Eine aktuelle amerikanische Studie zeigt, dass das Vogelgrippevirus so weit mutieren könnte, dass es von Mensch zu Mensch übertragen werden kann.
Bruno Knellwolf / ch media
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Dieses kolorierte Elektronenmikroskopbild, das am 26. März 2024 vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases veröffentlicht wurde, zeigt Partikel des Vogelgrippevirus H5N1 (gelb), gewachsen in Epithelzellen der Madin-Darby Canine Kidney (MDCK) (blau).Schlussstein
Der Vogel lag vor zehn Tagen tot am Ufer des Bodensees bei Triboltingen (TG). Die Gelbbeinmöwe war mit dem Vogelgrippevirus H5N1 infiziert. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat deshalb Präventivmassnahmen für das betroffene Gebiet angeordnet.
Seit 2021 sind H5N1-Viren der Unterart „Clade 2.3.4.4b“ ein dominanter Virusstamm bei Wildvögeln, Geflügel und Milchkühen. Auch andere Arten von Land- und Meeressäugetieren sowie Menschen wurden mit diesem Virus infiziert. Insbesondere in den Vereinigten Staaten richtet H5N1 derzeit verheerende Schäden an. Seit mehreren Monaten gelingt es uns nicht, Vogelgrippe-Epidemien bei Rindern zu stoppen. Das Virus wurde in rund 700 Rinderhaltungsbetrieben nachgewiesen. In Oregon wurden ebenfalls zwei Schweine infiziert.
58 Menschen wurden infiziert, die meisten davon durch kranke Kühe und Geflügel auf Bauernhöfen. In den USA war der Verlauf relativ harmlos, die Symptome: Bindehautentzündung, Husten und Fieber. Doch zum ersten Mal ist in Kanada ein Teenager schwer erkrankt. Virologen sind besorgt, weil sich das Virus nach der Infektion im Körper des jungen Mannes verändert hat. Das Virus mutierte und passte sich an seinen menschlichen Wirt an. Und das an einer wichtigen Stelle im Virus, auf der Ebene des viralen Proteins Hämagglutinin (HA).
Neuer Pandemiestamm?
Ein Forscherteam unter der Leitung von Ian Wilson vom Scripps Research Institute in La Jolla hat in einer in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlichten Studie das bei Rindern gefundene Hämagglutinin im Detail untersucht. Die Studienautoren schreiben, dass das Virus bei der Ausbreitung von Haustieren auf Menschen „auch als neuer Pandemiestamm in einer immunologisch ungeschützten menschlichen Bevölkerung auftreten könnte“.
Im Labor konnten kalifornische Forscher zeigen, dass sich das unter Rindern zirkulierende Vogelgrippevirus relativ leicht an den Menschen anpasst. Es bräuchte nur eine einzige modifizierte Aminosäure, damit Hämagglutinin spezifisch an Rezeptoren menschlicher Wirtszellen bindet. Dies gilt als Voraussetzung für die Übertragung des Virus von Mensch zu Mensch. Und Solche Rezeptoren kommen in den oberen Atemwegen des Menschen sehr häufig vor.
Das Forscherteam um Ian Wilson stellt außerdem fest, dass eine zweite Mutation den Effekt noch verstärkt. Dadurch bindet das HA-Protein noch besser an menschliche Rezeptoren.
Für eine Pandemie wäre es immer noch notwendig biologische Hindernisse überwinden
„Wilsons Arbeit verdeutlicht die mit Influenzaviren verbundenen Risiken, und diese Entdeckung gibt tatsächlich Anlass zur Sorge“, sagt die Biologin Nathalie Rochat vom Institut für Virologie und Immunologie (IVI) in Bern. Aber sie mildert:
„Menschliche Rezeptoren sind jedoch nicht die einzige Barriere, die Vogelgrippeviren überwinden müssen, um sich effektiv im Menschen zu vermehren.“
Sie verweist auf eine gerade erschienene Veröffentlichung der deutschen Universität Freiburg, aus der hervorgeht, dass das H5N1-Virus weiterhin durch eine antivirale Komponente gehemmt wird.
