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Die Schweiz beteiligt sich an der Obdachlosen-WM

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Die Obdachlosen-Weltmeisterschaft 2008 in Melbourne.Bild: Instagram

Derzeit nehmen zwei Schweizer Teams (Männer und Frauen) am Obdachlosen-Weltcup in Seoul teil. Ein Turnier, bei dem es nicht darauf ankommt, Tore zu schießen.

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64 Teams aus 49 Nationen treten vom 21. bis 28. September in Seoul beim „Homeless World Cup“ an. Allen Beteiligten gemeinsam ist, dass sie am Rande der Gesellschaft leben.

Der Ausdruck „Fußball ist mehr als nur ein Spiel“, der oft etwas hohl klingt, erlangt in der südkoreanischen Hauptstadt seine volle Bedeutung. Bei diesem besonderen Turnier stehen Ergebnisse und Ballstärke an zweiter Stelle.

Die Hauptziele der Spieler sind Empowerment, soziale Integration und die Entdeckung der eigenen Ressourcen.

Ausnahmsweise wird der Fußballkönig gewissermaßen nur noch zum Mittel zum Zweck.

Abwechslungsreiche Lebenswege und Team geschweißt

Die Schweiz ist in Seoul mit einer Herrenmannschaft und einer Damenmannschaft vertreten. Jeder Spieler kann nur einmal an einer Endphase der Obdachlosen-Weltmeisterschaft teilnehmen. Die Auswahl der Fußballer, die Vorbereitung und Organisation der Reise obliegt dem Verein Surprise. Das Ziel davon? Mit Straßenfußball die Rückkehr von Menschen „aus der sozialen Randlage auf das Spielfeld des Lebens“ erleichtern.

Hier treten die Schweizer bei der Obdachlosen-Weltmeisterschaft gegen Südkorea an. Bild: Instagram

Der Name „Homeless World Cup“ ist eigentlich irreführend. Unter den Teilnehmenden aus der Schweiz sind nur wenige von Obdachlosigkeit betroffen. „Diese Veranstaltung wird als Obdachlosen-Weltmeisterschaft bezeichnet, aber es gibt noch andere Probleme, die die Mitglieder der Schweizer Teams beschäftigen“, sagt Carmen Peter, Frauentrainerin.

„Das sind zum Beispiel Armut, Lebenskrisen, Süchte oder Migration. Jedes Land hat seine eigenen Sorgen“

Carmen Peter ist überzeugt, dass Fußball auch Menschen dabei helfen kann, ihre persönlichen Ziele zu erreichen. So wird in den Trainingseinheiten, die die Teilnehmer vor dem Turnier absolvieren, nicht nur über den Fußball gesprochen, sondern auch darüber, was abseits des Spielfelds passiert:

„Wir führen mit jeder Spielerin ein Vorcoaching durch, bei dem sie ein Fußballziel und ein weiteres im persönlichen Bereich definiert. Dann führen wir in Seoul ein zweites Interview, in dem wir schauen, wo die Person in Bezug auf dieses Ziel steht und wo sie Unterstützung braucht.

Carmen Peter

Watson besuchte die Schweizer Auswahl für die Obdachlosen-Weltmeisterschaft letzten Juli im Trainingslager.Bild: watson

Der Fokus liegt auch auf Interaktionen. „Ziel ist es, dass das Team zusammenkommt, damit die Spieler gemeinsam die verschiedenen Hürden meistern können“, erklärt Carmen Peter.

Die Bedeutung von Beziehungen sozial

Die Geschichte von Cathrin, die als Trainerin der norwegischen Mannschaft in Seoul ist, beweist, wie das geht Teil einer Gruppe zu sein kann positive Auswirkungen auf Menschen haben. Sie kämpfte mit ihrer Drogenabhängigkeit, als sie über ihre Sozialarbeiterin den Weg zu einer Fußballmannschaft fand, mit der sie 2014 an der Obdachlosen-Weltmeisterschaft teilnahm. Diese Erfahrung half ihr, abstinent zu werden. Sie sagt auf der Veranstaltungswebsite:

„Ein Teil des Lebens anderer Menschen zu sein, war für mich äußerst motivierend“

Es sind Geschichten wie die von Cathrin, die Janosch Martens, Leiter Straßenfußball bei Surprise und Leiter der Schweizer Delegation, motivieren: „Die Teilnehmer müssen sich weiterentwickeln können und aus ihrer Teilnahme etwas Positives für ihre Lebenssituation mitnehmen können“, schwärmt er.

Ein Schweizer Angreifer im Einsatz, in Seoul. Bild: Instagram

Die positiven Auswirkungen des Projekts sind auch im Schweizer Team spürbar.

„Ich stehe mit vielen ehemaligen Teilnehmern in Kontakt und sehe, wie das Turnier einen positiven Einfluss auf die Menschen haben kann. 2019 reiste beispielsweise ein Spieler mit uns nach Cardiff, übernahm dann selbst als Trainer ein Team und ist heute regionaler Verkaufsleiter für das Magazin Surprise.“

Janosch Martens

DER „Olympisches Dorf“ und Netflix

Dieses Jahr, da das Turnier fast am anderen Ende der Welt stattfindet, ist die Obdachlosen-Weltmeisterschaft mit hohen finanziellen Kosten für die Schweizer Delegation (sie besteht aus 20 Spielern) verbunden. Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Organisation werden vom Gastgeberland und der Veranstaltung übernommen.

Die Reisekosten und alle Kosten im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf den Wettbewerb werden vom Verein Surprise übernommen. Der Schweizerische Fußballverband (ASF) stellt die Ausrüstung zur Verfügung.

Die Damenmannschaft hat sich intensiv auf diese Obdachlosen-Weltmeisterschaft vorbereitet.Bild: watson

Für Janosch Martens besteht kein Zweifel: All diese Ausgaben lohnen sich. Sie bieten auch Menschen, die oft keine Möglichkeit zum Reisen haben, frischen Wind. Auch die Atmosphäre, die an ein olympisches Dorf erinnert, ist ein einzigartiges Erlebnis, wie der Delegationsleiter bezeugt:

„Der Geist, der herrscht, wenn alle Teilnehmer das Finale verfolgen, die guten Taten applaudieren und die Verlierer trösten, ist äußerst beeindruckend“

Im März 2024 veröffentlichte Netflix einen Spielfilm mit dem Titel Das schöne Spielin dem es um die Obdachlosen-Weltmeisterschaft geht. Auch wenn Janosch Martens es als „etwas übertrieben“ beschreibt, erkennt er seinen Verdienst darin, den Zuschauern den Geist des Turniers und die Geschichten der Teilnehmer spürbar zu machen. Dieser Film ist auch eine große Anerkennung dieses wichtigen Ereignisses.

Übersetzung und Adaption ins Französische: Yoann Graber

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