Zum Jahresende verschaffen sich die Dörfer rund um Meiringen im Berner Oberland Gehör. Die Bewohner des Haslitals führen in der Neujahrswoche den uralten Brauch des Übersitzes fort.
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21. Dezember 2024 – 08:00 Uhr
Komm schon, böse Geister, kehre in das Totenreich zurück! Solche Geistervertreibungen aller Art werden in der Schweiz vielerorts praktiziert und traditionell rund um die Wintersonnenwende gefeiert.
Im Haslital im östlichen Berner Oberland wehrt man böse Geister mit Trommeln und Kuhglocken (Kuhglocken, auch Trychel genannt) ab.
Der Brauch namens Ubersitz (darf in der Region auf keinen Fall mit Ü ausgesprochen werden!) gilt als das bedeutendste Volksfest der Umgebung. Anschließend trotzt die Bevölkerung mehrere Tage und Nächte der Kälte und Müdigkeit.
Auch wenn es in anderen Teilen des Landes ähnliche Traditionen wie „Klausjagen“ oder „Silvesterchlausen“ gibt, ist die Kombination aus Kuhglocken, Trommeln, Masken und dörflichen Eigenheiten einzigartig.
Eine Attraktion für die Öffentlichkeit
Ubersitz ist bis heute eine äußerst lebendige Tradition und wird von Generation zu Generation weitergegeben. Auch der Brauch ist zu einem Anziehungspunkt geworden, nicht nur für Touristen, die zu dieser Jahreszeit zum Wintersport ins Haslital kommen.
Die Umzüge beginnen zu Beginn der letzten Woche des Jahres, in der Nacht vom 25. auf den 26. Dezember, und enden am vorletzten Werktag des Jahres, in diesem Jahr am 30. Dezember, wie der Ubersitz selbst mitteilte. Während dieser großen Parade im Zentrum von Meiringen säumen jedes Jahr einige Tausend Menschen die Straßen.
Mehreren Quellen zufolge gehen solche Geistervertreibungen auf vorchristliche Zeiten zurück und basieren auf keltischen Traditionen rund um die Wintersonnenwende (normalerweise am 21. Dezember). Doch wie genau sollen wir uns diese Umzüge durch die Haslitaler Gemeinden vorstellen?
Jedes Dorf pflegt seine Besonderheiten
Der Brauch wird sehr unterschiedlich praktiziert. Sie findet in sieben Dörfern bzw. Dorfteilen statt: Meiringen, Willigen, Hausen, Isenbolgen, Innertkirchen, Gadmen und Guttannen. Alle haben ihre eigene Prozessionsformation und persönliche Instrumente.
Bevor sie sich zum Ubersitz im Hauptort Meiringen treffen, ziehen die Teilnehmer einige Tage und Nächte lang lautstark durch ihr Dorf. Der Fokus liegt auf der Nacht. Am Nachmittag schlafen wir.
Bei einigen Trychelumzügen sind mehr als 100 Personen anwesend. Mitmachen können Groß und Klein. Wie beim Bündner Chalandamarz-Brauch müssen sich jedoch alle an strenge Regeln halten. Wer geht an welcher Stelle in der Prozession, wer darf welche Glocke benutzen usw.
Es besteht keine Pflicht, sich zu maskieren oder zu verkleiden. Manche Menschen tragen zum Beispiel den „Mutz“, die Trachtenweste, oder Zivilkleidung. In vier Dörfern, darunter Meiringen, verwandeln sich Menschen in „Boozeni“, ältere und gepflegte Frauen. In anderen verkleiden wir uns als Hexen.
Hexen sind bei der Parade sehr präsent.
swissinfo.ch
Jedes Dorf hat seinen eigenen Zug. Die Instrumente folgen einem ganz bestimmten Rhythmus. „Dieses Tempo ist nicht vergleichbar mit einem Militärmarsch“, ist auf der Website von Haslital Tourismus zu lesenExterner Linkwo der Brauch ausführlich beschrieben wird. Der Rhythmus erfordert von den Teilnehmern einen „langsamen, gleitenden Schritt, während der Oberkörper die Glocke oder den Trychel rhythmisch schwingt“.
Gemäss Aussagen der Bevölkerung unterscheidet sich der Ubersitz auch durch die Betonung der musikalischen Harmonie zwischen Trommeln, Trychelen und Glocken von anderen traditionellen Prozessionen in der Schweiz. Sie würden bei jeder Prozession perfekt harmonieren, heißt es.
>> Wie ist der Übersitz in Meiringen? Hier ist ein Video der Ausgabe 2022:
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Besondere Figuren
Der Übersitz kennt einige seltsame Figuren, die in anderen Schweizer Bräuchen unbekannt sind. So ist es in bestimmten Dörfern der „Huttenwybli“, der die Prozession der Trychels anführt, einer älteren Frau, die ihren Mann mit einem Hut (Rucksack) trägt.
Im Meiringer Stadtteil Isenbolgen gehen dem Umzug das „Wurzelmandli“ und das „Wurzelfroueli“ voraus. Aber von Jahr zu Jahr können wir neue Charaktere in der ohrenbetäubenden Prozession beobachten.
Vor einer Figur sollten allzu neugierige Besucher auf der Hut sein: Zwischen den Zügen agieren weiße oder schwarze Versionen der Schnabelziege, besonders skurril und einzigartig in ihrer Art.
Das „Schnabelgeiss“, ein traditionelles Geschöpf, das vor allem Kinder und Zuschauer erschreckt.
swissinfo.ch
Wenn Sie sich zu nahe an die langsam paradierenden Musikgruppen heranwagen, wird Sie die Schnabelziege, die wie eine Giraffe mit Ziegenhörnern aussieht, mit ihrem Schnabel kneifen. „Oder sie stiehlt die Kopfbedeckung“, heißt es auf der Website von Haslital Tourismus.
Eine Zeitschrift für sich
Eine weitere Besonderheit: Begleitet wird der Brauch von einer temporären Zeitung mit großer Auflage, dem „Übersitzler“. Die Texte werden in „Haslidiitsch“ anonym verfasst, wie die Tageszeitung „Frutigländer“ im Jahr 2020 angibtExterner Link.
Eine Prozession in Meirigen im Jahr 1947.
A. Huber, CC BY-SA 4.0
Über diese Zeitung, die seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert existiert, gibt es viele Gerüchte. Tatsächlich ermöglicht die absolute Anonymität der Autoren, unverblümt über alle Themen und alle Menschen zu schreiben, die Haslital geprägt haben.
Einige „Geschädigte“ hätten ihnen bereits mit Anwalt und Strafverfolgung gedroht, sagte das anonyme Gremium 2004 in einem Interview mit der Zeitung „Jungfrau-Hasler“.Externer Link. Aber es gab nie einen Prozess.
Korrekturgelesen und überprüft von Balz Rigendinger
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