„Aber das Pandemierisiko würde erheblich steigen, wenn es dem Virus gelingen würde, genetisches Material mit menschlichen Viren oder Schweinegrippeviren auszutauschen“, erklärt Nathalie Rochat. Dieser Prozess könnte auftreten, wenn Menschen, Schweine oder andere Zwischenwirte wie Nerze gleichzeitig mit Influenzaviren unterschiedlichen Ursprungs infiziert würden.
Amerikanische Virologen schreiben außerdem, dass zu Beginn der Grippesaison eine gleichzeitige Infektion mit H5N1 und saisonalen Grippeviren zur Entstehung eines Hybridvirus führen könnte, das besser an die Infektion des Menschen angepasst ist:
„Diese neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen einmal mehr, dass es wichtig ist, eine strenge Überwachung bei Tieren und Menschen aufrechtzuerhalten.“
Nathalie Rochat vom Institut für Virologie und Immunologie (IVI) in Bern.
Ziel sollte es sein, dem Virus möglichst wenig Möglichkeiten zu geben, sich in verschiedenen Wirten zu vermehren und sich so weiter anzupassen.
In der Schweiz gibt es noch keinen Impfstoff gegen H5N1
Als Vorsichtsmaßnahme hat das Vereinigte Königreich fünf Millionen Dosen Vogelgrippe-Impfstoff beschafft. Mehrere H5N1-Vogelgrippe-Impfstoffe sind weltweit bereits zugelassen, weitere befinden sich in der Entwicklung, darunter auch mRNA-Impfstoffe. Finnland will in diesem Sommer mit der Impfung gefährdeter Gruppen beginnen, insbesondere von Pelzfarmarbeitern.
„In der Schweiz gibt es keinen zugelassenen Impfstoff gegen die Vogelgrippe und bisher hat noch niemand ein Zulassungsgesuch bei Swissmedic eingereicht“, sagt Barbara Camenisch von der Ofag. Im Jahr 2023 gab es im Zoo Basel und im Wildpark Dählhölzli in Bern ein Forschungsprojekt zur Impfung von Vögeln gegen H5N1. Mit Erfolg, wie Nathalie Rochat sagt:
„Alle 24 Vogelarten in diesem Impfversuch produzierten neutralisierende und schützende Antikörper gegen das Vogelgrippevirus H5N1, die auch ein Jahr später noch nachweisbar sind.“
Dennoch setzt die Schweiz noch nicht auf Impfungen, denn die Vogelgrippe erfordert länderübergreifende Lösungen. Diese existieren derzeit jedoch nicht. Aus diesem Grund wurde in enger Absprache mit der Branche beschlossen, bei der Impfung nicht die Vorreiterrolle zu übernehmen.
Wie ist die Situation in der Schweiz mit der Vogelgrippe?
In der Schweiz hat sich bisher noch kein Mensch infiziert, eine Übertragung ist bisher äußerst selten. „Geflügelprodukte wie Hühnchen und Eier können ohne Angst gegessen werden. Aus Sicherheitsgründen sollten tot aufgefundene Wildvögel grundsätzlich nicht berührt werden“, erinnert sich Barbara Camenisch. Die Ofag fordert alle Geflügelzüchter dringend auf, ihre Tiere vor der Vogelgrippe zu schützen. Sie sollten vor allem den Kontakt ihrer Tiere mit Wildvögeln verhindern, indem sie beispielsweise ein engmaschiges Netz über dem Gehege anbringen.
Die Anzahl der Fälle pro Jahr hängt von mehreren Faktoren ab. Dabei spielt die Anzahl der Zugvögel ebenso eine Rolle wie die Art der beteiligten Wildvögel. Schwäne und Kraniche verbreiten das Virus kaum. „Beide haben sich letzten Winter gemeldet. Die Zahl der Zugvögel war geringer als in anderen Jahren. Außerdem erkrankten vor allem Schwäne und Kraniche“, erklärt Barbara Camenisch. Letzten Winter gab es in der Schweiz nur einen Fall der Vogelgrippe, und zwar bei einem Schwan. Im November 2016 und Januar 2023 kam es zu größeren Ausbrüchen der Vogelgrippe.
Die Neuigkeiten aus der Schweiz sind da
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