Der Dokumentarfilm „Beckenbauer. Der letzte Kaiser». Der Film wirft ein neues Licht auf die Gesamtfigur des deutschen Fußballs – und überzeugt durch die Nuancen.
Das Intro gibt sofort den Ton an, aber eigentlich gibt es zwei Intros und zwei Töne. Das erste Intro wird von Udo Jürgens gesungen. In seinem Lied aus dem Jahr 1975 geht es um den Libero Franz Beckenbauer und seine Leichtigkeit, aber auch um die Schwere, die auch Beckenbauer kannte, das Publikum aber mit seiner spielerischen Art oft vergessen ließ. Dasselbe tun auch die Bilder im Intro, die Ausschnitte aus dem WM-Finale 1974 gegen die Niederlande zeigen, wie Beckenbauer den Ball mit ganz eigener Eleganz über den Rasen des Münchner Olympiastadions führt. Und dann ist da noch Beckenbauers zartes Lächeln, als er nach dem Sieg im Finale den Pokal in die Höhe streckt.
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Dem zweiten Intro folgt ein Schnitt, danach folgt die Dokumentation „Beckenbauer. „Der letzte Kaiser“, dessen Stimme aus dem Off beginnt. „Die Kugel ist die Vollkommenheit des Rades“, sagt Beckenbauer, „ich weiß nicht, ob das verständlich ist, aber unser Sonnensystem ist rund, die Erde ist rund, der Mond ist rund, die Planeten sind rund.“ Sagen wir also: Diese Form ist göttlich. Deshalb ist der Fußball so entstanden.“ Dann lacht er.
Es ist ein typisches Beckenbauer-Zitat gleich zu Beginn des Films. Und selbst wenn das Publikum ihn gar nicht hören, sondern nur seine Worte lesen würde, hätte es bereits Beckenbauers Stimme, seinen Habitus und Klang mit dem rollenden R und der Lässigkeit im Kopf und sein Gesicht vor Augen.
Eine Wiederbegegnung mit der Superfigur des deutschen Fußballs
Der Dokumentarfilm, der pünktlich zum ersten Todestag Beckenbauers am 7. Januar 2025 erscheint, ist eine Wiederbegegnung mit der Superfigur des deutschen Fußballs, die die meiste Zeit seines Lebens allgegenwärtig schien, sich aber in den letzten Jahren zurückgezogen hat.
-Um die öffentliche und private Figur Beckenbauer geht es in Torsten Körners Film, den Arte am Dienstag ab 20:15 Uhr in der internationalen Fassung als Dreiteiler zeigt. Die Dokumentation ist am 12. Januar um 16:30 Uhr auch im ZDF zu sehen bereits in der ZDF-Mediathek zu finden.
Der Film zeichnet Beckenbauers Leben, seine Stationen als Fußballer und als Mensch nach. Dies geschieht mit Hilfe von Weggefährten, wie den Brüdern Walter Beckenbauer, Günter Netzer und Günther Jauch. Beckenbauer stand jahrzehntelang im Fokus der Öffentlichkeit; Man könnte meinen, dass jeder bereits von ihm wusste. Der Dokumentarfilm schafft es aber auch, Licht auf weniger bekannte Dinge zu werfen. Dies gelingt ihr, indem sie Beckenbauer in den historischen Kontext stellt und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen seiner globalen Karriere erläutert.
Das Publikum kann erleben, wie Beckenbauer aufwuchs, wie er mit seiner Neuinterpretation des Spiels die Menschen faszinierte und wie er die Position des Liberos überhaupt erst hervorbrachte. Wie er zur ersten Werbefigur des Fußballs wurde und als Spieler des FC Bayern und der deutschen Nationalmannschaft zum Weltstar wurde. Wie er als Spieler und als DFB-Teamchef den WM-Titel gewann. Und als OK-Chef war es gefühlt der Einzige, der die Weltmeisterschaft 2006 mit einer beispiellosen Werbetour rund um den Globus nach Deutschland brachte.
Die Dokumentation hilft, die Brüche in Beckenbauers Leben besser zu verstehen
Eine der Stärken des Films sind die Nuancen. Unverkennbar sind sie zum Beispiel, wenn es um den Tod von Beckenbauers Sohn Stephan im Jahr 2015 geht. Oder wenn Beckenbauer sagt, was die ohnehin schon hohen Gehälter mit einer Mannschaft machen. Damit entmystifiziert er die Naivität, die er einst in dem Lied „Niemand kann gute Freunde trennen“ besungen hat.
Angesichts der Tatsache, dass Beckenbauer keineswegs leichtgläubig war, müssen auch die Ungereimtheiten und Brüche in seinem Leben verstanden werden, insbesondere die vom „Spiegel“ im Jahr 2015 erhobenen und bis heute nicht vollständig geklärten Korruptionsvorwürfe rund um die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006.
Der Film versucht auch, den angeblichen Stimmenkauf mit Beckenbauers bayerischer Vita zu erklären und macht deutlich, warum diese Affäre das Image der vermeintlichen Lichtgestalt so heftig erschütterte, obwohl die angeblichen Ereignisse niemanden hätten überraschen sollen. Beckenbauer war immer der Kaiser, dem alles zu gelingen schien. Dabei wurde er „Opfer seines eigenen Bildes“, wie es der Schauspieler Matthias Brandt im Film ausdrückt, „dieser Gustav-Gans-Qualität, die er schon sehr lange hatte; Man konnte sich nicht einmal vorstellen, dass es weg sein würde. Es war fast so, als ob es nicht mehr existierte.“
Fast am Ende des Films „Beckenbauer. „Der letzte Kaiser“ ist noch einmal aus dem Off mit Beckenbauers Stimme zu hören. Jetzt spricht er über Furchtlosigkeit angesichts des eigenen Todes und den Glauben an die Reinkarnation. Anschließend formuliert Beckenbauer einen Satz, der fast wie eine tröstende Begrüßung anlässlich seines ersten Todestages klingt: „Der Tod ist Leben.“ Das gehört auch zum Bild von Beckenbauer, der im vergangenen Januar im Alter von 78 Jahren starb.
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