Der Schweizer Karl May – SWI swissinfo.ch

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Ein ziemlich harter Diener Gottes: der beliebte Schriftsteller Franz Heinrich Achermann

Foto: Jürg Studer, Grafik: Schweizerisches Nationalmuseum


Franz Heinrich Achermann (1881-1946) war lange Zeit in Vergessenheit geraten. Dennoch verfasste der Luzerner Geistliche rund 40 Romane und Theaterstücke, die ihn zum meistgelesenen Jugendbuchautor seiner Zeit in der Schweiz machten.

Dieser Inhalt wurde veröffentlicht am

6. Oktober 2024 – 08:00 Uhr

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Das ist das Walliser Volksfreund der ihn nach dem Tod von Franz Heinrich Achermann im Jahr 1946 den „Schweizer Karl May“ nannte. Im Wallis wird uns auch ein frecher Autor in Erinnerung bleiben, dessen amüsante und scharfsinnige Worte die Mentalität der Region perfekt repräsentierten.

Solche Charaktereigenschaften zeigen uns, dass wir es hier nicht mit irgendeiner Feder zu tun haben, sondern mit der eines Autors, der nicht davor zurückschreckte, aus der Trickkiste der modernen Didaktik zu schöpfen, um mit Humor, Spannung und Klarheit große Themen zu verkörpern malerische Charaktere. Achermann war gewissermaßen der Johannes Mario Simmel der Schweizer Kinderliteratur oder ihr Karl May, um noch einmal die Walliser Lokalzeitung zu zitieren.

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Franz Heinrich Achermann wurde verglichen…

Circulaire de la Schweizer Volksbuchgemeinde, X/1971

>Porträt des deutschen Schriftstellers Karl May
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…an den berühmten deutschen Autor Karl May.

Wikimedia

Katholischer Priester

Schauen wir also zurück in die Vergangenheit. Franz Heinrich Achermann (1881–1946) stammte aus dem Luzerner Dorf Sankt Erhard. Als Sohn von Lehrern wuchs er in einem Haus mit schönem Namen auf «Eselhüsli» (Eselhütte) wurde dann Priester der katholischen Kirche. Nach seiner Priesterweihe wirkte er als Pfarrer in Schaffhausen (1908–1913), Oberdorf (SO) (1913–1920), Basel (1920–1929) und Kriens (ab 1930). Achermann ist so beliebt, dass die Gläubigen manchmal Schlange vor seinem Beichtstuhl stehen. Es kommt auch vor, dass wir während seiner Predigten die Türen der Kirche offen lassen müssen, da so viele Menschenmengen kommen, um ihm zuzuhören.

>Foto eines Priesters in voller Kutte auf einer Straße
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Achermann im Ordenskleid: Er war Vikar in den Kantonen Basel, Luzern, Schaffhausen und Solothurn.

Michael Schärli

Pfarrer Achermann war in der Tat ein talentierter Countertenor mit scharfem Sinn für Humor, was auch der Spitzname „Krampfaderhotel“ beweist, den unser Mann dem Altenheim Marienheim verliehen hatte. Wenn die Schüler zu spät zum Unterricht kamen, rief er: „Kommen wir heute also vorbei?“ Außerdem war er ein leidenschaftlicher Jäger und ein Fan betrunkener Kartenspielabende. So sehr, dass Jürg Studer, der Krienser Lokalhistoriker, ihn einen „Verbrecher des Herrn“ nannte.

Vom Pfarrer zum Schriftsteller

Neben seiner intensiven Tätigkeit im Dienste der katholischen Kirche verfasste Franz Heinrich Achermann mehr als 40 Romane und Theaterstücke. Und selbst wenn wir ihn mit seinem deutschen Kollegen Karl May vergleichen, sind seine Schriften weniger vom amerikanischen Westen als vielmehr von der Vorgeschichte inspiriert. Tatsächlich war der Schriftsteller an Ausgrabungen und archäologischen Forschungen beteiligt, als er in der Region Solothurn am Jurafuss arbeitete. Achermann schreibt spannende Jugendromane wie „Der Jäger vom Thursee“ (Der Jäger vom Thursee«Der Schatz des Pfahlbauers» (Der Schatz der Seen) oder sogar „Kannibalen der Eiszeit“ (Kannibalen aus der Eiszeit): so viele Werke, die ihn in den Rang des meistgelesenen Schweizer Kinderbuchautors seiner Zeit katapultierten.

Achermann widmet sich auch der Geschichte des Landes und insbesondere der Zentralschweiz, aus der er stammt. Seine Schriften beschäftigen sich mit Nicolas de Flüe, dem Nidwaldner Terror nach der Gründung der Helvetischen Republik im Jahr 1798 und der Loyalität der Schweizer Söldner gegenüber dem König von Frankreich in Paris während der Revolution von 1789.

