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Der Fall der gefälschten Unterschriften taucht in Bern erneut auf

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Gerhard Andrey hat die E-ID zu einem seiner Steckenpferde gemacht.Keystone

Der Skandal um die gefälschten Unterschriften schlägt in Bern weiterhin hohe Wellen. Eine Allianz aus sechs Parteien schlägt vor, die Sammlung elektronischer Signaturen zu beschleunigen. Das Verfahren sei sicher und habe Vorteile, versichern uns die Parlamentarier.

19.09.2024, 11:5919.09.2024, 12:10

Stefan Bühler / ch media

In Bern, wo der Fall der gefälschten Unterschriften wieder aufgetaucht ist, läuft es nicht rund. Sechs Nationalräte und ein Ständerat haben am Mittwoch im Parlament fast sieben Interventionen eingelegt, alle identisch. Der Wortlaut ist recht direkt:

„Die jüngsten Enthüllungen über die Fälschung von Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden durch unseriöse kommerzielle Anbieter sind alarmierend und untergraben die Glaubwürdigkeit der direkten Demokratie“

Gemeinsam fordern sie den Bundesrat auf, die Konsequenzen aus diesem Debakel zu ziehen und endlich eine lange erwartete technologische Revolution umzusetzen: die elektronische Unterschriftensammlung. Die Parlamentarier kommen aus allen Parteien ausser der SVP. Es sind:

  • Gerhard Andrey (Grüne/FR)
  • Min Li Marti (PS/ZH)
  • Beat Flach (PVL/AG)
  • Marcel Dobler (PLR/SG)
  • Nik Gugger (PEV/ZH)
  • Dominik Blunschy (Mitte/SZ)
  • Matthias Michel (PLR/ZG)

In ihren Anträgen argumentieren sie, dass „das elektronische Unterschriftensammeln die Sicherheit bei der Einreichung von Unterschriften erheblich erhöhen und so das Vertrauen in die Ausübung politischer Rechte wiederherstellen kann“.

Unser Artikel zum Thema:

Alle Parteien haben unterschrieben

Dies ist ein starkes Signal des Parlaments an den Bundesrat: Es kommt selten vor, dass sechs Parteien im Nationalrat denselben Antrag stellen. Im Ständerat, wo der Antrag vom Freisinnigen Matthias Michel eingereicht wurde, unterzeichneten Vertreter aller Parteien die Motion. Die SVP war zwar nicht auf der Interventionsvorlage vertreten, doch mehrere ihrer Mitglieder unterzeichneten sie sowohl im Nationalrat als auch in den Ständeraten.

Konkret verlangen die Parlamentarier vom Bundesrat, «ein Pilotprojekt zur Erprobung der elektronischen Unterschriften- und Referendumssammlung, E-Collecting, zu initiieren». Dabei wird auf die technische Grundlage der elektronischen Identität, E-ID, gesetzt, deren Entwicklung im Bund zügig voranschreitet.

Übrigens: Wo stehen wir beim E-Voting?

Wir treffen Nationalrat Gerhard Andrey und Ständerat Matthias Michel in der Lobby. Sie haben das Projekt in den letzten Tagen in beiden Kammern vorangetrieben und viel Zuspruch erhalten. Ersterer kennt sich zudem bestens in der Branche aus, denn er ist IT-Unternehmer.

„Wir wollen zeigen, dass wir uns im Parlament nicht nur mit aktuellen Problemen beschäftigen, sondern dass wir da sind, um Lösungen für die Bevölkerung zu finden.“

Gerhard Andrey (Grüne/FR)

Nach Jahrzehnten des Zögerns haben sich nun fast alle Parteien endlich darauf geeinigt, mit dem E-Collecting einen Schritt nach vorne zu machen. Der Unterschriftenskandal hat also auch seine guten Seiten:

„Wir sehen, dass das aktuelle System fehleranfällig ist, zugleich verfügen wir mit dem E-Collecting aber über eine moderne Alternative, die hilft, Missbräuche wie die, die es offenbar gegeben hat, zu verhindern.“

Gerhard Andrey (Grüne/FR)

Über Gerhard Andrey ????????

Wie eine Eintrittskarte für einen Fußball

Doch wie genau soll dieses Vorgehen funktionieren? Ständerat Matthias Michel erklärt, dass der Bund ab 2026 allen Schweizerinnen und Schweizern die E-ID anbieten wolle.

