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Mitarbeiter, die auf die Toilette gehen, zu stempeln ist legal – rts.ch

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Das Kantonsgericht Neuenburg entscheidet zugunsten eines Uhrenunternehmens, das die Toilettenpausen seiner Mitarbeiter von der Arbeitszeit abzieht, verrät das RTS.

Alles beginnt mit einer im Jahr 2021 durchgeführten Covid-19-Kontrolle. Das Neuenburger Amt für Beziehungen und Arbeitsbedingungen (ORCT) stellt fest, dass die Firma Jean Singer et Cie, die Zifferblätter für Uhren herstellt, bei Toilettenpausen einen Stempel vorschreibt.

Für das ORCT, das sich auf eine Stellungnahme des SECO (Staatssekretariat für Wirtschaft) stützt, verstößt diese Verpflichtung gegen die Grundsätze des Bundesarbeitsgesetzes. Im Januar 2022 verlangte er dann, dass das in Boudry ansässige Unternehmen seine Praxis ändert und ihn über die ergriffenen Maßnahmen informiert.

Das sieht das Unternehmen aber nicht so. Einen Monat später, im Februar 2022, teilte sie dem ORCT mit, dass sie seinen Forderungen nicht nachkommen werde.

Fronten verhärten sich. Im April 2022 untersagte das Amt Jean Singer et Cie schriftlich, bei Toilettenpausen einen Stempel zu verhängen. In seiner Entscheidung weist er darauf hin, dass „Arbeitsunterbrechungen aufgrund physiologischer Bedürfnisse nicht als Pausen angesehen werden können“, da sie nicht der Erholung dienen.

Nach Ansicht des Amtes könnte die Stempelpflicht „das Personal dazu veranlassen, sich zurückzuhalten oder nicht zu trinken, was zu schwerwiegenden physiologischen Störungen führen könnte“.

Eine Lücke im Gesetz

Jean Singer et Cie lehnte diese Entscheidung vor dem Ministerium für Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt ab. Unter Pause versteht das Unternehmen „aus physiologischen Gründen notwendige Arbeitsunterbrechungen, die der Ernährung, Entspannung und dem Sammeln neuer Kräfte dienen“.

Darin heißt es, dass das Stempelsystem es nicht ermögliche, den Grund für die Arbeitsunterbrechung zu ermitteln, und dass daher die Verpflichtung zur Achtung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers nicht verletzt werde.

Diese Argumente überzeugen das Ministerium für Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt nicht. Im Januar 2024 lehnte er die Berufung mit der Begründung ab, dass der Toilettengang als Teil der Arbeitszeit anzusehen sei.

Jean Singer et Cie beschloss daraufhin, die Angelegenheit vor Gericht zu bringen. Eine gewinnbringende Wette: in a Entscheidung vor einigen Tagen veröffentlicht und von der RTS-Untersuchungsabteilung aufgedeckt, lässt das Gericht für öffentliches Recht des Kantonsgerichts die Berufung des Uhrenunternehmens zu. Dies ist das erste Mal in der Schweiz, dass diese Frage von einem Gericht entschieden wurde.

In seinem Urteil stellt das Gericht für öffentliches Recht fest, dass „der Begriff der Pause im Gesetz nicht klar definiert ist. Der Gesetzgeber hat daher keine eindeutige Lösung für dieses Thema bereitgestellt.“ […] Streng genommen handelt es sich hierbei um eine Lücke in dem Sinne, dass der Gesetzgeber es unterlassen hat, einen Punkt zu klären, obwohl er dies hätte tun sollen.

Frauen diskriminiert?

Für die Richter verbietet das Gesetz dem Arbeitgeber daher zwar nicht ausdrücklich, Toilettenpausen als Pausenzeit anzurechnen, es gibt aber ein „Aber“: Das Gericht ist der Ansicht, dass die Stempelpflicht Frauen diskriminiert.

„Sie werden mit dem Menstruationszyklus konfrontiert, der mit der Menstruation beginnt. Dieses physiologische Phänomen erfordert die Einhaltung grundlegender Hygieneregeln und folglich häufigere oder sogar längere Toilettengänge“, stellt das Gericht fest. Er fordert daher den Uhrenhersteller auf, Maßnahmen zu ergreifen, um diese Ungleichheiten zu verringern.

Die für Beschäftigung zuständige Staatsrätin Florence Nater „nimmt diese Entscheidung zur Kenntnis“, verheimlicht aber nicht ihre Besorgnis. „Ich hoffe natürlich, dass dieses Urteil anderen Unternehmen nicht schadet, die zu einer solchen Praxis verleitet werden könnten. Es wäre dennoch ein besonderes Signal, das an die Arbeitnehmer gesendet würde“, bekräftigt der gewählte Sozialist in der 19.30 Uhr.

Zeitgesteuerte Mitarbeiter

Eine Sorge, die der Gewerkschafter Solenn Ochsner, Leiterin des Industriesektors bei Unia Neuchâtel, teilt. Für sie sitzt das Böse tief.

„Andere Probleme werden sehr regelmäßig angesprochen. Ich denke dabei insbesondere an die Zeitmessung, wenn man zur Toilette geht, um zu sehen, wie lange man geht, oder an die Tatsache, dass man ein ärztliches Attest mitbringen muss, wenn der Vorgesetzte denkt, dass man zur Toilette gegangen ist.“ zu oft während eines Arbeitstages“, erklärt sie um 19:30 Uhr.

Die rechtliche Lücke schließen

Auch das Staatssekretariat für Wirtschaft nahm auf Anfrage den Entscheid des Kantonsgerichts Neuenburg zur Kenntnis. Er bekräftigt jedoch seinen Standpunkt, dass „eine Maßnahme, die den Arbeitnehmern die volle Kontrolle über ihr Handeln innerhalb des Unternehmens unterwirft, an sich nicht mit der Achtung des Grundsatzes der persönlichen Integrität der Arbeitnehmer vereinbar ist.“

Thema behandelt am 6. Oktober 2024 um 19:30 Uhr.

Fabiano Citroni, RTS-Ermittlungsabteilung

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