Verspätungen, Annullationen, vergessenes Gepäck. Die Swiss musste in der letzten Zeit viel Prügel einstecken. Nun gibt die Airline der Flugsicherung Skyguide und der Flughafenbetreiberin eine Mitschuld an der mangelnden Qualität.
Herr Buchhofer, Sie sind der Betriebschef der Swiss. Aber vieles läuft nicht rund am Flughafen Zürich, oder?
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Ich würde es so formulieren: Die Situation ist nicht zufriedenstellend.
Aber Sie haben keine Wahl: Die Swiss ist an Zürich gebunden.
Das ist so, und das möchten wir auch gar nicht ändern. Wir fühlen uns in Zürich wohl.
Konnte die Swiss dieses Jahr ihre Pünktlichkeit verbessern?
Wir konnten unsere Pünktlichkeit per Mitte Dezember dieses Jahres um gut vier Prozentpunkte auf 65 Prozent verbessern – und das, obwohl wir gegenüber dem Vorjahr deutlich mehr Passagiere transportiert und mehr Flüge durchgeführt haben. Damit sind wir zufrieden. Aber wir sind noch lange nicht da, wo wir hinwollen. Ziel für dieses Jahr war, eine Pünktlichkeit von 70 Prozent zu erreichen.
Zur Person
Oliver Buchhofer
Der Swiss-Betriebschef ist der einzige Schweizer in der vierköpfigen Geschäftsleitung der Airline. Nebenher ist der 47-Jährige weiterhin als Pilot tätig. Er fliegt Airbus-330-Maschinen auf der Langstrecke.
Dann tut die Swiss zu wenig dafür?
Wir wissen, dass wir unsere Hausaufgaben machen müssen. Wir haben 2024 über 80 Massnahmen eingeleitet, um die Pünktlichkeit und das Kundenerlebnis zu verbessern. Diese zeigen bereits Wirkung. Nächstes Jahr sind es sogar 200 Massnahmen.
Zum Beispiel?
Wir haben zusätzliches Personal eingestellt. Dieses setzen wir spezifisch für kritische Flüge ein, die wir schnell abfertigen müssen. Wir nennen diese Mitarbeitende «Turnaround-Manager». Überall dort, wo wir direkt eingreifen können, testen wir neue Konzepte. Allerdings gibt es auch andere Beteiligte, die einen Beitrag leisten müssen.
Sie sprechen von der Flugsicherung Skyguide und dem Flughafen Zürich?
Genau, das sind unsere Flughafenpartner.
Diese beteuern, dass sie alles täten für einen gut funktionierenden Flughafenbetrieb.
Schauen wir uns die nackten Zahlen an: 2024 landen und starten pro Stunde weniger Flugzeuge in Zürich als 2019, also vor Corona. Und unsere Pünktlichkeit am Flughafen Zürich liegt rund zehn Prozent tiefer als vor der Pandemie. Für einen Hub-Betrieb, der durch Zubringerpassagiere funktioniert, ist das hoch relevant: Wir sind darauf angewiesen, dass die Flugzeuge pünktlich ankommen und schnell wieder parat sind für den Weiterflug.
Warum hat sich die Pünktlichkeit dermassen verschlechtert?
Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten. Tatsache ist jedoch, dass wir nicht die gleiche Performance erreichen wie vor der Corona-Krise. Und das bei vergleichbaren Bedingungen: ungefähr das gleiche Wetter, gleich grosse Flugzeuge und so weiter.
Was ist Ihre Theorie?
Eine abschliessende Antwort habe ich noch nicht, möchte es aber gern besser verstehen. Wir glauben, dass wir bei der Swiss die Hub-Prozesse am Flughafen noch verbessern können. Gespräche dazu laufen. Ich möchte es so sagen: Die Energie, die hineingesteckt wird, um wirklich besser zu werden, scheint nicht bei allen beteiligten Partnern gleich hoch zu sein.
In ganz Europa ist der Flugbetrieb instabil. Warum ist es in Zürich speziell schlecht?
