der Tag, an dem Mohamed Ali in der Schweiz war

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Boxlegende Mohamed Ali verbrachte Weihnachten in der Schweiz. Bild: Getty

Der größte Boxer aller Zeiten kam Ende 1971 nach Zürich, um im Hallenstadion gegen den Deutschen Jürgen Blin anzutreten. Doch es lief nicht alles wie geplant.

Peter BlunschiFolgen Sie mir

Der Champion trägt eine Lederjacke und abgenutzte Stiefel. Am Weihnachtstag geht er die Treppe des Atlantis Sheraton Hotels hinunter. In der Empfangshalle Eric Bachmann, Fotograf im Auftrag für das Magazin Sie+Erwartet auf ihn. Er möchte Mohamed Ali bei seinem Morgentraining begleiten. Überraschenderweise erweist sich die große Klappe des Boxens als einfach. „Ali war freundlich, überhaupt nicht arrogant“, erinnert sich Bachmann.

Anschließend flüchtete Ali in Begleitung von Eric Bachmann zu den verschneiten Hängen des Üetlibergs. Der Fotograf gibt sein Bestes und verewigt jeden Moment. Die Fotos verstaubten dann jahrzehntelang in seinen persönlichen Archiven. Nun ist es möglich, sie im Bildband zu bewundern Muhammad Ali, Zürich, 26.12.1971.

Dieser Saint-Etienne, der amerikanische Superstar, trifft im Hallenstadion auf den Deutschen Jürgen Blin.

Von Whiskey Einsatz

Wie kam es dazu, dass die Boxlegende in der Schweiz kämpfte? Die Geschichte ähnelt einem Kriminalroman. Der Ausgangspunkt: eine Wette in der Playboy Bar in Zürich. Promoter Hansruedi Jaggi spielt mit dem Journalisten eine Flasche Ballantine’s Blick Jack Stark. Er ist sich sicher, Cassius Clay und dann Mohamed Ali nach Zürich holen zu können.

Hansruedi Jaggi

Boxer Jürgen Blin (Mitte) posiert mit seinem Manager Fritz Wiene (links) und Hansruedi Jaggi (rechts).Bild: Schlussstein

Jaggi, 30 Jahre alt, ist nicht größer als 1,60 Meter. Seine Silhouette ist dennoch imposant. Aus einfachen Verhältnissen stammend, machte er sich durch die Organisation zweier legendärer Konzerte einen Namen. Das der Rolling Stones im Hallenstadion 1967, als die Fans revoltierten und alles zerstörten, und das von Jimi Hendrix am selben Ort, kurz vor dem Globus-Aufstand, der Zürcher Episode der Ereignisse von 1968.

Ali zu verpflichten war keine leichte Aufgabe. Erst durch Jaggis Freund Rock Brynner, Sohn des Schweizer Stars Yul Brynner, konnte das Projekt verwirklicht werden. Der Boxer befand sich dann in einem schwierigen Moment seiner Karriere. Nachdem er sich geweigert hatte, in der amerikanischen Armee zu dienen, wurde er von einer mehrjährigen Sperre befreit und verlor im März den „Kampf des Jahrhunderts“ gegen Weltmeister Joe Frazier.

Füße im Schnee

Am 15. Dezember 1971 trafen der Champion und seine Familie mit rund fünfzig in Kloten ein. Wie bereits erwähnt, lebte er im Atlantis Sheraton, trainierte aber im Limmathaus Hotel, wo im Theater ein Boxring installiert war. Kurz nach seiner Ankunft in der Stadt beschloss er spontan, Schuhe als Ersatz für seine alten, abgenutzten Stiefel zu kaufen.

Seine Füße waren nass vom Schnee.

Der Boxer und sein Trainer Angelo Dundee gehen in den Laden „Schönbächler“ an der Langstraße. Es gibt nur ein Paar Schuhe, die in der Größe 47 erhältlich sind. Ein beiges Modell der Marke Raichle, heute Mammut. Er kauft sie mit Hut bzw. nimmt sie mit. Mohammed Ali hat kein Geld bei sich. Die Begleichung der Rechnung übernimmt wenig später das Haus Ringier, das ausschließlich Bachmanns Fotos druckt.

