Fegt die Krise der deutschen Liberalen auch den Parteivorsitzenden aus dem Amt? Wohl kaum. Grösser als in der FDP von heute ist die Ehrfurcht vor dem Chef und die Angst vor dem Widerspruch fast in keiner anderen Partei.
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Wer, wenn nicht Christian Lindner? Elf Jahre ist es her, dass der FDP-Chef die Führung der Partei in ihrer bisher grössten Krise übernommen hat: direkt nach dem Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde des Bundestags. Lindner hat seither viel erlebt, erst Erfolge, zuletzt nur noch Pleiten, Pech und Pannen. Seine Haare sind, wohl auch durch das Regieren an der Seite von SPD und Grünen, grau geworden. Aber mit Fragen nach seiner Qualifikation als Chef musste er sich nie herumschlagen. Bis jetzt.
Es rumort in der Partei, ausserhalb sowieso.
Lindner habe «den an sich richtigen Ausstieg aus der ‹Ampel› versemmelt, wie es schlimmer nicht geht», kommentierte die «Bild»-Chefredaktorin Marion Horn an diesem Sonntag. Ihr Text dürfte im Genscher-Haus, der Berliner FDP-Zentrale, nicht wie ein Adventslicht aufgeleuchtet haben, sondern wie ein China-Böller detoniert sein. Dass linke Journalisten Lindner attackieren, ist man dort gewohnt. Aber das publizistische Flaggschiff des Axel-Springer-Verlags?
Poltern reicht nicht
Marion Horns Idee: Die Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann sollte übernehmen, mindestens das Amt der Generalsekretärin, besser gleich das der Parteichefin. Denn: «Diese Frau ist laut und kann nerven», und das brauche die FDP jetzt. Dem ersten Teil des Satzes möchte man zustimmen.
Strack-Zimmermann kann prima poltern, ob gegen die Schweiz oder den CDU-Chef. Aber sie tritt auch nach unten. Legendär ist ein Video, in dem «MASZ» im Wahlkampf Demonstranten beleidigt. Diese seien «zum Teil zu blöd, ne Pfeife in den Mund zu stecken», ruft sie da.
Zugleich ist die 66-Jährige eine Politikerin, die auf Beleidigungen, die sie selbst betreffen, mit Strafanzeigen reagiert – nicht hin und wieder, sondern tausendfach. Das mag ihr gutes Recht sein. Aber so ein Vorgehen kennt man in Deutschland sonst nur von Politikern der Grünen. Ob die FDP mit einer solchen Mischung aus Angriffslust und Dünnhäutigkeit an ihrer Spitze verlorene Wähler zurückgewinnen würde?
Nur beim BSW ist mehr Personenkult
Bei anderen Namen, die gerade herumschwirren, sind ebenfalls Zweifel angebracht. Sie fallen entweder in die Kategorie «unterhaltsam, aber unkontrollierbar» (Wolfgang Kubicki), gelten bei vielen Sympathisanten als zu links und zu wenig liberal (Johannes Vogel, Konstantin Kuhle oder der neue Generalsekretär Marco Buschmann) oder haben nicht genügend Rückhalt in den eigenen Reihen (Linda Teuteberg).
Das Problem ist nicht Christian Lindner, sondern die FDP als Ganzes. Die Liberalen, ausgerechnet, haben sich von ihrem Vorsitzenden abhängig machen lassen. Und sie haben es versäumt, einen oder mehrere echte Nachfolger aufzubauen. Grösser als in der FDP von heute ist die Ehrfurcht vor dem Chef und die Angst vor Widerspruch sonst nur ganz links, beim Bündnis Sahra Wagenknecht.
Dieses Problem wird die FDP vor der Wahl in zwölf Wochen kaum mehr lösen. Danach könnte es dann sehr schnell gehen.
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