DayFR Deutsch

Migros verkauft in den nächsten Tagen Hotelplan nach Deutschland

-

Übernahme des Reiseanbieters

Verkauf von Hotelplan geht in den nächsten Tagen über die Bühne

Die Migros wird ihre Reisetochter voraussichtlich an die deutsche Dertour-Gruppe verkaufen, die in der Schweiz unter anderem bereits mit der Marke Kuoni präsent ist.

Publiziert heute um 00:00 Uhr

>

Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.

BotTalk

In Kürze:
  • Migros verkauft Hotelplan wahrscheinlich an Dertour, ein Tochterunternehmen der deutschen Rewe-Gruppe.
  • Hotelplan beschäftigt 850 Mitarbeitende und betreibt 82 Filialen.
  • Branchenschätzungen zufolge könnte der Verkaufspreis bei 140 bis 200 Millionen Franken liegen.
  • Dertour könnte das Geschäft aufteilen und Filialen umbenennen oder zusammenlegen.

Wochenlang wurde spekuliert. Jetzt stehe der Entscheid fest, heisst es übereinstimmend von Insidern beider Unternehmen: Die Migros soll ihre Reisetochter Hotelplan an die Dertour-Gruppe, eine Tochtergesellschaft des deutschen Detailhandelsriesen Rewe, verkaufen. Und will noch vor Weihnachten darüber informieren.

Wie es aus Branchenkreisen hiess, waren zuletzt noch Dertour und ein Schweizer Family Office am Kauf interessiert. In Deutschland ist Dertour hinter Tui die Nummer zwei im Reisemarkt. Auch in der Schweiz ist Dertour Suisse einer der grössten Reiseveranstalter, mit den bekannten Marken Kuoni und Helvetic Tours. Das Unternehmen beschäftigt rund 950 Angestellte und betreibt rund 70 Reisebüros in der Schweiz.

Hotelplan beschäftigt rund 850 Mitarbeitende in der Schweiz und in Deutschland und betreibt hierzulande 82 Reisebüro-Filialen. Zur Gruppe gehören zudem eine Tochtergesellschaft in Grossbritannien, eine kleine Sparte für Geschäftsreisen, der Anbieter für Individualreisen Travelhouse und der Ferienwohnungsanbieter Interhome.

Für Hotelplan wird «symbolischer Betrag» erwartet

Die Migros hatte Anfang Jahr entschieden, sich auf ihre Kerngeschäfte zu konzentrieren und die anderen Bereiche abzustossen, darunter das Reisegeschäft. Besonders viel kann sich die Detailhändlerin vom Verkauf allerdings nicht erhoffen: Was den Verkaufspreis von Hotelplan angeht, gehen Branchenexperten von einem Betrag zwischen 140 bis 200 Millionen Franken aus. Denn bei einer Ebitda-Marge von 1,5 Prozent sei kaum mehr zu erwarten. In der Reisebranche sind Margen zwischen 1,5 und 2,3 Prozent normal.

Allerdings schuldet Hotelplan der Migros noch 100 Millionen Franken. Denn statt während Corona Staatshilfen zu beantragen, sprang die Detailhändlerin mit einer Finanzspritze ein. Dies wird den Preis weiter schmälern.

Als deutlich werthaltiger gilt Interhome. Den Ferienwohnungsanbieter bewerten Experten mit 40 bis 60 Millionen Franken. Wie das deutsche Fachmagazin «FVW Traveltalk» berichtete, hat Dertour mit dem Berliner Ferienwohnungsspezialisten Hometogo ein Konsortium gebildet. Hometogo würde bei einem Kauf Interhome übernehmen.

Das Wertvolle an Hotelplan sei Interhome, sagt ein Branchenkenner. Er geht davon aus, dass die Migros für Hotelplan nur einen symbolischen Betrag erhalten werde. Da der Käufer mit dem Reisegeschäft, insbesondere dem Pauschalreisegeschäft kaum etwas anfangen könne und dies verkaufen oder abwickeln würde. Auch Kuoni sei damals an Dertour «verschenkt» worden.

Zwei Brands bedeuten mehr Kosten

Was also bleibt von Hotelplan, wenn Dertour übernimmt? In der Reisebranche geht man davon aus, dass Dertour das gesamte Geschäft filetieren und verkaufen oder zusammenstreichen wird. Davon dürften auch die Filialen betroffen sein. Mit Kuoni und Hotelplan würde Dertour 152 Standorte in der Schweiz betreiben. Und dort, wo Hotelplan präsent ist, ist auch Kuoni meist nicht weit.

André Lüthi, Präsident von Globetrotter, sieht zwei mögliche Strategien für Dertour: Er benennt alle Hotelplan-Filialen in Kuoni um oder behält beide Brands. «Aus meiner Sicht wäre Letzteres die weitaus bessere Lösung, denn Hotelplan verfügt über einen guten Kundenstamm und ist in der Schweiz etabliert», sagt er. So könnten mehr Filialen vor der Schliessung bewahrt werden. «Zwei Brands zu bewirtschaften, bedeutet aber auch mehr Kosten», sagt Lüthi.

Dass Dertour Doppelspurigkeiten abbauen werde, davon ist nicht nur Lüthi, sondern sind auch andere Branchenkenner überzeugt. Lüthi sieht Stellen vor allem im Backoffice, bei der IT und den Touroperatoren für das Ausland in Gefahr. Denn beide Unternehmen hätten Spezialisten für die verschiedenen Reiseregionen wie Asien, Afrika oder Amerika.

Andererseits könnte die Kuoni-Tochter vom dringend benötigten Personal profitieren. Unterschiedliche Quellen bestätigen, dass Kuoni der Personalmangel zu schaffen mache.

Offen ist, welche Auflagen die Migros dem Käufer betreffend Schutz des Personals machen kann, um ihren Ruf als soziale Arbeitgeberin zu schützen.

Übernahme als Marktbereinigung

Bei der Frage, ob Kundinnen und Kunden von der Übernahme profitieren können, gehen die Meinungen auseinander. Durch die gewaltige Einkaufsmacht Dertours erhalte man bessere Deals, sagen die einen. Andere halten sinkende Preise hingegen für unrealistisch, da diese bereits tief und an das Niveau in der EU angepasst seien. «Bei dieser Übernahme geht es in erster Linie um eine Marktbereinigung», sagt ein Branchenkenner.

Bei der Migros heisst es, der Verkaufsprozess sei «gut unterwegs» und stosse auf «grosses Interesse». Gespräche mit mehreren potenziellen Interessenten, auch für die Hotelplan Group als Ganzes, würden geführt.

Mit der Übernahme durch Dertour ginge nach Kuoni ein weiterer grosser Schweizer Reiseanbieter in deutsche Hände. Und auch die Swiss wurde bereits nach Deutschland verkauft. «Sind wir Schweizer nicht mehr fähig, auch mit grossen Tourismus-Unternehmen Geld zu verdienen?», fragt André Lüthi.

Maren Meyer ist stellvertretende Leiterin des Wirtschaftsressorts und berichtet über den Immobilienmarkt, Detailhandel, Arbeitstrends und Gesundheitsthemen.Mehr Infos

Armin Müller ist Autor im Wirtschaftsressort. Er schreibt hauptsächlich über wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Themen.Mehr Infos @Armin_Muller

Fehler gefunden?Jetzt melden.

13 Kommentare

Related News :