DayFR Deutsch

Wahlen Bern: Das Zeichen der linken Stadt gegen den Zeitgeist

-

Erstaunliche Berner Wahlen

Das überwältigende Zeichen der linken Stadt gegen den Zeitgeist

Rot-Grün demütigt die bürgerliche Opposition und bestätigt ihre Macht in der Bundesstadt phänomenal.

Kommentar von Publiziert: 24.11.2024, 23:26

>

Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.

BotTalk

Wow. Tatsächlich. Links, Linker, Bern. Die Bundesstadt bestätigt ihre Vierer-Mehrheit im fünfköpfigen Stadtregierungsgremium phänomenal. Was für ein Triumph für Rot-Grün, deren gemeinsame Liste erneut einen Wählerzuwachs verbuchen konnte – noch mehr als in den Jahren zuvor.

Der Sieg ist um so erstaunlicher, hatten diesmal die Bürgerlichen ja grosse Chancen für einen kleinen Machtzuwachs: Eine gemeinsame Liste, die es aus arithmetischer Sicht viel einfacher gemacht hat, einen zweiten Sitz zu gewinnen. Eine angreifbare Stadtregierung mit Flops und Pannen. Eine unseriöse Finanzpolitik. Eine bunte, engagierte Opposition. Und dennoch guckt quasi die gesamte bürgerliche Koalition in die Röhre.

Damit ist klar: Die Stadt Bern ist punkto ihrer sozioökonomischen Struktur in den letzten vier Jahren noch einmal kräftig nach links gerutscht. Rot-Grün hat mit ihrer Politik diese Menschen nicht nur gezielt angelockt, sondern ihnen punkto Lebensqualität, Wohnungsbau, finanziellen Subventionen ein attraktives Angebot gemacht – vor allem auch für einen gut verdienenden, sozial denkenden Mittelstand mit Jobs bei Staat, NGOs, subventionierten Kulturinstitutionen oder Lobbyorganisationen.

Dieser Linksdrall, der sich am Sonntag teilweise auch national gezeigt hat, ist auch ein klares Signal aus der progressiven Urbanität. In Zeiten von Trump, eskalierenden Kriegen, machohaften Diskursen schaffte es die rot-grüne, queer und feministisch geprägte Stadt die Bernerinnen und Berner zum Wählen zu mobilisieren – gegen Rechts, gegen Sparerei, gegen Ausgrenzung und Geringschätzung von vulnerablen Milieus.

Bern bestätigt damit auch seinen Weg als tendenziell teures Experiment und alternative Parallelwelt zum bürgerlichen, rechtskonservativen, männlich und martialisch tickenden Zeitgeist, sei es in der Schweiz oder international.

Ausgeklammert bleiben in diesem Projekt hingegen die eigenen oppositionellen Bürgerlichen, und dabei ausgerechnet die Frauen der liberalen Mitte. Für sie bleibt einzig ein Sitz in der Stadtregierung übrig.

>

Ein lebhafter Diskurs mit mehr Kritik und Kontrolle über die rot-grüne Politik wird so sicher nicht stattfinden. Für liberale Unternehmerinnen, flexibel denkende Gastronomen, finanzpolitische Mahner wird es schwieriger werden, sich in dieser Stadt Gehör zu verschaffen.

Denn deren Vertreterinnen und Vertreter von FDP, GLP, Mitte, SVP und EVP haben nicht nur auf der ganzen Linie verloren, sondern sind nach diesem deutlichen, linken Wahlsieg für die Zukunft mehr oder weniger zu Zaungästen degradiert worden.

Newsletter

Die Woche in Bern

Erhalten Sie Infos und Geschichten aus Bern.

Weitere Newsletter

Einloggen

Marcello Odermatt ist Chefredaktor «Der Bund» und Co-Leiter Ressort Bern von «Bund» und Berner Zeitung. Mehr Infos @cellmob

Fehler gefunden?Jetzt melden.

47 Kommentare

Related News :