I Capuleti ei Montecchi in Nancy: musikalische Fülle und szenische Leere

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Nancy. Nationaloper Lothringen. 29. VI. 2024. Vincenzo Bellini (1801–1835): I Capuleti ei Montecchi (Die Capulets und die Montagues), Oper in zwei Akten nach einem Libretto von Felice Romani, basierend auf William Shakespeares Romeo und Julia. Inszenierung: Pinar Karabulut. Szenografie: Michela Flück. Kostüme: Teresa Vergho. Licht: Bernd Purkrabek. Mit: Julie Boulianne, Roméo; Yaritza Véliz, Juliette; David Astorga, Tebaldo; Donnie Ray Albert, Capellio; Manuel Fuentes, Lorenzo. Chor der Nationaloper Lothringen (Dirigent: Guillaume Fauchère), Orchester der Nationaloper Lothringen, Dirigent: Ramón Tebar

Zum Saisonabschluss würdigt die Opéra national de Lorraine den Belcanto mit einer bemerkenswerten Besetzung und einer angemessenen musikalischen Leitung. Bellinis Meisterwerk inspirierte das Team um Regisseurin Pinar Karabulut allerdings wenig

Die Inszenierung der Werke von schöner Gesang romantisch, im Wesentlichen musikalisch und gesanglich, oft zu Lasten des dramatischen Einsatzes, bleibt problematisch. Sollten wir uns mit einer wörtlichen Darstellung der Bilder begnügen, die den Kontext respektiert, und es den Interpreten allein überlassen, die Emotionen hervorzuheben? Das Kürzliche Beatrice von Tenda Die von Peter Sellars an der Pariser Nationaloper aufgeführte Aufführung zeigte die Grenzen einer solchen Option auf. Sollten wir im Gegenteil um jeden Preis versuchen, diese Werke zu aktualisieren und näher an die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts heranzuführen?t Jahrhundert unserer heutigen Anliegen? Gemäß den Intentionen, die sie im Theaterprogramm darlegt, hat Regisseurin Pinar Karabulut diesen zweiten Ansatz gewählt. Das Patriarchat anprangern, starke Frauenfiguren zeigen, mit der Mehrdeutigkeit des Transvestiten spielen (Romeo wird in Bellini von einer Mezzosopranistin gesungen) und dabei alle Attribute der Weiblichkeit beibehalten, das ist sehr zeitgemäß.

Das Ergebnis wird diesen hehren Vorstellungen leider nicht gerecht. Warum sollte man das Eroberungsgeschehen auf den amerikanischen Westen übertragen, ein Universum, das sicherlich männlich ist, in dem die männliche Herrschaft jedoch nicht mit mehr Gewalt ausgeübt wurde als an vielen anderen Orten? Vor allem, weil es sich um einen kitschigen Wilden Westen handelt, wo eine riesige Distel an Wüstenkakteen erinnert, wo die Pferde aus Holz sind und sich auf einem Karussell drehen, wo der Chor wie Cartoon-Banditen maskiert ist und wo der edle Tebaldo Sergeant Garcia ähnelt von Zorro. Die Kostüme sind wenig schmeichelhaft (und das ist eine Untertreibung) mit einem leicht kindischen Farbcode: Blau für die Capulets und Rot für die Montagues, während Lorenzo, das fragile Bindeglied zwischen den beiden Familien, unter seinem langen Mantel ein Harlekin-Kostüm in beiden Farben trägt. Die heftigen und grellen Lichter, bei denen Orange dominiert, erinnern an die „Pop-Jahre“. Mit Julias Zimmer und Grab in Form einer fliegenden Untertasse aus Plastik, ebenfalls orange, mit den lächerlichen Gesten, die dem Chor auferlegt werden, distanziert uns alles von der Tragödie, die sich abspielt und nicht ernst genommen zu werden scheint. Erst die Schlussszene und der Tod der Liebenden schaffen es, durch ihre Armut, ihre raffinierten und bedeutungsvollen Gesten, kurz gesagt durch ihre Einfachheit, endlich Emotionen zu wecken.

