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Udo Jürgens wäre jetzt 90 Jahre alt

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Die künstlerischen Ambitionen von Udo Jürgens gingen weit über leichte Unterhaltung hinaus. Der Sänger, der jahrzehntelang das deutschsprachige Showbusiness mitgeprägt hat, ließ in seine Hits nicht nur aktuelle politische Ereignisse, sondern auch populäre Musiktrends einfließen, wie seine Kinder John und Jenny Jürgens sagen.

„Was er nicht wollte, war altmodisch und von gestern zu sein“, sagt John (60) zur Deutschen Presse-Agentur. „Papa hat uns auch mehr progressive Musik gezeigt – Rockbands und die verrücktesten Sachen“, erinnert sich der Sohn in einem gemeinsamen Interview. „Wir waren alle sehr flippig“, sagt seine Schwester Jenny, die drei Jahre jünger ist als er, während des Interviews in Wien.

Er hinterließ ein riesiges musikalisches Erbe mit mehr als 1.000 komponierten Songs, vielen Hits und mehr als 100 Millionen verkauften Tonträgern.

Beginnen Sie mit Chrysanthemen

Udo Jürgens wurde als Jürgen Udo Bockelmann in Klagenfurt, Österreich, geboren. Er starb im Dezember 2014 in seiner Wahlheimat Schweiz. Er hinterließ ein riesiges musikalisches Erbe mit mehr als 1.000 komponierten Liedern, vielen Hits und mehr als 100 Millionen verkauften Tonträgern.

Seine erste Single mit dem Titel „Es waren weiße Chrysanthemen“ aus dem Jahr 1956 war noch vom Schlagergenre geprägt. Rund zehn Jahre später behauptete sich Jürgens als unabhängiger Songkomponist mit dem Hit „Seventeen Year, Blonde Hair“ und dann beim Eurovision Song Contest mit dem Siegersong „Merci Chérie“.

„Er wollte sich immer stärker von diesem Bild des Schlagersängers abgrenzen“, sagt Jenny. Er war immer „leicht beleidigt“, wenn man ihn so nannte.

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Zu seinem posthumen 90. Geburtstag erscheint eine Best-of-Sammlung mit dem Titel „Udo 90“. In manchen Songs kommen die aktuellen Einflüsse der Zeit zum Vorschein. „Immer wieder geht die Sonne auf“ (1967) klingt ein wenig wie die damals erfolgreichen Beach Boys; „Your Solitude“ (1970) erinnert klanglich an ein kürzlich erschienenes Album von Simon and Garfunkel.

Mit Englisch keine Chance

Doch dem musikalischen Entdeckergeist der Sängerin waren Grenzen gesetzt. 1981 produzierte Jürgens in den USA das englischsprachige Album „Leave A Little Love“, das musikalisch in Richtung Pop tendierte. Seine Kinder fanden es cool. „Aber so hat es nicht geklappt“, beschreibt Jenny den mangelnden Erfolg der Platte beim Publikum.

Auch der Inhalt seiner Lieder ging weit über seichte Schlagertexte hinaus. In „Love Fatherland“ sang er über die sozial Benachteiligten im Schatten der Konzerne. In anderen Liedern thematisierte er Krisen und soziale Themen auf indirekte, humorvolle oder sentimentale Weise: Umweltverschmutzung und ein politisches Attentat in „5 Minutes to 12“, Alkoholismus in „The Devil Made the Liquor“ oder Migration in „Greek Wine“.

Udo Jürgens in Luxemburg

Das Fotodossier zu Udo Jürgens im „Luxemburger Wort“-Archiv ist randvoll. Obwohl in Luxemburg selbst nur wenige Fotos entstanden, zeigen die archivierten Bestände an Agenturmaterial und Werbebildern, wie wichtig es war, Jürgens ein Foto in der Zeitung zu präsentieren – damals war der Fotosatz noch mit großem Aufwand verbunden. Die Fotos zeigen einerseits, wie sehr Jürgens in Luxemburg für Österreich Fuß gefasst hat, seit er 1966 in der Villa Louvigny den „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ gewann. Drei Jahre später war er erneut in Luxemburg zu Gast und besuchte die Redaktion Geschäftsstelle des „Luxemburger Wort“.