Bis Mai dieses Jahres waren wir deutlich pünktlicher als 2023. Dann kam der Sommer, also die Hauptreisezeit. Da sind wir auf das gleiche niedrige Niveau wie im Vorjahr zurückgefallen. Und jetzt, wo nicht mehr so viel geflogen wird, funktioniert es wieder besser. Wir hatten Tage mit deutlich über 80 Prozent Pünktlichkeit. Das zeigt: Das System kann funktionieren. Aber eben nur unter idealen Bedingungen und wenn insgesamt weniger geflogen wird. Das reicht uns jedoch nicht, wir müssen am Flughafen Zürich robuster werden. Es muss auch im Sommer funktionieren, wenn die meisten Menschen reisen.
Skyguide koordiniert die Starts und die Landungen am Flughafen Zürich. Hapert es dort?
Ich würde es nicht hapern nennen. Es braucht einfach die Bereitschaft, ans Limit zu gehen.
Für Skyguide steht nun mal die Sicherheit an oberster Stelle.
Selbstverständlich. Für uns auch. Wir sind ein Hochsicherheitsbetrieb, darüber diskutieren wir nicht. Wir sind jedoch der Meinung, dass innerhalb dieses Rahmens noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Das zeigen ja die Zahlen aus den Zeiten vor der Pandemie. Man könnte beispielsweise einmal testen, im Tagesbetrieb bei der gewährten Anzahl Anflüge pro Stunde, den sogenannten Slots, mehr Flüge nach Zürich zu leiten. Wir bei Swiss haben Pläne für den Fall, dass es zu viele würden. Dann lassen wir beispielsweise zunächst alle Flugzeuge landen und verzögern die Starts. Solche Ansätze würden wir gern testen. Und sie, wenn sie nicht funktionieren, auch schnell wieder verwerfen.
Wie ist denn die Zusammenarbeit mit Skyguide?
Wir stehen natürlich in engem Kontakt, und der Dialog ist konstruktiv. Allerdings ist es eine Sache, über Probleme zu reden, und eine andere, ob und wie schnell danach etwas passiert. Wir würden uns mehr Tempo wünschen.
Wie ist das an anderen grossen Flughäfen?
Wir sehen, dass es anderswo besser funktioniert. Gerade punkto Verspätungen. Wenn wir uns in Zürich am Morgen eine Verspätung einhandeln, können wir diese über den Tag kaum mehr aufholen. Zeichnet sich beispielsweise eine Ostwindlage für den nächsten Tag ab, sind wir gezwungen, bereits im Voraus Flüge zu streichen.
Liegt’s an der Beamtenmentalität? Skyguide ist ein Staatsbetrieb.
Es ist nicht an mir, irgendwelche Mentalitäten anderer zu beurteilen.
Wir haben jetzt viel über Verspätungen geredet, aber noch nicht über das Gepäck. Wie sieht es da aus?
Auch das ist ein sehr emotionales Thema für unsere Passagiere. In Zürich sehen wir eine deutliche Veränderung in die falsche Richtung. Wir verzeichnen hier etwa doppelt so viele Gepäckstücke als vor der Pandemie, die nicht wie vorgesehen ankommen. Auf unserem gesamten Netz lag die Quote per Mitte Dezember bei 2,3 Prozent. In Zürich sind es rund 4 Prozent.
Das ist ja dramatisch. Woran liegt das?
Der Flughafen Zürich modernisiert die Gepäcksortieranlage. Das ist ein Mammutprojekt, das sich über mehrere Jahre erstreckt. Dafür haben wir natürlich Verständnis. Allerdings hat die Anlage gerade erst am vergangenen Wochenende für mehrere Stunden gestreikt, und das nicht zum ersten Mal.
Und dann sind all die Koffer liegen geblieben?
Ja, aber dank der Nachtarbeit der Abfertigungsteams konnten wir sicherstellen, dass bis zum nächsten Tag alle Gepäckstücke an unsere Gäste nachgesendet wurden.
Fürs Gepäck ist der Flughafen Zürich verantwortlich, die Swiss stellt die sogenannten Abfertiger. Schieben sich die Akteure gegenseitig den schwarzen Peter zu?
