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Die Gründe – und wie die Aussichten sind

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Der Nestlé-Führung ist es noch nicht gelungen, das verlorene Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen. Wie ist es dazu gekommen – und wie geht es jetzt weiter?

Seit dem Höchststand Anfang 2022 haben die Nestlé-Aktien rund 40 Prozent an Wert verloren – im Bild der Hauptsitz in Vevey.

Jean-Christophe Bott / Keystone

Es gab eine Zeit, da sorgte Nestlé für Phantasie. Diese war vor allem mit dem Namen Mark Schneider verbunden. Der vormalige Nestlé-Chef vermochte bei den Anlegern die Hoffnung zu wecken, dass sich der weltgrösste Nahrungsmittelkonzern neu erfinden kann.

Mark Schneider musste im August 2024 als Nestlé-Chef abtreten.

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Schneider redete gerne von veganen Shrimps: Mit pflanzenbasierten Fleisch- und Milchersatzprodukten sollte Nestlé in Zukunftsmärkte vorstossen. Der Deutsche forcierte das Geschäft mit Vitaminen und Medizinalnahrung, um Nestlé stärker zu einem Gesundheits- und Wellness-Konzern zu machen.

Den Umbau garnierte er mit einer aktionärsfreundlichen Ausschüttungspolitik. Die Anleger waren begeistert: Auf dem Höhepunkt Anfang 2022 war Nestlé die wertvollste Firma Europas.

Doch seither ist die Phantasie verflogen. Die Nestlé-Aktie hat rund 40 Prozents ihres Werts verloren. Der Kurssturz kostete Mark Schneider im vergangenen August seinen Job. Auch viele Schweizerinnen und Schweizer sind betroffen, denn das Börsenschwergewicht Nestlé ist Bestandteil der meisten Pensionskassenvermögen.

Und das Vertrauen der Investoren ist noch nicht zurückgekehrt. Der neue Nestlé-Chef, Laurent Freixe, hat die Anleger an einem Investorentag vergangene Woche vergeblich davon zu überzeugen versucht, dass es beim Nahrungsmittelkonzern nun wieder aufwärts gehen werde. Der Aktienkurs ist bis jetzt weiter gefallen.

Der neue Nestlé-Chef Laurent Freixe.

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Wie ist es zur Entfremdung zwischen Nestlé und den Investoren gekommen? Und wie geht es jetzt weiter? Eine Analyse in fünf Punkten.

1. Die Inflation

Am Anfang des Niedergangs steht ein Schock, mit dem wenige gerechnet hatten. Zu Beginn des Jahres 2022 kehrt in vielen Ländern die Inflation zurück. «Bitte alle anschnallen», so warnt Schneider intern vor den kommenden Turbulenzen. Nestlé gelingt es zwar, die weltweit steigenden Preise an die Kunden weiterzugeben. Aber der Konzern übertreibt es stellenweise mit den Preiserhöhungen: In den USA beispielsweise halten sich die inflationsgeplagten Konsumenten mit dem Kauf von Nestlé-Markenprodukten zurück.

Nestlé steht vor einer ungewohnten Situation. In seinen ersten Amtsjahren ab 2017 war es Schneider gelungen, den Produktabsatz anzukurbeln, zum Teil auch dank einem Corona-Sondereffekt. Doch jetzt ist Schluss mit Wachstum. Die Verkaufsvolumen – deren Entwicklung bei Nestlé «internes Realwachstum» genannt wird – gehen während mehrerer Geschäftsquartale zurück.

Das gefällt den Anlegern und Aktien-Analytikern nicht. Sie erwarten von einem Konsumgüterkonzern wie Nestlé ein stetiges Wachstum der Verkaufsvolumen. Wie ein Supertanker soll sich die Firma, von konjunkturellen Stürmen unbeeindruckt, durch die Weltmärkte pflügen. Der Aktienkurs beginnt zu sinken.

2. Die Zinsen

Gleichzeitig arbeitet ein weiterer Faktor gegen Nestlé. Um die Inflation zu bekämpfen, erhöhen die Notenbanken rund um den Globus die Zinsen. Das macht die Nestlé-Aktien weniger attraktiv.

Denn in der Nullzinsphase war eine der Stärken der Nestlé-Titel ihre stabile Dividendenrendite von 2,5 Prozent oder mehr gewesen. Der Konzern ist für seine Ausschüttungspolitik bekannt: In den vergangenen dreissig Jahren ist die Dividende in jedem Jahr leicht erhöht worden. Doch ab 2022 können die Anleger vergleichbare Renditen auch wieder mit sicheren Festzinsanlagen erzielen. Dieser dämpfende Effekt für die Nestlé-Aktien dürfte sich erst umkehren, wenn die Zinsen in den USA und in Europa wieder deutlich sinken werden.

