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«Tatort» Köln: TV-Kritik zur Folge «Siebte Etage»

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-Kritik «Tatort»

«Es ist nicht meine Vagina, die schmerzt, es ist die Lüge»

Der neue Kölner «Tatort» fokussiert auf das bedrückende Leben in einem Puff – mit lauten Anklagen und starken Bildern.

Publiziert heute um 21:30 Uhr

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Gedreht wurde der Film in einem echten Erotikcenter: Am Set hat man auf Realismus gesetzt, schon die ersten Minuten führen in den schummrig-rot leuchtenden, engen Korridor, in dem die Frauen auf Kundschaft warten. Dass dazu aus dem Off Hildegard Knef singt «Mit 16, sagte ich still, ich will, will gross sein … will alles oder nichts», setzt den Akzent des neuen «Tatorts» aus Köln von Anfang an auf die zerbrochenen Träume der Sexarbeiterinnen.

Alles oder nichts? – Für die drei Frauen, um die es in «Siebte Etage» geht, gab es eher nichts. Das Drehbuch von Eva und Volker Zahn legt nahe, dass bereits der Begriff «Sexarbeiterinnen» ein Euphemismus ist und verwedelt, dass der «Karriere»-Motor dieser scheinbar selbstbestimmten Ladys aus Traumata, Lügen, Missbrauch und Unmenschlichkeit besteht.

Die drei Frauen sind zwar sehr unterschiedlich und mal freiwillig, mal unfreiwillig in den Geschäftszweig geraten, finden sich jedoch alle in der siebten Etage eines Puffs wieder und gehen ihrem Job für 50, 60 Euro pro Session nach.

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Wie der deutsch-kurdische Regisseur diesen Job darstellt, benötigt wohl einerseits eine Triggerwarnung, ringt uns aber andererseits Bewunderung ab. Da wird nichts weichgezeichnet. Die Kamera zoomt in Zeitlupe auf wackelnde Pobacken, wackelnde Bierbäuche, geöffnete Männermünder in Ekstase, und zwischendurch auf Hände, die nach Euroscheinen greifen, in Portemonnaies herumfingern, Kondompackungen aufreissen.

Knapp eine Minute lang gibts buchstäblich blankes Business, dann wechselt das Licht unvermittelt in ein steriles Blau, in das ein weiterer nackter Körper getaucht ist: die versehrte Leiche des Haustechnikers. Der war aus einem Fenster des titelgebenden siebten Stocks gefallen.

Gemocht hat den Macho keiner. Sogar seine eigene Schwester gerät in Verdacht – wie die Prostituierten Jasmin (Antonia Bill), Cosima (Senita Huskic) und Tani (Maddy Forst) und die Nagelstudio-Chefin, gespielt von Rapperin Sabrina Setlur. Es ist ein Frauenkrimi der etwas anderen Art: Die Schauspielerinnen sind stark; doch jene Feministinnen, die an die grosse Freiheit von empowerten Sexarbeiterinnen glauben, werden enttäuscht sein.

Eine hochmoralische Angelegenheit

Dass da so verschiedene Charaktere zusammengeworfen werden – die eine Prostituierte hat einen Vaterknacks, aber keine Geldsorgen, die andere schon, die dritte hält ihren Ehemann aus –, bewegt sich auf der Glaubwürdigkeitsskala recht weit unten, genauso wie die Story des Films.

Aber Glaubwürdigkeit per se ist auch gar nicht das Ziel dieser Gesellschaftskritik, die uns manchmal direkt entgegengeknallt wird. Die vierte Wand bricht, eindrücklich – und etwas pathetisch – konfrontieren uns die Frauen mit ihrer Lebensrealität: «Es ist nicht meine Vagina, die schmerzt, es ist die Lüge.»

Die Kommissare Ballauf (Klaus Behrendt), Schenk (Dietmar Bär) und Assistent Jütte (Roland Riebeling) stehen konsequenterweise nicht im Fokus. Gelungen ist auch, wie Jütte sich als einer der 25 Prozent deutscher Männer entpuppt, die schon für sexuelle Dienstleistungen bezahlt haben, und erkennt, dass er sich dabei in die eigene Tasche log. «Siebte Etage» ist eine hochmoralische Angelegenheit. Sie hat aber insgesamt Zug und Bilder mit Wumms.

Liebe Alexandra ist Redaktorin im Ressort Leben, Schwerpunkte sind Theater und Gesellschaftspolitisches. Studium der Germanistik und Anglistik in Konstanz, Oxford und Freiburg i Br.Mehr Infos

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