Geschlechtsspezifische Gewalt wird in der Schweiz zu oft verharmlost. Das haben heute Nachmittag mehrere tausend Demonstranten in Bern angeprangert. Die Versammlung auf dem Bundesplatz markierte den Auftakt der Präventionskampagne „16 Tage gegen Gewalt“.
Mehr als 90 Organisationen, darunter Frauenrechtsgruppen, NGOs wie Amnesty International oder Parteien wie die PS, die Vert-es oder Le Centre Femmes, hatten zu dieser Demonstration aufgerufen. Der Kampf gegen häusliche, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt müsse endlich als politische Priorität betrachtet werden, forderten mehrere Redner auf dem Bundesplatz.
Es muss genügend Schutzorte für Gewaltopfer geben. Diese müssten auch finanziell nachhaltig sichergestellt werden, sagte ein Vertreter des Dachverbandes der Aufnahmezentren.
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Zu den Rednern gehörte auch Alt-Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Vor einer Menschenmenge, die den Bundesplatz füllte, erinnerte sich die Sozialistin an ihre Erinnerungen an die Arbeit in einem Frauenheim in Freiburg vor rund 40 Jahren. Die Situation der betroffenen Menschen empöre sie und trage zu ihrem politischen Engagement bei, sagte sie.
Nach Angaben eines Journalisten der Nachrichtenagentur Keystone-ATS waren zu Beginn der Demonstration 5.000 bis 7.000 Menschen anwesend, die Organisatoren sprachen von 10.000 Teilnehmern zum Zeitpunkt der Reden, trotz klirrender Kälte.
„Immer noch nicht genug“
Simonetta Sommaruga forderte, Opfern von Gewalt zu helfen und Täter zu bestrafen. Wir müssen auch an Orten und in Situationen handeln, die Gewalt gegen Frauen begünstigen. Zum Beispiel, wenn sie ein geringeres Gehalt haben. Das bedeutet nichts anderes, als dass Frauen keinen Wert haben und dass Menschen ohne Wert sogar mit Gewalt beseitigt werden können, bemerkte Bernoise.
Alle zwei Wochen wird in der Schweiz eine Frau von ihrem Partner, ihrem Ex-Partner oder einem Bekannten getötet. Allein in diesem Jahr seien dort bereits 16 Feminizide gezählt worden, heißt es im Demonstrationsaufruf der Veranstalter.
So sehr, dass häusliche, sexuelle oder geschlechtsspezifische Gewalt in der Schweiz zum Alltag gehört. „Wir haben genug von sozialer Gleichgültigkeit und politischer Verantwortungslosigkeit“, schreiben sie.
„Wir wollen heute eine Realität sichtbar machen, die in der Schweiz unerträglich ist, die aber in den Medien, in öffentlichen Reden und in der Politik nicht genügend Raum findet“, empört sich Grünen-Präsidentin Lisa Mazonne. Mit sozialistischen Frauen fordert sie heute, dass von jedem Franken, der für die Armee bereitgestellt wird, 5 Rappen in den Kampf gegen sexistische Gewalt investiert werden.
Mehr Engagement der Kantone
Marianne Maret, Beraterin des Walliser Staatenzentrums, wurde zum Forum eingeladen, um über den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen zu sprechen. „Ich verstehe nicht, warum bestimmte Politiker diese Geißel immer noch aufgeben können. Der Kampf dagegen sollte einstimmig erfolgen.“
Ihrer Meinung nach betrifft die Untätigkeit zwar den Bund, aber vor allem die Kantone. „Alle Kantone sollten den Opfern die gleichen Leistungen bieten. […] Es gibt noch immer Kantone, in denen es keine Aufnahmestrukturen gibt. Das ist etwas Unerträgliches“, bedauert sie.
Ihrer Meinung nach sollten beispielsweise Präventionskurse gegen geschlechtsspezifische Gewalt für Jugendliche verpflichtend sein. „Sie lehren sie, darüber nachzudenken, woraus eine positive und egalitäre Beziehung besteht, sich der Idee der Wahl in einer Beziehung bewusst zu werden, gewalttätiges Verhalten zu erkennen und seine Ursachen und Folgen zu verstehen, natürlich auch die Alarmsignale für gewalttätiges Verhalten zu erkennen.“ “, erklärt der Senator.
TV-Thema: Michael Maccabez
Webadaption: Raphaël Dubois mit ats