Da das Auge wenig befriedigt, liegt das Glück in der musikalischen Interpretation, und der Erfolg ist vollkommen. Nach Iphigenie in TauridJulie Boulianne kehrt für einen leidenschaftlichen und entschlossenen Romeo nach Nancy zurück. Sein opulentes Timbre in den mittleren und üppigen Bässen, zusätzlich angereichert mit einer feinen Vibrato, seine kraftvollen und durchdringenden hohen Töne, seine bekannte Fähigkeit zur tragischen Intensität tragen zum Erfolg seiner Inkarnation bei. Als Juliette ist Yaritza Véliz für uns eine echte Offenbarung. Diese chilenische Sopranistin verfügt tatsächlich über alle stimmlichen Fähigkeiten und den technischen Hintergrund, die dafür erforderlich sind schöner Gesang: Reinheit des Tons, überragende Kontrolle des Atems und des Liniengefühls, Schärfe und Präzision der Lautäußerungen, komfortabler Ambitus und vor allem eine Flexibilität, die es ihm ermöglicht, Emotionen durch die alleinige Variation von Farben, Dynamik oder Emission mit schwebenden und ätherischen hohen Tönen zu vermitteln, die es wert sind der größte. Der Tenor David Astorga spielt auch einen soliden und kraftvollen Tebaldo mit einem Traumton (wir denken oft an Luciano Pavarotti!). legato Sauber, fest und sicher in den hohen Tönen, einfallsreich in den Variationen der Cover, aber dennoch geizig mit Nuancen. Während Donnie Ray Albert als Capellio mit etwas vager Diktion Statur, Präsenz und Autorität unterstreicht, erregt Manuel Fuentes als Lorenzo Aufmerksamkeit, der trotz einiger Brutalität in der Show sehr engagiert, intensiv und gut gemacht ist.

Um diese hochwertige Bühne bedienen zu können, war ad hoc Orchesterunterstützung erforderlich. Dies ist auch eine vollkommene Zufriedenheit für ein Orchester der Nationaloper Lothringen, das sehr engagiert und perfekt in Fülle und Homogenität ist. Dazu trägt voll und ganz die Regie von Ramón Tebar bei, die die richtigen Pulsationen findet, Dynamik verleiht, ohne in Pompierismus zu verfallen und sich vor allem um die instrumentalen Farben kümmert, die dabei von Instrumentalisten mit Eingriffen purer Schönheit bedient werden. Holzbläser, Horn und Cello nehmen so am ekstatischen Zauber von Bellinis Kantilenen teil. Obwohl der Chor der Opéra national de Lorraine durch die Gestikulationen, die ihm die Inszenierung auferlegt, beeinträchtigt wird, behält er seinen Zusammenhalt mit Sanftheit und Sinnlichkeit bei. Das Nancy-Publikum, das wegen des unattraktiven Bühnenaspekts der Show zurückhaltend war, begrüßte die Musicaldarsteller, Sänger und Musiker gleichermaßen enthusiastisch und einhellig.

Bildnachweis: Julie Boulianne (Romeo), Yaritza Véliz (Juliette) © Jean-Louis Fernandez

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Nancy. Nationaloper Lothringen. 29. VI. 2024. Vincenzo Bellini (1801–1835): I Capuleti ei Montecchi (Die Capulets und die Montagues), Oper in zwei Akten nach einem Libretto von Felice Romani, basierend auf William Shakespeares Romeo und Julia. Inszenierung: Pinar Karabulut. Szenografie: Michela Flück. Kostüme: Teresa Vergho. Licht: Bernd Purkrabek. Mit: Julie Boulianne, Roméo; Yaritza Véliz, Juliette; David Astorga, Tebaldo; Donnie Ray Albert, Capellio; Manuel Fuentes, Lorenzo. Chor der Nationaloper Lothringen (Dirigent: Guillaume Fauchère), Orchester der Nationaloper Lothringen, Dirigent: Ramón Tebar

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