Niemand will Kampf

Geld ist eigentlich ein echtes Thema. Promoter Hansruedi Jaggi wurde für seine Wette verspottet. Als die Ankunft von Mohamed Ali bevorsteht, sind alle begeistert. Aber die Rezepte sind letztendlich nicht da. Jaggi will den Sportler vermarkten und zum Werbeträger machen.

Mehr als zwei Autogrammstunden in einem neu eröffneten Einkaufszentrum bekommt er aber nicht.

Bei den -Rechten sind die Zahlen nicht viel besser. Alis Gegner Jürgen Blin ist in den USA niemand. Aus diesem Grund möchte kein amerikanischer Sender den Kampf übertragen. Das Gleiche gilt auch für Deutschland. Die Sender wollen ihren Zuschauern am Boxing Day kein Boxen anbieten. Das Schweizer entschuldigt sich, dass es aufgrund des Spengler Cups in Davos nicht über die nötigen Ressourcen verfüge. Am Ende wird nur der private britische Sender ITV den Kampf live übertragen und dafür knapp 11.000 Pfund ausgeben.

Muhammad Ali (geb. Cassius Clay), links, während eines Boxkampfes gegen den deutschen Boxer Jürgen Blin, rechts, im Hallenstadion in Zürich, Schweiz, am 26. Dezember 1971. Ali gewann den Kampf durch ...

Der Kampf zwischen Ali und Blin war einseitig. Sieg durch KO für den Amerikaner.Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV

Auch der Ticketverkauf scheiterte. Am Sonntagabend, 26. Dezember, sitzen Sportstars wie Bernhard Russi, Clay Regazzoni, Ferdi Kübler und Ruedi Hunsperger am Ring. TV-Moderatorin Mäni Weber präsentiert den Kampf.

Allerdings wurden nur 6.361 Tickets verkauft und das Hallenstadion scheint halb leer zu sein.

Katastrophe finanziell

Wie erwartet ist der Kampf einseitig. Jürgen Blin versucht seine Unterlegenheit mit blendenden Angriffen auszugleichen. Ali lässt die Schläge an sich abprallen. Und als Blin in der siebten Runde erschöpft ist, schickt ihn der Champion auf die Bande.

Nach seinem Auftritt in Zürich, der für ihn nur eine Formsache war, erzielte Mohamed Ali immer wieder neue Erfolge. Später wurde er Doppelweltmeister. Doch für Hansruedi Jaggi endete seine „verrückte Idee“ in einem finanziellen Desaster. Der Verlust von 800.000 Franken ist viel höher als befürchtet. Er kam nur dank des deutschen Industriellen und Boxfans Bernd Grohe durch, der die Schulden diskret abzahlte.

Muhammad Ali (mit gebuertigem Namen Cassius Clay) boxt am 26. Dezember 1971 im Hallenstadion in Zuerich gegen den Deutschen Boxer Juergen Blin, rechts. Ali gewann den Kampf durch K.O. in der siebten R ...

Ali beendete den Kampf in der 7. Runde.
Bild: KEYSTONE

Dieses Abenteuer und viele weitere Episoden werden in der Biografie von Hansruedi Jaggi erzählt, der im Jahr 2000 im Alter von 59 Jahren an einer unheilbaren Muskellähmung starb. Das Buch des Journalisten Eugen Sorg wurde jedoch nie veröffentlicht. Die Rechte lagen bei der Witwe der verstorbenen Jaggi und sie lehnte die Freilassung stets ab.

Auch bei der 45-minütigen Dokumentation mit dem Titel ist die Lage verwirrend Der böseste Papa der Weltgedreht vom Filmemacher Ernst Bertschi während Mohamed Alis Aufenthalt in Zürich. Die Arbeit wurde einer kleinen Gruppe von Gästen gut präsentiert. Aber öffentliche Vorführungen sind unmöglich, weil niemand wirklich weiß, wer die Rechte besitzt.

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