Im Bozener Rathaus soll es zu einer Razzia durch die Carabinieri gekommen sein, schrieben italienische Medien. Insgesamt seien 77 Personen betroffen, so die Nachrichtenagentur ANSA. Die verdächtigen Unternehmer sollen Amtsträger bestochen haben, um Genehmigungen für Immobilienprojekte zu erhalten. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Unter den 77 Verdächtigen sind elf Beamte der öffentlichen Verwaltung, 20 Manager und Beamte lokaler Behörden und Beteiligungsgesellschaften, Angehörige der Polizei, Freiberufler und auch eine Reihe von Südtiroler Unternehmern. Neben Santi, Benko und Hager seien auch der Unternehmer Paolo Signoretti und der ehemalige Senator Vittorio Fravezzi involviert, berichtete Südtirol Online (Stol.it). Bisher wurden den italienischen Medienberichten zufolge neun Personen unter Hausarrest gestellt.
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Ermittelt wird auch gegen den Bürgermeister von Arco, Alessandro Betta. Er soll in dieselbe Immobiliengruppe verwickelt sein. Dabei geht es um ein Immobiliengeschäft für ein ehemaliges Hotel, das abgerissen und am Ufer des Flusses Sarca neu gebaut werden soll.
Benko wurde nicht festgenommen
Benko wurde vom Landeskriminalamt Tirol vernommen, aber nicht festgenommen. Spezielle Auflagen für den Investor gebe es nicht. Der Haftbefehl werde in Österreich nicht vollstreckt, sagte ein Sprecher der Innsbrucker Staatsanwaltschaft. Ein Europäischer Haftbefehl müsse nicht vollstreckt werden, wenn dieser einen österreichischen Staatsbürger betreffe, gegen den auch im Inland ein entsprechendes Verfahren geführt werden könne, sagte Staatsanwaltschaftssprecher Hansjörg Mayr. Näheres – auch zum Inhalt der Einvernahme – sagte die Innsbrucker Anklagebehörde nicht.
Insider gehen davon aus, dass Benkos Rechtsvertreter für eine Eintragung im Schengener Informationssystem sorgen werden. So könnte jede österreichische Polizeidienststelle sehen, dass in Innsbruck entschieden wurde, Benko vorerst auf freiem Fuß zu belassen. Das Land verlassen sollte er jedoch nicht, da die Nachbarländer sehr wohl den Haftbefehl vollstrecken könnten.
Benkos Verteidiger beschwichtigt
„Es wird kein Europäischer Haftbefehl gegenüber Herrn Benko vollzogen. Herr Benko wird weiterhin – wie bisher – mit allen nationalen wie internationalen Behörden vollumfänglich kooperieren und ist zuversichtlich, dass sich allfällige Vorwürfe ihm gegenüber als inhaltlich unrichtig aufklären lassen“, sagte Benkos Anwalt Norbert Wess in einer ersten Stellungnahme zur APA.
Die Nachforschungen betreffen Projekte in den Jahren 2018 bis 2022, hieß es zur Bestätigung in einer Presseaussendung im Auftrag von Hager. In der Aussendung Hagers heißt es, dass die Staatsanwaltschaft „im Zusammenhang mit verschiedenen Immobilienprojekten“ in Oberitalien auch in Südtirol Nachforschungen anstelle. „Die Verteidiger wurden beauftragt, Einspruch gegen diese Maßnahme einzulegen. Heinz Peter Hager hat den Ermittlern die volle Zusammenarbeit angeboten und äußert großes Vertrauen in die Justiz“, hieß es laut RAI in der Aussendung weiter.
Hager ist Präsident der WaltherPark AG. Seit mehr als zehn Jahren ist er Partner von Benko. Der Wirtschaftsberater mischt seit Jahren bei vielen Immobilienprojekten mit. Über das Projekt Waltherpark in Bozen erlangte er einen hohen Bekanntheitsgrad.
Über 100 Durchsuchungen in mindestens sieben Städten
Die Anklagepunkte umfassen unter anderem kriminelle Verschwörung, Angebotsabsprachen, unrechtmäßige Parteienfinanzierung, Betrug und unrechtmäßige Entgegennahme von Geldern zum Nachteil des Staates. Außerdem werden den Angeklagten verschiedene Straftaten gegen die öffentliche Verwaltung vorgeworfen, darunter Bestechung, Weitergabe von Amtsgeheimnissen und Unterlassung von Amtshandlungen sowie Verstöße gegen Steuervorschriften, so ANSA.
Insgesamt kam es zu über 100 Durchsuchungen, so ANSA. Öffentliche Einrichtungen in Trient, Bozen, Brescia, Mailand, Pavia, Rom und Verona wurden geprüft, so ANSA weiter. Auch im Ausland soll es zu Durchsuchungen gekommen sein. Die vom Amtsgericht Trient auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassene Maßnahme ist den Angaben zufolge Ergebnis einer komplexen Ermittlungstätigkeit, die von der italienischen Polizei und der Steuerpolizei durchgeführt wurde. Offenbar dürfte ein „missbräuchlicher Zugriff“ im Jahr 2019 auf ein Computersystem einer städtischen Angestellten in Bozen der Ausgangspunkt für die Ermittlungen gewesen sein, berichtete „La Repubblica“.
Anti-Mafia-Kommission prüft Ermittlungsakten
Der erlassene Haftbefehl für Benko beschäftigt sogar das italienische Parlament. Die Anti-Mafia-Kommission im Parlament in Rom hat bei der Staatsanwalt in Trient den Zugang zu den Ermittlungsakten beantragt. Die Kommission will vor allem die Immobilienprojekte prüfen, in die Benko und andere italienische Unternehmer verwickelt sind. Vermutet wird, dass auch die Mafia die Finger im Spiel haben könnte, hieß es aus der Kommission in Rom.
Erst vergangene Woche wurde bekannt, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Benko wegen des Verdachts, er habe CoV-Förderungen missbräuchlich verwendet, ermittelt. Dabei geht es um Förderungen für das als Hotel gewidmete „Chalet N“ auf dem Arlberg. Die WKStA hat den Verdacht, dass die Immobilie von Benko vor allem privat genutzt wurde und die dafür gezahlten CoV-Hilfen daher nicht hätten fließen dürfen, so die WKStA.
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