„Mit der E-ID können wir zweifelsfrei sicher sein, dass eine Person auch diejenige ist, die sie vorgibt zu sein.“

Matthias Michel (PLR/AG)

So soll es künftig etwa bei der Unterschriftensammlung möglich sein, einen QR-Code des Initiativkomitees auszulesen und digital zu unterschreiben. Die Registrierung ist dann sicher und vor allem einmalig. «Ist die Unterschrift einmal eingelesen, speichert das System diese direkt. Es wird somit unmöglich sein, einen Text zweimal zu unterschreiben», erklärt der Aargauer und veranschaulicht:

„Man muss sich das ein bisschen wie eine elektronische Eintrittskarte für ein Fußballspiel oder ein Konzert vorstellen.“

Matthias Michel (PLR/AG)

Dezentral und geheim

Ein weiterer Vorteil der E-ID ist für Gerhard Andrey, dass sie dezentralisiert ist und wenig Daten verbraucht. «Meine Informationen bleiben unter meiner Kontrolle. Die E-ID bestimmt selbst, ob ich dieselbe Initiative zweimal unterschreiben möchte und macht die Unterschrift unmöglich.» Das System habe sogar den Vorteil, «ein Unterschriftengeheimnis zu etablieren», erklärt der Freiburger Nationalrat. Dies sei bei handschriftlichen Unterschriften nicht der Fall, wie einige der Methoden zur betrügerischen Sammlung von Unterschriften zeigten. Da die Gemeinden letztlich die Gültigkeit der digitalen Zustimmung prüfen und bestätigen, sei diese Geheimhaltung zudem nicht vollständig.

„Wenn ich mich zum E-Collecting anmelde, erhalten die Initiativkomitees von mir lediglich die Information, dass ich eine wahlberechtigte Person bin und ihr Anliegen unterstütze.“

Gerhard Andrey (Grüne/FR)

Nachdem das Volk 2021 in einer Abstimmung eine von privaten Anbietern verwaltete, aber vom Staat anerkannte E-ID abgelehnt hatte, lancierte eine breite Allianz ein neues Projekt auf rein staatlicher Basis. Die neue E-ID soll vom Bundesamt für Polizei, Fedpol, herausgegeben werden. Zudem sollen E-ID-Inhaberinnen und -Inhaber die Hoheit über ihre Daten behalten können.

In der Deutschschweiz bereits im Einsatz

Ein erster Pilotversuch mit der neuen E-ID läuft bereits: In Appenzell Ausserrhoden gibt es den Lernfahrausweis seit Mai auch elektronisch. Gespeichert wird er auf dem Smartphone in einer elektronischen Geldbörse. Wer ihn etwa zu Beginn einer Fahrstunde oder bei einer Verkehrskontrolle vorweisen will, kann das über einen QR-Code tun. Die übermittelten Daten erlauben es Fahrschulen oder der Polizei, die Gültigkeit des Ausweises zu prüfen.

Auch die rechtlichen Grundlagen für einen Test der elektronischen Unterschriftensammlung sind nach Ansicht der Antragsteller gegeben. Vor der bundesweiten Einführung des E-Collecting empfehlen Gerhard Andrey und Matthias Michel, zunächst ein Pilotprojekt aufzusetzen. Denkbar wäre etwa, das E-Collecting zunächst an eine Höchstquote für digitale Sammlungen zu knüpfen.

„Wir sollten schnell Erfahrungen sammeln und sehen, wo das System noch verbessert werden muss“

Gerhard Andrey (Grüne/FR)

Mehr Aufmerksamkeit für den Text

Das Argument, dass E-Collecting die Einleitung von Initiativen und Referenden erleichtern und damit häufiger machen würde, lässt Matthias Michel allerdings nicht gelten. Im Gegenteil glaubt er, dass es die Menschen dazu ermutigen werde, sich die Texte genauer anzuschauen:

„Anstatt eine Volksinitiative spontan auf der Straße zu unterschreiben, weil mich jemand davon überzeugt hat, kann ich in Ruhe entscheiden, ob ich unterschreiben möchte.“

Gerhard Andrey (Grüne/FR)

Gerhard Andrey fügt hinzu:

„Mit E-Collecting können wir die Beteiligung an den Rechten des Volkes erleichtern und gleichzeitig das Verfahren deutlich verbessern. Es ist eine wichtige Weiterentwicklung unserer Kultur der direkten Demokratie.“

Gerhard Andrey

Dazu passt die breite Zustimmung zu diesen Vorstößen im Parlament. Ebenso die Aussagen von Bundeskanzler Viktor Rossi, der für die Unterschriftenprüfung zuständig ist. Er prüft derzeit technische Methoden, um Unterschriftensammlungen sicherer zu machen. Als Option nannte er dabei ausdrücklich die E-ID.

(Übersetzt und adaptiert von Chiara Lecca)

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