (EVP) bereit, den Widerstand gegen die spanische Sozialistin Teresa Ribera aufzugeben. Ribera war unterstellt worden, sie trage als spanische Ministerin möglicherweise Mitverantwortung für die Flutkatastrophe von Valencia.
Eine allerletzte Abstimmung folgt in der kommenden Woche
Teil des Deals zwischen den drei Fraktionsspitzen ist eine Vereinbarung über die Grundzüge der künftigen Zusammenarbeit zwischen den drei Partnern, die eine informelle Koalition im Europaparlament bilden. EVP-Chef Manfred Weber hatte sich zuletzt den Unmut von Liberalen und Sozialdemokraten gezogen, weil er bei Abstimmungen im Parlament mehrmals rechte Mehrheiten gebildet hatte. Weber wehrte alle Forderungen ab, Raffaele Fitto den Titel als stellvertretender Vorsitzender wegzunehmen. Auch Ursula von der Leyen liess offenbar keine Bereitschaft erkennen, von ihrem Personaltableau abzurücken. Wie Weber betrachtet sie Giorgia Meloni als strategische Partnerin für ihre Politik.
Die Kommissarinnen und Kommissare werden von den jeweiligen Regierungen benannt, die Präsidentin weist ihnen dann ihre Aufgaben zu. Die 26 Nominierten – Ursula von der Leyen nimmt die deutsche Stelle ein – müssen aber vom Parlament jeweils einzeln bestätigt werden. Dieses Prozedere ist nun abgeschlossen. Bevor die Kommission ihr Amt antreten kann, muss sie noch in ihrer Gesamtheit vom Plenum des Parlaments bestätigt werden. Das soll am Mittwoch nächster Woche in Strassburg geschehen. Dafür genügt eine einfache Mehrheit. Die ist wahrscheinlich, aber bislang nicht sicher. Es wird in den nächsten Tagen noch vieler Gespräche bedürfen, um nach den Aufregungen der jüngeren Vergangenheit die Wogen zu glätten.
Die Mehrheit aus EVP, Sozialdemokraten und Liberalen ist seit den Europawahlen zu knapp, um sich allein darauf zu verlassen. Es gibt im Europaparlament keine strenge Fraktionsdisziplin, zudem besteht bei den Sozialdemokraten die Gefahr, dass viele Abgeordnete ihrer Fraktionschefin Iratxe García nicht folgen.
Viele Sozialdemokraten misstrauen EVP-Chef Manfred Weber
Die Spanierin hatte ihre Leute, gemeinsam mit den Grünen, zunächst auf einen strikten Kurs festgelegt: Der Italiener Fitto sei als Vizepräsident absolut untragbar. Dass sie nun, fast über Nacht und mutmasslich auf Anweisung ihres Parteichefs Pedro Sánchez, davon abwich und im Wesentlichen auf die Forderungen der EVP einging, empfinden viele in ihrer Fraktion als Demütigung. Das Misstrauen gegenüber EVP-Chef Weber ist gross, wie sich bei einer Fraktionssitzung am Mittwoch zeigte. Kritisch sehen viele Abgeordnete aber auch die ganze, auf Konfrontation mit Manfred Weber angelegte Strategie Garcías.
Es waren die Grünen, die Mitte Juli der Kommissionspräsidentin zur Wiederwahl verholfen hatten, im Gegenzug für umfangreiche Zusagen in der Klima- und Umweltpolitik. Nun allerdings waren sie in die fraktionsübergreifenden Verhandlungen über die Kommissionsmitglieder nicht eingebunden. Deshalb werden sie in ihrer Mehrzahl vermutlich gegen das Team von der Leyens stimmen.
Für die Kommission dürften die «Konservativen und Reformer» (EKR) stimmen, die viertgrösste Fraktion des Europaparlaments, der die Fratelli d’Italia angehören. Sie hatten Ursula von der Leyens Wiederwahl im Juli nicht mitgetragen, weil die Kommissionspräsidentin ganz deutlich um grüne Stimmen warb. Nun ging von der Leyen mit der Nominierung Fittos als Vizepräsident auf die Fratelli zu. So könnte es bei einer knappen Abstimmung in Strassburg dazu kommen, dass die Kommission nur dank der Unterstützung rechter Parteien ins Amt kommt. Das wäre eine historische Zäsur für die Europäische Union.
Raffaele Fitto hatte in Italien zuletzt parteiübergreifend grosse Unterstützung erfahren. Staatspräsident Sergio Mattarella empfing ihn in seinem Regierungssitz, diese Woche richteten die ehemaligen italienischen Regierungschefs Romani Prodi und Mario Monti einen Appell an das Europaparlament: Raffaele Fitto sei, ebenso wie Teresa Ribera, ein qualifizierter Kandidat. Prodi und Monti forderten das Europaparlament auf, «institutionelle Verantwortung» zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass die Kommission am 1. Dezember ihr Amt antreten kann.
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