Protest an der letzten Generalversammlung der Credit Suisse.Bild: Schlussstein
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Der PUK-Bericht gibt dem Management die Hauptschuld am Ende der Credit Suisse. Doch Politik und Behörden waren zu nachgiebig. Bei der UBS darf sich dies nicht wiederholen.
Marlene Amstad wirkte gelassen, als sie am Donnerstag in Zürich-Altstetten auf den Extrazug zur Präsidialfeier von Karin Keller-Sutter in Wil (SG) wartete. Der Präsidentin der Finanzmarktaufsicht (Finma) schien es nichts auszumachen, dass der Bankpersonalverband am selben Tag ihren Rücktritt als «überfällig» bezeichnet hatte.
In den Medien war ebenfalls spekuliert worden, dass die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) Amstad zum «Sündenbock» für den Untergang der Credit Suisse erkoren werde und sie deshalb abtreten müsse. Am Freitag wurde der mit Spannung erwartete Bericht veröffentlicht, nach 18 Monaten Arbeit und 45 Sitzungen.
Kannte Marlene Amstad den Bericht am Donnerstag? Es ist möglich, sogar wahrscheinlich, denn die Medien erhielten ihn bereits am Mittwoch zugestellt, mit strengster Sperrfrist. Und es würde erklären, warum die Finma-Präsidentin in Wil so unbeschwert wirkte. Sie kommt im PUK-Bericht vergleichsweise gut weg, ja fast schon als «Good Cop».
Missmanagement bei der CS
Für die Rolle des «Bad Cop» kommen viele infrage, in erster Linie die Chefs der Grossbank mit ihrem Missmanagement. Ihnen gibt die von der Freiburger Mitte-Ständerätin Isabelle Chassot präsidierte PUK die Hauptschuld am Debakel, das sich ab Sommer 2022 abzeichnete und am 19. März 2023 zur «Notfusion» mit der UBS führte.
Seitens der Behörden konnte die PUK hingegen «kein kausales Fehlverhalten» feststellen. Ist die CS also allein schuld an ihrem Scheitern? Das wäre zu kurz gegriffen und wird im Bericht auch nicht behauptet. Vielmehr bestätigt er, was man schon lange weiss: Politik und Behörden sind gegenüber der mächtigen Bankenlobby viel zu unterwürfig.
Der fatale Minimalismus
Das zeigt sich beispielhaft bei der «Too big to fail»-Regulierung. Unter dem Schock des Beinahekollapses der UBS während der Finanzkrise 2008 beschloss die Schweiz ein relativ griffiges Gesetz. Bis 2015 gehörte sie gemäss der PUK zu den Ländern mit der am weitesten fortgeschrittenen Regulierung. Danach aber kam es zu einer Art Trendwende.
Finanzministerin Karin Keller-Sutter und Bundespräsident Alain Berset an der Medienkonferenz am 19. März 2023.Bild: Schlussstein
«Aus Rücksicht auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Grossbanken sollten die internationalen Standards nicht rascher als in anderen Finanzplätzen umgesetzt werden», heisst es im Bericht. Es ist jener «zeitverzögerte Minimalismus», den die «NZZ am Sonntag» allen Ernstes als Erfolgsrezept für die Schweiz im globalen Machtpoker hochgejubelt hat.
Ein Schönwetterkonstrukt
Im Fall der Credit Suisse hätte er um ein Haar eine globale Finanzkrise verursacht. Das «Too big to fail»-Gesetz sei «nicht für eine Vertrauenskrise konzipiert», folgert die PUK. Es ist im Klartext ein Schönwetterkonstrukt. Dabei kam auch der Bundesrat den Grossbanken immer wieder entgegen und überging Nationalbank und Finma.
Also besonders fatal erwies sich nach Ansicht der PUK, dass der Bundesrat bei der Einführung eines Public Liquidity Backstop (PLB) «zu zögerlich war». Gemeint ist ein Mechanismus, der Banken in Notlagen schnell mit frischem Geld versorgt. Er musste am Märzwochenende per Notrecht eingeführt werden, was die PUK als rechtmässig anerkennt.