Es ist menschlich, zuerst nach einem Schuldigen zu fragen. Bei einem so komplexen System wie einem Flughafen führt das jedoch zu nichts. Wir möchten stattdessen wissen, wie die Situation für unsere Gäste besser wird. Wenn jeder auf den anderen zeigt, hat jeder gute Argumente. Wir müssen jetzt wieder zu alten Schweizer Tugenden zurückfinden. Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit und konsequente Zusammenarbeit. Daran hängt auch unser Stolz. Das muss unser Antrieb sein.
Die Swiss ist aber am meisten betroffen von der ungenügenden Situation.
Das ist so. Die Passagiere buchen ihre Tickets bei uns und erwarten von Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit – und zwar auf ihrer gesamten Reise. Wir fühlen uns auch verpflichtet. Wenn etwas am Flughafen nicht so läuft, wie es sollte, richten sich die Reklamationen an uns. Und wir tragen die ganzen Kosten: sei es für verlorenes Gepäck, Verspätungen oder Hotelübernachtungen. Der finanzielle Anreiz, das anzupacken, ist bei den Partnern deshalb sicherlich nicht gleich hoch wie bei uns.
Haben Sie schon einmal ausgerechnet, was Sie das alles kostet?
Diese Zahlen erheben wir, und sie sind signifikant. Im Jahr 2024 haben wir neben den Betreuungskosten für Hotel und Essen in den ersten neun Monaten allein für Entschädigungen für unsere Gäste über 10 Millionen Franken bezahlt. Tendenz steigend.
Es gab jüngst eine grosse Debatte darüber, ob die Swiss das Prädikat «Premium» noch verdient hat. Was sagen Unpünktlichkeit und verlorene Gepäckstücke über die Qualität einer Airline aus?
Eine Menge. Diese Punkte gehören zu unserem Kerngeschäft. Wir spüren, dass es Gäste gibt, die nicht zufrieden sind. Und es gibt natürlich einen Zusammenhang zwischen der Kundenzufriedenheit und der Pünktlichkeit sowie der Gesamtperformance einer Airline.
Flugbewegungen nehmen zu, Sie nehmen nächstes Jahr grössere Langstreckenjets in Betrieb. Das System kommt noch mehr unter Druck.
Das stimmt. Wir gehen davon aus, dass der Verkehr in Zürich und weltweit nächstes Jahr weiter zunehmen wird – jedoch nicht unbedingt unseretwegen. Unser Angebot an Tickets wird sich nur leicht erhöhen. Aber die Luftfahrt ist eine Wachstumsbranche. Umso wichtiger ist es, dass wir am Standort Zürich gemeinsam Lösungen finden.
Im Juni wurde im Kanton Zürich die «Initiative Nachtruhe» eingereicht. Sie verlangt, dass am Flughafen Zürich pünktlich um 23 Uhr Feierabend ist. Heute dürfen noch bis 23 Uhr 30 Flüge abgearbeitet werden. Ein Ja zur Initiative würde also alles noch komplizierter machen.
Eine solche Einschränkung hätte dramatische Folgen für uns. Wir betreiben ein komplexes System von Lang- und Kurzstreckenflügen, die aufeinander abgestimmt sind. Nur dadurch können wir so viele Destinationen anbieten, wie wir das heute tun. Das ist wiederum für die Schweizer Volkswirtschaft von zentraler Bedeutung. Wird die Initiative angenommen, wäre etwa ein Drittel unseres weltweiten Netzwerks gefährdet.
Aber weil es am Tag nicht funktioniert, wird immer öfter bis halb zwölf am Abend geflogen.
Glauben Sie mir: Wir wollen so spät am Abend auch nicht mehr unterwegs sein. Deshalb müssen wir am Flughafen während des Tages endlich all unsere Möglichkeiten ausschöpfen.
Sie sind selber Pilot. Wie oft fliegen Sie eigentlich noch?
Ein bis zwei Mal im Monat. Jetzt an Weihnachten ein bisschen öfter. Heute Sonntag geht’s nach Chicago, an Neujahr nach New York. Es ist immer noch einer der schönsten Jobs, den es gibt. Ich mache auf jedem Flug ein Sonnenauf- oder ein Sonnenuntergangsfoto aus dem Cockpit. Die sehen zwar immer gleich aus. Aber ich habe jedes Mal eine wahnsinnige Freude daran.
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