3. Eigene Fehler

Nestlé kann jedoch nicht alle Probleme, die ab 2022 auftauchen, auf die Inflation und die Zinsen schieben. Der Konzernführung unterlaufen ungewohnte Fehler. Eine IT-Umstellung legt in den USA Fabriken still, so dass Nestlé wochenlang keine Vitamine ausliefern kann. Der bisher für seine geschickten Firmenzukäufe gelobte Schneider muss eingestehen, dass der Kauf eines Mittels gegen Erdnussallergie ein Flop war. In wichtigen Märkten wie den USA verliert Nestlé Marktanteile, weil die Konkurrenz geschickter agiert.

Vor allem aber enttäuscht Nestlé während mehrerer Quartale die Erwartungen der Anleger. Noch im Frühling 2024 hält Schneider an einer Wachstumsprognose für das Gesamtjahr fest, die eigentlich rechnerisch kaum mehr erreichbar ist. Die Quittung folgt bei der Präsentation der Halbjahreszahlen Ende Juli. Schneider muss die Prognose nach unten korrigieren. Der Aktienkurs sackt um 5 Prozent ab.

Am Nestlé-Hauptsitz in Vevey sorgt das für Schockwellen. Der Verwaltungsrat interpretiert den Kurssturz als Vertrauensverlust unter den Anlegern. Einige Wochen später setzt er Schneider kurzerhand ab und macht das Nestlé-Urgestein Laurent Freixe zum CEO. Der Franzose arbeitet seit 38 Jahren im Unternehmen, hat die wichtigsten Marktregionen geführt und soll Nestlé zurück zu alten Stärken führen.

4. Wahl Trumps

Aber auch nach dem CEO-Wechsel findet die Nestlé-Aktie keinen Boden. Für zusätzliche Verunsicherung sorgt Donald Trump: Am Tag seiner Wahl verlieren die Nestlé-Titel deutlich an Wert. Womöglich fürchten sich die Anleger vor Schutzzöllen, die Trump im Wahlkampf immer wieder angedroht hat. Sie könnten etwa den Export von Nespresso-Kapseln, die ausschliesslich in der Schweiz produziert werden, in die USA verteuern. Trump ernennt mit Robert F. Kennedy Jr. auch einen Gesundheitsminister, der sich äusserst kritisch zu hoch verarbeiteten Lebensmitteln geäussert hat. Ob daraus Gefahren für Nestlé erwachsen, ist offen, aber die Entwicklungen belasten tendenziell den Aktienkurs.

5. Wie geht es weiter?

Freixe legt seine Amtsführung bewusst anders an als Schneider. Am Investorentag vergangene Woche versucht er erst gar nicht, neue Phantasien unter den Anlegern zu wecken. Er hat eine andere Botschaft parat: Nestlé brauche jetzt harte und solide Arbeit, um wieder zu stärkerem Wachstum und höherer Ertragskraft zurückzukehren. Es gehe um die Arbeit am Grundlegenden: operative Exzellenz, starkes Marketing, Fokus auf die Kunden, Zurückgewinnung von Marktanteilen.

Mit dieser Botschaft überzeugt Freixe die Investoren allerdings vorerst nicht. Nach dem Investorentag gibt der Aktienkurs abermals leicht nach.

Dafür gibt es zwei Interpretationen. Die eine lautet: Der Markt glaubt nicht, dass das Führungsteam mit den zwei Nestlé-Urgesteinen Freixe (62) und dem Verwaltungsratspräsidenten Paul Bulcke (70) dem Nahrungsmittelkonzern neue Impulse verleihen kann.

Die andere Interpretation lautet, dass der Turnaround Zeit brauchen wird. Freixe hat am Investorentag eingeräumt, dass die Früchte der Umbaupläne wohl erst in 18 bis 24 Monaten werden geerntet werden können.

Womöglich warten die Investoren also erst einmal ab, ob die Nestlé-Führung ihre Versprechen einlöst. Manche Beobachter glauben indessen daran, dass der eingeschlagene Kurs richtig ist. So erklärten die ZKB-Aktienanalytiker nach dem Investorentag: «Während Nestlé vor rund zwei Jahren vom Markt und von uns noch überschätzt wurde, scheint aktuell das Gegenteil der Fall zu sein.»

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