Ueli, der «Bad Cop»
Damit rückt auch die Rolle des damaligen Finanzministers Ueli Maurer (SVP) in den Fokus. Er kann als der eigentliche «Bad Cop» bezeichnet werden, und das liegt nicht an den von der «Sonntagszeitung» vorab kolportierten «Geheimtreffen» (im Fachjargon Non-Meetings) mit der CS-Führung. Maurer erkannte die schwierige Lage, doch am Ende tat er zu wenig.
Zu einer Eskalation kam es im Oktober 2022. Damals verbreitete der australische Journalist David Taylor auf Twitter die Meldung, dass «eine grosse internationale Investmentbank» am Abgrund stehe. Einen Namen nannte er nicht, doch die Spekulationen richteten sich auf die durch Skandale (Mosambik, Archegos, Greensill) in Schieflage geratene Credit Suisse.
Bundesratssitzung abgesagt
Der Finanzminister traktandierte eine ausserordentliche Bundesratssitzung für den 4. November. Dabei wäre es um die Einführung des Public Liquidty Backstop per Verordnung gegangen. Doch zwei Tage zuvor sagte Maurer sie ab, aufgrund der Sorge der CS vor einer «negativen öffentlichen Reaktion». Im Klartext: Man wollte keine schlafenden Hunde wecken.
Danach beruhigte sich die Lage scheinbar, und bei der Übergabe des Finanzdepartements an Karin Keller-Sutter im Dezember wurde die Lage der Bank als «stabil» bezeichnet. Gleichzeitig jedoch hatte die Finma bereits Vorbereitungen für den Zusammenschluss mit einer anderen Bank gefordert. Als «Kandidatin» galt schon damals die UBS.
Äusserst kritischer Zustand
Wenige Tage nach dem Departementswechsel «alarmierte» Finma-Präsidentin Amstad den damaligen Nationalbank-Präsidenten Thomas Jordan, dass sich die vermeintlich stabile CS «in einem äusserst kritischen Zustand befand». Es wurden verschiedene Lösungsszenarien entwickelt, mit denen die CS die Krise vielleicht aus eigener Kraft hätte bewältigen können.
Marlene Amstad schlug Alarm, als Ueli Maurer die Lage noch als stabil bezeichnete.Bild: Schlussstein
Als im März 2023 jedoch in den USA eine Regionalbankenkrise ausbrach, kam es zur Eskalation. Immer mehr Kunden zogen ihr Geld bei der CS ab, was zur Rettungsübung führte. Bereits zu jenem Zeitpunkt frage Marlene Amstad laut der PUK Sergio Ermotti an, ob er bereit wäre, im Falle einer Sanierung die Funktion des CEO zu übernehmen.
Die Finanzlage verschleiert
Amstad kommt somit besser weg als andere Involvierte. Das gilt nicht für die Finma selbst. Sie intervenierte wiederholt bei der CS, doch 2017 gewährte sie ihr einen «regulatorischen Filter». Dieser Fachausdruck bedeutet, dass die Grossbank ihre Finanzlage quasi amtlich bewilligt verschleiern durfte. Sie hätte sonst mehr Eigenkapital aufbauen müssen.
Wie es zu diesem Filter kam, konnte die PUK nicht umfassend klären. Marlene Amstad allerdings war nicht involviert, sie ist erst seit 2020 im Amt. Die Nationalbank wiederum sah den Filter kritisch, was einmal mehr die Frage nach Ueli Maurers Rolle aufwirft. Was sich aber folgern lässt: Ohne den fragwürdigen Filter gäbe es die CS vielleicht noch.
Die Nachgiebigkeit von Politik und Behörden gegenüber der Bankenlobby bleibt skandalös. Minimalismus hat die CS ins Verderben geführt. Die PUK fordert mit mehreren Vorstössen Massnahmen. Denn ganz am Ende des Berichts erinnert sie daran: Die Schweiz hat mit der neuen Monster-UBS ein weit grösseres Klumpenrisiko als andere Länder.
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