Fallstudie – Einnahme eines Produkts zur Beseitigung verstopfter Rohre: Welche Folgen hat das?

Fallstudie – Einnahme eines Produkts zur Beseitigung verstopfter Rohre: Welche Folgen hat das?
Fallstudie – Einnahme eines Produkts zur Beseitigung verstopfter Rohre: Welche Folgen hat das?
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Die Patientin und ihre Geschichte

Die 58-jährige Frau habe eine halbe Flasche Pfeifenlöser-Pellets in einem Glas Wasser aufgelöst und getrunken, um auf sich aufmerksam zu machen. Wie die Notärztin und ihre Kollegen berichteten, enthielt ihr Erbrochenes bei ihrer Ankunft in der Notaufnahme der Universitätsklinik Köln Blut, sie zeigte Schocksymptome und starke Brustschmerzen.

Klinische Präsentation und erste Messungen

  • Im Traumaraum war die Patientin wach, aber blutdrucksenkend und litt unter Tachykardie (Blutdruck: 90/70 mmHg, Herzfrequenz: 110/min). Sie erbrach weiterhin leicht blutigen Schleim und verspürte starke Schmerzen.
  • Heiserkeit, Speichelfluss, fortschreitende Schwellung der Ober- und Unterlippe.
  • Läsionen der Mundschleimhaut, Schwellung der Epiglottis und der Aryknorpel bei der Videolaryngoskopie.
  • Gastroskopie: großflächige Ablösung der Speiseröhren- und Magenschleimhaut mit nekrotischen Bereichen bis zum Zwölffingerdarm.
  • CT-Untersuchung von Brust und Bauch: Ödematöse Veränderungen im Bereich des Rachen- und Kehlkopfes sowie der Speiseröhren- und Magenwand.
  • Verdacht auf Aspirationspneumonie.

Evolution

  • Intensivpflege inklusive Beatmung und parenteraler Ernährung sowie Antibiotikabehandlung mit Piperacillin/Tazobactam.
  • Überführung in den Normalbetrieb nach fünf Tagen.
  • Fortsetzung der Opiatanalgesie aufgrund starker substernaler Schmerzen.
  • Ungefähr 14 Tage nach dem Ereignis Wiederaufnahme der oralen Flüssigkeitszufuhr, sorgfältige Diät über Wochen.
  • Wegen zunehmender Dysphagie und progredienter retrosternaler Schmerzen erneute Endoskopie zwei Monate nach dem Ereignis: ab dem Übergang zwischen Hypopharynx und Ösophagus, langfristige Stenose mit Fibrinablagerungen und noch florider Entzündung.
  • Nach Angaben der Autoren war es mit dem Standardendoskop (Durchmesser ca. 8 mm) nicht möglich, die Striktur zu passieren.

Diskussion

Wie Victor Suárez und Kollegen erklären, kommt es vor allem bei Kindern zu einer versehentlichen Einnahme ätzender Haushaltssubstanzen. Bei Erwachsenen handelt es sich meist um einen Suizidversuch. Der Hauptbestandteil von Rohrentstopfungsgranulaten ist neben Aluminiumspänen Natrium- oder Kaliumhydroxid. Durch Zugabe von Wasser bildeten diese Stoffe stark ätzende Soda- oder Kalilauge. Darüber hinaus kommt es bei der Oxidation von Aluminium zu einer starken Wärmefreisetzung.

Bei oraler Einnahme kam es bei beiden Reaktionen zu thermischen und chemischen Verbrennungen mit der Bildung sogenannter Verflüssigungsnekrosen. Der Kontakt mit Säuren verursacht eine Koagulationsnekrose, bei der die koagulierte Schicht das Fortschreiten der Läsion verhindert. Bei der Verflüssigungsnekrose verflüssigen sich die Gewebe geleeartig, es kommt zur Verseifung subkutaner Lipide; Die Verletzung setzt sich bis in tiefere Gewebeschichten fort, ein Prozess, der lange dauern kann. Es kann daher zunächst oberflächlich wirken, dann aber auch in tiefere Gewebeschichten eindringen.

Die wichtigsten klinischen Symptome von Ösophagus-/Magenläsionen, die durch Entblockungsprodukte verursacht werden, sind blutiges Erbrechen und sehr starke Schmerzen im Hals und in der Brust.

Allerdings korrelieren Symptome und mögliche sichtbare Verbrennungen im Allgemeinen schlecht mit dem Grad der Speiseröhren-/Magenschädigung, insbesondere bei Kindern. Daher empfehlen der Notarzt und seine Kollegen, dass bei Verdacht auf eine orale Vergiftung durch ein Mittel zur Beseitigung von Verstopfungen auch ohne äußere Anzeichen schnell eine Magenspiegelung durchgeführt werden sollte.

Notfallberatung

Nach Angaben der Autoren sollten Gesicht, Mund und Augen sofort mit reichlich Wasser gespült werden. Bei wachen Patienten sollte versucht werden, die noch in der Speiseröhre befindlichen Körnchen weiterhin durch Trinkwasser auszuspülen. Allerdings ist der Nutzen einer Magensonde aufgrund der Perforationsgefahr umstritten. Auf keinen Fall sollten Sie Erbrechen herbeiführen. Um Giftstoffe zu beseitigen und das Ausmaß der Verbrennungen zu beurteilen, ist eine schnelle Magenspiegelung angezeigt. Da es auch zu Glottisödemen mit der Gefahr einer lebensbedrohlichen Atemwegsobstruktion kommen kann, sollte die Indikation zur Intubation frühzeitig gestellt werden. Bei erwachsenen Patienten wird die generelle Anwendung von Kortison nicht empfohlen. Bei Kindern mit mittelschweren Verätzungen reduzierte eine 3-tägige Kortisontherapie das Auftreten von Strikturen, eine längere Behandlung mit Steroiden wird jedoch auch bei pädiatrischen Patienten nicht empfohlen.

Diese Fallstudie wurde ursprünglich auf Univadis.de veröffentlicht.

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