Ein Tag in Havre de Maylis de Kerangal

Ein Tag in Havre de Maylis de Kerangal
Ein Tag in Havre de Maylis de Kerangal
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Der Fremde am Strand

Sie ist verärgert über einen überraschenden Anruf. Der Erzähler wird von Zambra, einem Kriminalpolizisten aus Le Havre, zu einem Interview geladen. Tatsächlich ist es Le Havre, die Stadt, in der sie ihre Kindheit und Jugend verbrachte. Zambra sprach von „einer Angelegenheit, die sie betrifft“. Die Leiche eines toten Mannes wurde am Strand nahe der Nordufermauer gefunden. Es handelt sich um einen Mord, der einzige Hinweis ist eine Kinokarte, auf der seine Telefonnummer steht.
Am nächsten Morgen kam sie in Le Havre an. Es regnet. Der Polizist sei ein „undurchdringlicher Block“. Doch den Mann auf den Fotos erkennt sie nicht. Sie verweilt in Le Havre und besucht die Orte ihrer Kindheit, das Perret-Viertel, den Strand und die Nordseemauer, die Mermaids-Bar. Sie denkt besonders an ihre erste Liebe, Craven. Sie erinnert sich an die Taufe der Hirondelle de la Manche, eines Lotsenbootes, eines kleinen Schiffes, das dafür verantwortlich ist, Boote in den Hafenkanal zu steuern. Doch eine Frage quält sie den ganzen Tag: „Könnte es sein, dass ich ihn kannte“?

Le Havre, eine Stadt mit vielen Gesichtern

Surftag de Malys de Kerangal zeichnet sich vor allem durch seinen Stil aus. Die Sätze sind sehr lang, der Rhythmus manchmal atemberaubend, oft folgt er den Gedanken und Träumereien des Erzählers. Diese ganz besondere Formulierung könnte an die von Proust erinnern. Die Beschreibungen sind sehr schön, etwa die des Strandes an einem Nachmittag im November
Der Autor versteht es, zu Beginn des Romans eine beunruhigende Atmosphäre zu schaffen. Der Zweifel und das Unverständnis, das den Erzähler erfasst, sind spürbar. Doch nach und nach wird die Stadt Le Havre zum Hauptthema des Buches. Le Havre, eine Stadt der Arbeiter und Seeleute. Le Havre ist eine Stadt in Grau, in allen Grautönen. Le Havre ist das vom Bahnsteig aus sichtbare Meer, ein raues, komplexes Meer, industriell, seeseitig und impressionistisch zugleich. Der Autor beschreibt auch die Industriegebiete und den riesigen Hafen, der zu einer Containerfabrik geworden ist, über der der Drogenhandel schwebt. Vor allem die Bombenangriffe und Zerstörungen im September 1944 haben diese Stadt noch immer heimgesucht. Von der Vergangenheit ist fast nichts mehr übrig. Seine so besondere Architektur ist die einzige materielle Spur dessen, was verschwunden ist.
Surftag ist ein sensibler Roman. Die polizeilichen Ermittlungen verblassen angesichts dieser Rückkehr in diese zerstörte Stadt teilweise und Maylis de Kerangal bringt uns ihre ganze Zuneigung für Le Havre zum Ausdruck.

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