Der Abschied des Frankfurter Ermittlerduos

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Der große, grandiose Abschied des Frankfurter Ermittlerduos

Das Finale ist ein durchkomponiertes Kunstwerk, das über die Kategorie „Sonntagskrimi“ hinausgeht – auch dank des großartigen Matthias Brandt.

Heute um 21:30 Uhr veröffentlicht

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Wow. Dieser neue „Tatort“ aus Frankfurt ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle, ein Karussell der Techniken, eine Geisterbahn der Zitate, und am Ende ist man sprachlos. Die Frankfurter Crew um Matthias Brandt – der Sohn des Kanzlers soll in „Polizeiruf 110“ sieben Jahre lang die Rolle des adeligen Hauptkommissars gespielt haben – will es in dieser Abschiedsfolge offenbar noch einmal wissen.

Zu Beginn schwenkt die Kamera über eine saftig grüne Wiese, die wie bei einem Drogentrip mit durchdringenden orangefarbenen Blüten übersät ist. Sie filmt die Silhouette eines Mannes, der in den bewölkten Himmel blickt, die Augen schließt und sich dann, ja, sanft vom Boden abhebt. Und aus dem Off erklingt eine jener Erzählerstimmen, die in der Ewigkeit zu gründen scheinen – die von Matthias Brandt: „Der alte Goethe sagte einmal: ‚Meditation bringt uns in Kontakt mit dem, was die Welt zusammenhält …‘“

Damit ein Krimi wie dieser beginnt – mit Goethe, ohne Horror – muss man Mut haben. Und das hatten die Macher von „Es ist so grün, wenn Frankfurts Berge blühen“: Der ironische Titel nach „My Fair Lady“ spricht Bände. Wir begleiten einen 53-jährigen Psychologen (den brillanten Brandt), der auch für die Polizei arbeitet, während er langsam verrückt wird. Es ist ein so sanfter Übergang vom Selbstgespräch über das Stimmenhören zur Bluttat, dass man als Zuschauer zunächst unsicher ist, ob sie überhaupt stattgefunden hat; unsicher, was real und was Einbildung ist.

Denn Tristan Grünfels ist schon lange auf der Flucht – was für ein Name! – geistig aus seinem düsteren Dasein, sein rechtes Auge zuckt, seine Wahrnehmung ist gestört. Seine beiden kleinen Kinder sind mit ihren eigenen Ambitionen und dem Weltuntergang beschäftigt, seine Ehe ist zu seinem Kummer längst eingeschlafen, sein Bruder Hagen (genau, er trägt auch einen Wagner-Namen) ist der Spielsucht verfallen: Wie Grünfels, seine Frau (die atemberaubende Patrycia Ziolkowska) und die anderen ein Porträt einer völlig normalen Störung zeichnen, ist großartig!

„Tristan Grünfels fühlte sich oft nur als Zuschauer im Lebensspiel seiner Familie“, berichtet der Erzähler, während im Off das Symphonieorchester des Hessischen Rundfunks dröhnt. Das Drehbuch von Michael Proehl und Dirk Morgenstern: so glänzend wie der Nibelungenschatz – und die Regie von Till Endemann bricht mit den Sonntagskrimi-Sehgewohnheiten, so dass es ein Vergnügen ist. Was für eine außergewöhnliche, tolle Gesamtkomposition!

Der Möchtegern-Siegfried, der schon immer alle glücklich machen wollte, steht nun buchstäblich im Nebel vor der Landschaft seines Lebens, eine Art Caspar David Friedrich des 21. Jahrhunderts. Der romantische Maler spielt vom Anfang bis zum hochdramatischen Finale eine entscheidende Rolle. Auf jeden Fall findet Grünfels leider endlich Energie aus seiner Lähmung. Diese Entwicklung hat ihre eigene – teilweise recht komische – Tragödie und führt zum bittersüßen Abgang des beliebten Ermittlerteams nach neun Jahren: Margarita Broich als Janneke und Wolfram Koch als Brix. Zazie de Paris singt Jacques Préverts „Les feuilles mortes“ und wir vergießen eine Träne. Oder sogar zwei.

Das neue Frankfurter Team unter der Leitung von Melika Foroutan und Edin Hasanović wird im Jahr 2025 starten und sich auf Cold Cases konzentrieren.

Liebe Alexandra ist Redakteurin im Lebensressort mit den Schwerpunkten Theater und gesellschaftspolitische Themen. Studium der Germanistik und Anglistik in Konstanz, Oxford und Freiburg i. Br.Weitere Informationen

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