Ein Zürcher würde vor Peinlichkeit wohl am liebsten im Boden versinken, als der den Geldtopf einer obdachlosen Frau umschmeisst und zerbricht.
Das Wichtigste in Kürze
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Durch eine Unachtsamkeit trampelt ein Zürcher den Geldtopf einer Bettlerin um.
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Diese nimmt das Missgeschick mit Humor.
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Kein Wunder: Die Menschen scheinen in der Weihnachtszeit grosszügiger zu sein.
Weihnachtszeit in Zürichs Innenstadt heisst: Menschenmassen eilen durch die Gassen, Autos hupen, Chöre singen auf der Strasse. Hektik trifft auf Besinnlichkeit.
So auch am vergangenen Samstag. Viele wollen noch letzte Geschenke kaufen und drängen sich am Löwenplatz aneinander vorbei.
Da passiert einem Migros-Kunden das, was keiner will: In seiner Hektik übersieht er eine Bettlerin, die vor dem Eingang am Boden liegt.
Sie hat sich eine Decke gegen die Kälte ausgerollt, trägt Handschuhe und einen dicken Skianzug. Vor ihr steht der übliche Topf, in dem sie Geld sammelt.
«Scherben bringen Glück»
Der Migros-Kunde schaut aufs Handy – und klirr! Der gläserne Geldtopf liegt in hundert Scherben da.
«Oh Gott», entfährt es dem Kunden. Die Peinlichkeit ist ihm anzusehen, seine Frau lacht peinlich berührt und meint: «Scherben bringen Glück.»
Er hat dann auch Glück: Auch die Bettlerin nimmt es mit Humor, sie sagt: «Du musst mir einen neuen kaufen.» Was er auch tut.
Helfer organisieren Weihnachten für Obdachlose
Eine so freundliche Reaktion auf ein Missgeschick – und ein Shopper, der sich entschuldigt und sofort für Kompensation sorgt. Weihnachtliche Stimmung auf der Strasse also.
Ob sich das auch auf die Portemonnaies der Bettlerinnen und Bettler auswirkt, lässt sich nicht «verlässlich» sagen. Das teilt das Zürcher Sozialwerk Pfarrer auf Anfrage mit.
Weihnachten gibt es aber auch für die Betroffenen: Die Organisation bietet über die Festtage aber verschiedene weihnachtliche Angebote an.
«In allen unseren Einrichtungen gibt es weihnachtliche Festivitäten», erklärt ein Sprecher. «Sowohl in den Notschlafstellen als auch bei der Gassenküche.»
Alle Räume würden festlich dekoriert, führt er aus. «Zudem gibt es feines Essen – wir haben ein spezielles Menü. Zum weiteren Programm gehören beispielsweise eine Andacht, das Lesen von biblischen Geschichten oder Musik.»
«Menschen in dieser Jahreszeit womöglich etwas grosszügiger»
Auch die Heilsarmee kann zu den Bargeld-Einnahmen von Bettlerinnen und Bettlern keine Aussage machen.
Sprecher Simon Bucher sagt aber: «Es liegt nahe, dass Menschen in dieser Jahreszeit womöglich etwas grosszügiger sein dürften.»
1Und.
2Nein.
Nora Hunziker von der Gassenarbeit Bern sagt zu Nau.ch: «In der Weihnachtszeit erzählen uns einige bettelnde Menschen, dass sie etwas mehr Geld erhalten.»
Die Gassenarbeit sieht dafür mehrere mögliche Gründe: «Einerseits sind vor Weihnachten mehr Menschen unterwegs: Andererseits stellen wir fest, dass sich mehr Passantinnen und Passanten solidarisch gegenüber obdachlosen Menschen zeigen wollen.»
Warnung vor Bettelbanden schwächte Solidarität ab
In diesem Jahr sei die Solidarität aber etwas abgeschwächt worden, sagt Nora Hunziker. Dies, weil «die Stadt Bern kurz vor Weihnachten erneut vor Bettelbanden gewarnt hat. Auf die Bettler hat sich dies leider negativ ausgewirkt.»
Für Menschen, die die Angebote der Gassenarbeit nutzten, gebe es jeweils Mitte Dezember ein Weihnachtsessen, sagt sie. «Über die Weihnachtszeit haben wir unsere Angebote normal geöffnet. Dank lieben Spenderinnen und Spendern gibt es jeweils ein festliches Zvieri.»
Auch in den Institutionen und Gemeinden der Heilsarmee fänden in diesen Tagen schweizweit Weihnachtsfeiern für bedürftige Menschen statt. Dies erklärt Sprecher Simon Bucher. «Über das ganze Land verteilt, nehmen bis zu 10’000 Menschen daran teil.»
Laut Bucher ist die Klientel dabei sehr divers. Sie reiche «von Menschen ohne Obdach über einsame Personen bis hin zu spontanen Teilnehmenden».
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