Das Gehirn von Mädchen und Jungen unterscheidet sich von Geburt an

Das Gehirn von Mädchen und Jungen unterscheidet sich von Geburt an
Das Gehirn von Mädchen und Jungen unterscheidet sich von Geburt an
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Seit Jahrzehnten wundern sich Wissenschaftler über die Unterschiede zwischen den Gehirnen von Männern und Frauen. Stehen sie mit der Biologie, der Umwelt oder einer Kombination aus beidem in Zusammenhang? Eine neue Studie der Universität Cambridge liefert eine faszinierende Antwort: Unterschiede im Gehirn sind bereits in den ersten Lebenstagen sichtbar, was auf eine biologische Grundlage für diese Unterschiede schließen lässt. Diese Erkenntnisse tragen zum Verständnis der menschlichen Neurodiversität bei und werfen gleichzeitig neue Fragen zur Rolle der pränatalen Umgebung auf.

Die Grundlagen des Gehirns: graue Substanz und weiße Substanz

Das menschliche Gehirn besteht im Wesentlichen aus zwei Gewebetypen: graue Substanz und weiße Substanz. Graue Substanz enthält die Zellkörper von Neuronen und deren Dendriten und spielt eine entscheidende Rolle bei komplexen Funktionen wie Gedächtnis, emotionaler Regulierung, Kognition und Lernen. Weiße Substanz hingegen besteht hauptsächlich aus Axonen, den Kabeln, die verschiedene Teile des Gehirns verbinden und eine schnelle und effiziente Kommunikation zwischen Neuronen ermöglichen.

Das fanden Forscher in dieser Studie heraus Mädchen hatten proportional mehr graue Substanz während Jungen hatten mehr weiße Substanz. Auch nach Anpassung der Ergebnisse an Unterschiede in der Körpergröße und dem Gesamthirnvolumen blieben diese Trends signifikant. Aufschlussreich ist auch, in welchen Regionen diese Unterschiede besonders ausgeprägt sind. In der Tat, Bei Mädchen ist die graue Substanz in Bereichen, die mit Gedächtnis und Emotionen verbunden sind, dichter während Bei Jungen ist es in Bereichen, die der sensorischen Verarbeitung und der motorischen Kontrolle gewidmet sind, stärker entwickelt.

Eine robuste Methodik für zuverlässige Schlussfolgerungen

Eine der Stärken dieser Studie liegt in ihrer Methodik. Im Gegensatz zu vielen früheren Untersuchungen, die oft durch die Stichprobengröße begrenzt sind, stützt sich diese Analyse auf Daten von mehr als 500 Neugeborenen aus dem Developing Human Connectome-Projekt. Bei jedem Säugling wurde kurz nach der Geburt ein Gehirn-MRT durchgeführt, das qualitativ hochwertige Bilder für die Analyse der Gehirnstrukturen lieferte.

Die Forscher berücksichtigten auch mehrere Faktoren, die die Ergebnisse beeinflussen könnten. Beispielsweise haben sie die Daten hinsichtlich der Gewichts- und Gehirnvolumenunterschiede zwischen den Geschlechtern angepasst. Durchschnittlich, Jungen haben ein etwas größeres Gesamthirnvolumen als MädchenDies erklärt jedoch die beobachteten Unterschiede nicht vollständig. Durch diesen sorgfältigen Ansatz wird sichergestellt, dass die Ergebnisse gehirnspezifische Unterschiede widerspiegeln und keine Variationen aufgrund der Gesamtkörpergröße.

Abschließend untersuchten die Forscher Hypothesen über die Ursachen dieser Unterschiede. Sie legen nahe, dass pränatale biologische Faktoren wie Hormonexposition und Plazentaentwicklung eine Schlüsselrolle spielen könnten. Diese Elemente würden mit der postnatalen Umgebung interagieren, um die Geschlechtsunterschiede im Laufe der Zeit weiter zu prägen.

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Bildnachweis: humonia/iStock

Forschung reich an Implikationen

Diese Erkenntnisse erregen sicherlich Aufmerksamkeit, aber es ist wichtig, sie in einen Kontext zu stellen. Bei den beobachteten Unterschieden handelt es sich um auf Gruppenebene berechnete Durchschnittswerte und nicht um strenge Regeln. Mit anderen Worten: Es gibt große Unterschiede innerhalb jedes Geschlechts und auch erhebliche Überschneidungen zwischen beiden. Dr. Carrie Allison vom Cambridge Autism Research Centre weist darauf hin, dass „ Diese Unterschiede gelten nicht für alle Männer oder Frauen. Sie sind nur beim Vergleich von Gruppen von Männern und Frauen sichtbar. »

Darüber hinaus sind diese Ergebnisse sollen keine Hierarchie zwischen den Geschlechtern etablieren. Professor Simon Baron-Cohen erinnert uns daran: „ Diese Unterschiede bedeuten nicht, dass das Gehirn von Männern oder Frauen besser oder schlechter ist. Dies ist lediglich ein Beispiel für Neurodiversität, ein Konzept, das natürliche Variationen in der Struktur und Funktion des menschlichen Gehirns erkennt und würdigt. »

Auf praktischer Ebene könnte diese Forschung wichtige Anwendungen haben. Beispielsweise untersuchen Wissenschaftler derzeit pränatale Erkrankungen, die diese Unterschiede beeinflussen könnten, indem sie Geburtsdaten und In-vitro-Zellmodelle verwenden. Das Verständnis dieser Mechanismen könnte nicht nur unser Wissen über die Entwicklung des Gehirns bereichern, sondern auch dazu beitragen, Risikofaktoren zu identifizieren, die mit bestimmten neurologischen Entwicklungsstörungen wie Autismus verbunden sind, der häufiger bei Jungen diagnostiziert wird.

Was die Zukunft bringt

Diese Studie stellt einen bedeutenden Fortschritt dar, wirft aber auch neue Fragen auf. Warum entwickeln sich bestimmte Gehirnregionen bei Jungen und Mädchen unterschiedlich? Welche Rolle spielen dabei Hormone, die Plazenta oder andere biologische Faktoren? Und wie interagieren diese Unterschiede mit Lebenserfahrungen, um langfristige kognitive, emotionale und soziale Fähigkeiten zu beeinflussen?

Um diese Möglichkeiten zu erkunden, sind zusätzliche Studien erforderlich, insbesondere in anderen Bevölkerungsgruppen und kulturellen Kontexten. Darüber hinaus könnten klinische Studien in Betracht gezogen werden, um den Einfluss bestimmter vorgeburtlicher Erkrankungen auf die Gehirnentwicklung zu testen.

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