>Cover eines 1918 erschienenen Buches
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Couverture du roman «Der Schatz des Pfahlbauers» (Le trésor des lacustres) de Franz Heinrich Achermann, 1918

Verlag Otto Walter / Musée national suisse

Von der Vorgeschichte bis zum 18. Jahrhundert, unabhängig von der Epoche, die als Schauplatz seiner Bücher dient, schildert Achermann Charaktere mit schwierigen Schicksalen, die sich in großer Not weiterentwickeln, deren grundlegende Suche jedoch stets die Liebe bleibt. Das Vorwort zu „Die Jäger vom Thursee“ (Die Jäger vom Thursee) ist beispielhaft für diesen Ansatz: „Möge diese Geschichte nur ein Ziel erreichen: eine größere Liebe zum Heimatland und ein tieferes Interesse an seiner prestigeträchtigen Vergangenheit.“

Es ist klar, dass bei 31 Romanen manchmal die Quantität vor der Qualität steht. Die Zeitung Neuen Zürcher Nachrichten „Eine ganz besondere Schrift mit durchsetzungsstarkem Charakter, die unzählige Leser im deutschsprachigen Raum begeistert.“ Andere Zeitgenossen des Schriftstellers waren kritischer. So schrieben die Germanisten Severin Perrig und Beat Mazenauer in Achermanns Biographie:

Was ihm vorschwebte, musste sofort zu Papier gebracht werden. Stil war also seine geringste Sorge. Er ließ seiner Spontaneität freien Lauf, sowohl bei der Wortwahl als auch bei den Metaphern. (…) Die Geschichte ist daher unbeschwert, ungezügelt und manchmal etwas naiv.

Auszug aus der Biografie „Der Missionar der innersten Wildnis“, 1994.

Dieses schnelle Schreiben und der zügige Manichäismus spiegelten gut die Persönlichkeit des Vikar-Schriftstellers wider. Sowohl erbärmlich als auch nationalistisch spiegelten Inhalt und Stil seiner Geschichten den Geist des frühen 20. Jahrhunderts wider. In seinem Unterricht verschönerte er seine Geschichten gerne mit dramatischen Beschreibungen oder musikalischen Einlagen. Bestimmte Anekdoten wirken heute mehr als seltsam und offenbaren einen impulsiven, ja ungehemmten Charakter. Er soll einem Jungen in den Hals gekniffen haben, um ihm das Gefühl zu geben, mit einer Axt hingerichtet zu werden. Ein junges Mädchen, das zu spät zum Religionsunterricht kam, wurde so heftig geschüttelt, dass die Knöpfe an ihrem Mantel platzten. Achermann widmet die ersten zehn Minuten seines Unterrichts nur der Religion und erzählt dann freizügig Geschichten voller Moral. Sowohl auf psychischer als auch auf physischer Ebene war Achermann eine Naturgewalt. Dies ist vielleicht der Grund, warum er sein ganzes Leben lang als Pfarrer und nicht als Priester arbeitete.

Der „Volksdichter“ verabschiedet sich

Achermann starb im Alter von 64 Jahren an Lungenkrebs. Seine Beerdigung in Kriens am 22. April 1946 wird jahrzehntelang in Erinnerung bleiben. Ein endloser Trauerzug zog durch das Dorf. In Kriens hatten wir noch nie einen solchen Andrang auf dem Friedhof gesehen. Sogar Bischof Franziskus von Streng kam, um von diesem beliebten Kirchen- und Literaten Abschied zu nehmen. Fanfaren und Pfarrchor sowie die Fahnen katholischer Vereine, Ortsvereine und der Gesellschaft Schweizerischer Studenten begleiteten Achermanns Abschied.

>Grabstein eines Schweizer Schriftstellers
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Der Grabstein von Franz Heinrich Achermann erinnert an seine Karriere als „Volksdichter“.

Jürg Studer

Einst wurde oft über die folgende Anekdote berichtet. Während des Zweiten Weltkriegs soll Achermann stets eine Pistole unter seiner Soutane getragen haben. Bei Kriegsende, am 8. Mai 1945, soll er seine Waffe aus dem Fenster im zweiten Stock des Pfarrhauses St. Gallus in Kriens abgefeuert haben. „Bist du völlig verrückt geworden?“ ein Freund hätte es ihm gesagt. „Nein, diese Patronen waren für Adolf bestimmt, aber er braucht sie nicht mehr…“, soll Achermann geantwortet haben, nachdem er eine auf dem Baum gegenüber sitzende Krähe abgeschossen hatte.

Über den Autor

Michael van Orsouw ist promovierter Geschichtswissenschaftler, Dichter und Schriftsteller. Er veröffentlicht regelmäßig historische Werke.

Der Originalartikel im Blog des Schweizerischen Nationalmuseums

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