Weitere Bilder von Konzerten in Oberkorn, wo er immer wieder auftrat, zeigen einen stets präsenten Entertainer auf der Bühne, der Freude, aber auch große Ernsthaftigkeit ausstrahlte. Als die Verleihung des Goldenen Löwen von Radio Luxemburg noch zu den zentralen Ereignissen der deutschsprachigen Musikbranche gehörte, war Jürgens oft dabei und ritt auf der Welle des Erfolgs.

Mit zunehmendem Alter zeigte er große Demut: Eine seiner wichtigsten Lebenserkenntnisse gegenüber Rainer Holbe, der Jürgens im Laufe der Jahrzehnte immer wieder traf, äußerte er in einem Interview zum 80. Geburtstag für die „Warte“. „Ich finde es sehr interessant, die eigene Vergangenheit mit dem Wissen von heute zu betrachten. Und mir wird klar, dass ich die Bedeutung meiner selbst im Alter von 40 oder 50 Jahren völlig überschätzt habe. Ich war nicht so wichtig, wie ich mich damals fühlte. Ich hatte einfach Erfolg. Und ich kann nicht den Fehler machen, Erfolg mit Wichtigkeit gleichzusetzen. Das sind Dinge, die ich heute verstehe. Und sie haben mich auch bescheidener gemacht.“

Auf die Frage nach seinem Alter antwortete er dem ehemaligen „Luxemburger Wort“-Autor Rainer Holbe wenige Monate vor seinem Tod: „Man kann nur hoffen, dass es noch viele Jahre geben wird, die bis zum Schluss mit Sinn erfüllt sind.“ dco

„Papa hatte die Art, in der Leichtigkeit seiner Lieder immer den Finger sanft in eine Wunde zu legen – oft mit einem Augenzwinkern“, sagt Jenny.

In seinen Liedern findet man nicht nur Kritik, sondern auch Selbstironie – wenn es zum Beispiel um sein Image als Frauenheld geht. „Er wusste genau, wer er war und sein absolutes Credo war, nach vorne zu fliehen“, sagt Jenny Jürgens. Diese beiden der vier Kinder von Udo Jürgens wollen nicht darüber sprechen, wie sie und ihr Bruder die Beziehung ihres Vaters zu Frauen erlebt haben.

Schokoladenkuss statt Moorkopf

Die Kontroverse um den Jürgens-Klassiker „Aber bitte mit Sahne“ sehen die Geschwister allerdings gelassener. Für die „Giovanni Zarrella Show“ im ZDF im vergangenen Jahr wurde im Songtext das Wort „Mohrenkopf“ durch „Schokokuss“ ersetzt. In Online-Kommentarspalten gab es Kritik an diesem Schritt.

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„Eigentlich sage ich, man kann es ändern“, sagt John. „Ich weiß nicht, worum es bei der großen Aufregung geht, es ist nicht Goethe, sondern ein satirischer Text von Eckart Hachfeld.“ Jenny hätte den Text am liebsten im Original belassen, doch sie stimmt mit ihrem Bruder darin überein, dass die Bezeichnung „Mohrenkopf“ eigentlich nicht mehr akzeptabel ist.

Anstatt über Kontroversen zu reden, redeten die Geschwister lieber über den wiederentdeckten und nun veröffentlichten Jürgens-Song „As I Going Away“. „Es ist eine wunderschöne Ballade“, sagt John über das Lied, das in nur wenigen Tagen mehr als 300.000 Mal auf YouTube angeklickt wurde.

Der Song hatte jahrzehntelang als Demoband in einem Archiv verstaubt. Mittels künstlicher Intelligenz wurde Jürgens‘ Stimme aus der alten Aufnahme herausgefiltert und mit neuer Instrumentalbegleitung aufgenommen.

Posthum lebt der Entertainer auf der Bühne weiter. Die „Da Capo Udo Jürgens“-Tour beginnt Anfang November. In den Shows sind Konzertmitschnitte der Sängerin auf einer LED-Wand zu sehen und zu hören, während eine Band die Songs live begleitet. Allerdings möchte John seinen Vater in Zukunft nicht mehr als digitalen Avatar auf der Bühne sehen, auch wenn die Kultband Abba nun in Form solcher 3D-Hologramme auftritt. „Das finde ich beängstigend“, sagt John.

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