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„Caren Miosga“: „Hier ist kein Tribunal“, entfährt es einem wütenden Christian Lindner

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Der Druck auf die Liberalen nimmt zu. Nach Bekanntwerden des „D-Day“-Papiers, das mit militärischer Metaphorik und einer Trickle-down-Pyramide den vierphasigen Ablaufplan zum Koalitionsbruch vorbereitet, traten zum Wochenende bereits der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und der Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann zurück. Doch medial rückt nun zunehmend auch Christian Lindner in den Fokus. „Nach dem Ampel-Aus: Wollten Sie die Wirtschaft oder die FDP retten, Herr Lindner?“, fragte Caren Miosga am Sonntag den FDP-Vorsitzenden. Als weitere Gäste begrüßte die ARD-Journalistin den Ökonomen Moritz Schularick sowie Eva Quadbeck, Chefredakteurin des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Anstelle des eigentlichen Papiers problematisierte Lindner anfangs die Indiskretion der Veröffentlichung. Es sei „außerordentlich bedauerlich“, dass „zwei sehr verdiente Parteifreunde politische Verantwortung übernehmen mussten für den Umgang mit diesen Leaks“, erklärte der FDP-Vorsitzende. Reymann habe das Papier verfasst, was nun wie der „Masterplan der FDP für einen Koalitionsbruch“ wirke, und Djir-Sarai habe „leider unwissentlich die Unwahrheit“ gesagt. Und er selbst? „Ich kannte dieses Papier nicht“, beteuerte der ehemalige Finanzminister. Erst im Zuge von Rechercheanfragen nach dem Koalitionsende habe er davon erfahren. Das komme vor, immerhin entstünden in der FDP-Geschäftsstelle täglich dutzende Dokumente.

Seine Partei habe sich „intensiv mit allen Optionen“ beschäftigt, versicherte Lindner. Ob es von den anderen Szenarien auch Dokumente gebe? „Ja, davon gibt es auch Papiere“, bestätigte er. Doch die Frage, ob er auch diese veröffentlichen würde, verlor sich im Szenenapplaus. Stattdessen betonte er, nicht leugnen zu wollen, dass seine Partei das „aktive Ausscheiden der FDP aus der Regierung“ durchdacht habe. Das „Rumscholzen“ für ein weiteres Jahr sei für ihn nicht infrage gekommen. Es gehe um einen „schwerwiegenden Vorwurf“, erklärte Miosga, dass Lindner staatspolitische Verantwortung proklamiert habe, im Hintergrund aber den Bruch proaktiv plante. „Ich habe im ganzen Herbst niemals eine Ampel-Garantie abgegeben“, antwortete er.

„Für das Wort ‚D-Day‘ und dieses Papier kann ich keine Verantwortung konkret übernehmen“, betonte Lindner, „aber ich übernehme die Verantwortung dafür, dass die FDP bereit war, die Ampel zu verlassen und dass wir uns darauf vorbereitet haben.“ Ob er versichern könne, als Parteichef nicht zurückzutreten?, fragte Miosga. „Ich habe nicht die Absicht, nein“, versprach er. Vielmehr würfen nun sowohl er als auch seine Partei für den politischen Wechsel ihre „Existenz in die Waagschale“. „Jetzt gehe ich durch diesen Hagelschauer mit faustgroßen Hagelkörnern, aber das mache ich ja deshalb, weil ich an etwas glaube“, unterstrich der FDP-Politiker. Doch Lindner zeigte sich nicht nur geknickt, sondern vor allem wütend.

Von Beginn an herrschte in der Sendung eine aggressive bis feindselige Stimmung. Miosgas Einwürfe und Nachfragen provozierten den FDP-Vorsitzenden deutlich. „Hier ist kein Tribunal“, entfuhr es ihm etwa, als sein Wirtschaftswende-Papier behandelt wurde. „Was Sie letzte Woche zu wenig kritisch waren, müssen Sie diese Woche jetzt nicht alles nachholen“, knallte er ihr mit Verweis auf die Habeck-Ausgabe an den Kopf. „Immer die alte Leier“, entgegnete die Moderatorin. Lindner verwies erbost auf die Verfehlungen der einstigen Partner: „Herr Scholz hat einen Untersuchungsausschuss wegen CumEx, Herr Habeck hat einen Untersuchungsausschuss, weil er möglicherweise beim Atomausstieg nicht alles richtig gehandelt hat.“

Doch die Sendung entwickelte sich noch skurriler, denn nach anfänglichen Bemühungen, die Gunst des Publikums zu gewinnen („Vielleicht möchten die Zuschauerinnen und Zuschauer auch einfach mal den Sachverhalt hören“), stellte sich Lindner gegen es. Was denn Miosga glaube, was in ihm vorgehe, wenn er erlebe, wie das Publikum applaudiere? „Wo ich gerade mein Staatsamt aufgegeben habe für meine Überzeugungen? Da hätte ich lieber Applaus dafür, dass die Leute sagen: Da steht einer für irgendwas.“ Und als Eva Quadbeck ausführte, weshalb sie sein Wirtschaftswende-Papier nicht überzeuge, kommentierte er den Beifall ironisch: „Ich bin überrascht, dass auch im Publikum so viele mein Papier genau gelesen haben.“

Mit Moritz Schularick setzte sich dann noch ein weiterer Kritiker an den Tisch. „Die Lage ist wirklich ernst“, kommentierte er den wirtschaftlichen Zustand. Seit 2019 fehle es an Wachstum, was daran liege, dass die Industrie einen technologischen Rückstand eingefahren habe, dass sich China und die Vereinigten Staaten nicht länger an die regelbasierte Weltwirtschaft halten und dass Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit abhandengekommen sei. Mit der Schuldenbremse ließen sich diese Rückstände nicht einholen. Grundsätzlich halte er Fiskalregeln für eine gute Idee, doch schon alleine für die benötigten Investitionen in die Verteidigung seien Kredite notwendig. „Jede andere Haushaltspolitik ist ein Sicherheitsrisiko.“

Lindner blieb hingegen bei seiner Position zur Schuldenbremse. Auch Friedrich Merz sei bislang gegen eine Reform gewesen. „Das ist interessant, dass die ökonomischen Grundüberzeugungen der CDU sich ändern, wenn es neue Koalitionsideen gibt“, attackierte er auch noch den abwesenden CDU-Vorsitzenden. Das fehlende Wirtschaftswachstum hänge nicht mit dieser zusammen, sondern mit Bürokratismus, dem Arbeitszeitvolumen, hohen Energiepreisen sowie der Klima- und Energiepolitik. Dass Deutschland etwa bereits fünf Jahre eher als das restliche Europa klimaneutral werden wolle, halte er für „vorsätzliche Selbstschädigung“, sagte er und ergänzte in Märtyrerpose: „Ich möchte dazu nicht mehr schweigen!“

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