Sowohl beim Ausbau der Nationalstrassen als auch bei der Gesundheitsreform sagen die Umfragen ein knappes Rennen voraus. In Basel wird der Eurovision Song Contest zum Politikum.
Die letzte Woche vor Abstimmungssonntagen verläuft häufig ruhig. Ganz anders sah es vor dem Urnengang an diesem Sonntag aus. Vor allem die Befürworter des Autobahnausbaus dürften einige schlaflose Nächte hinter sich haben. Die Nervosität ist gross.
So kämpft der Verkehrsminister Albert Rösti, der bisher alle von ihm vertretenen Vorlagen an der Urne gewonnen hat, in Interviews bis zum Schluss um jede Stimme. Er wirft den Gegnern der Vorlage vor, sie würden «Quatsch» erzählen. Fast gleichzeitig wendet sich der Präsident des TCS, des grössten Automobilclubs der Schweiz, auf den Portalen von CH Media mit einem Appell an die Stimmbürger.
Schuldige werden gesucht
Ein untrügliches Zeichen für die angespannte Stimmung ist, dass im Pro-Lager bereits Schuldige gesucht werden, bevor die Schlacht geschlagen ist. In der «Weltwoche» wurden der Zürcher SVP-Nationalrat Gregor Rutz und die von ihm geführte Kampagne für das drohende Abstimmungsdebakel verantwortlich gemacht. Die Gegner thematisierten in ihrer Kampagne die Kosten und den zu erwartenden Mehrverkehr.
In der jüngsten Umfrage des GfS Bern im Auftrag der SRG sprach sich eine Mehrheit von 51 Prozent gegen den Ausbauschritt 2023 aus. Nur 47 Prozent unterstützen die Vorlage des Bundesrates. In der ersten Trendumfrage von Anfang Oktober hatte sich noch eine knappe Mehrheit von 51 Prozent für den Autobahnausbau ausgesprochen.
Angesichts des vorausgesagten knappen Resultats ist keineswegs sicher, dass die Stimmbürger den Ausbauschritt ablehnen. Doch eine Triumphfahrt wird es für die Bürgerlichen und die Wirtschaftsvertreter kaum werden.
SVP beschliesst Ja-Parole unter Schmerzen
Deutlich ruhiger verliefen die Diskussionen um die Reform der Finanzierung des Gesundheitswesens (Efas). Künftig sollen ambulante Eingriffe und stationäre Behandlungen nach einem neuen, einheitlichen Finanzierungsschlüssel bezahlt werden. Die Gewerkschaften haben gegen die Vorlage das Referendum ergriffen.
Alle gegen die Gewerkschaften – so lautete das Motto im Abstimmungskampf um die komplexe Vorlage. Im Nationalrat waren die Mitte, die FDP und die Grünliberalen klar dafür. Bei der SVP gab es Bestrebungen, die Nein-Parole zu fassen. Nicht zuletzt aufgrund eines Machtwortes von Christoph Blocher beschloss die Partei an ihrer Delegiertenversammlung die Ja-Parole.
Die grosse Mehrheit der Kantone und eine breite Koalition im Gesundheitswesen, darunter die Verbände der Ärzte, Spitäler, Krankenkassen und Spitex-Organisationen, unterstützen die Vorlage. Obwohl die SP die Nein-Parole beschlossen hat, befürworten namhafte Gesundheitspolitiker aus dem links-grünen Lager die neue Finanzierung.
Trotz dieser grossen Zahl von Befürwortern verspricht der Urnengang zur Vorlage spannend zu werden. Bei der ersten SRG-Umfrage im Oktober gaben nur 26 Prozent der Befragten an, die Vorlage abzulehnen. In der zweiten Umfrage ist das Nein-Lager auf 37 Prozent stark angewachsen. Vor allem in der Westschweiz ist die Skepsis gross.
Mieter gegen Vermieter
«Trautes Heim, Glück allein»: So könnte das Fazit des Hauseigentümerverbandes nach diesem Abstimmungssonntag lauten. Denn bei beiden Mietrechtsvorlagen zeichnet sich ein Nein ab. Den Gegnern ist es gelungen, die beiden Vorlagen von eher bescheidener Tragweite zu einem Kampf «Mieter gegen Vermieter» zu stilisieren. Die Gesetzesänderung, die eine Verschärfung der Regeln zur Untermiete bringen soll, lag in der GfS-Umfrage noch bei 50 Prozent Zustimmung, allerdings mit deutlich negativem Trend.
Noch schlechter steht es um die Vorlage, welche die Hürden für eine Kündigung durch den Käufer bei dringendem Eigenbedarf senken will. Der Widerstand gegen diese Vorlage ist besonders stark bei den Jungen, den Städtern und den Westschweizern.
Angeblich «satanische Botschaften»
In verschiedenen Kantonen finden Abstimmungen statt, deren Ausgang nationale Beachtung finden wird. Vor allem nach Basel-Stadt dürfte sich der Blick lohnen. Dort zeigt sich, dass der Eurovision Song Contest zum Politikum geworden ist. Die Kleinstpartei Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) hat erfolgreich das Referendum gegen einen Kredit für den Anlass ergriffen, an dem angeblich «satanische Botschaften» verbreitet werden. Zudem entscheiden die Baslerinnen und Basler über die Einführung des kantonalen Ausländerstimmrechts.
Mit Spannung wird auch der ägyptische Investor Samih Sawiris den Abstimmungssonntag verfolgen. Der «Retter von Andermatt» stösst mit seinem Marina-Projekt am Urnersee auf Widerstand. Mit einem Ja zur Initiative «Isleten für alle» könnten die Urner Stimmbürger das Resort in einer frühen Phase der Planung abschiessen.
In der seit Jahr und Tag rot-grün regierten Stadt Bern stehen Wahlen an. Sie interessieren ausserhalb der Bundesstadt vor allem, weil Stadtpräsident Alec von Graffenried sein Amt verlieren könnte.
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