Georg Fischer will künftig nur noch im Geschäft mit Rohrleitungen und in der Haustechnik tätig sein. Der Financier Martin Ebner schnappt sich die Maschinenbausparte des Traditionsunternehmens zu einem günstigen Zeitpunkt.
Industriekonglomerate sind ein Auslaufmodell, schon seit Jahren. In der Schweiz haben sich Konzerne wie ABB, Sulzer, SIG und Dätwyler Schritt für Schritt auf ihr Kerngeschäft konzentriert.
Von der einstigen Conzzeta-Gruppe, die ausser im Anlagenbau auch im Chemiesektor sowie sogar im Geschäft mit Sportbekleidung (Mammut) tätig war, ist lediglich der Maschinenhersteller Bystronic übriggeblieben. Und mit Georg Fischer schickt sich nun auch einer der letzten kotierten Schweizer Mischkonzerne an, sich zu fokussieren.
Raus aus zyklischen Geschäftsaktivitäten
Der Schaffhauser Traditionskonzern Georg Fischer (GF), der seit 1802 besteht, gab am Freitag bekannt, seine Maschinenbausparte an den privaten Konkurrenten United Grinding zu veräussern. Zugleich stellte er in Aussicht, sich auch von der Sparte Casting Solutions trennen zu wollen, die Gussteile aus Leichtmetallen vor allem für die Automobilindustrie herstellt.
Künftig will GF nur noch die beiden miteinander verwandten Sparten Piping Systems und Building Flow Solutions führen. Diese produzieren Rohrleitungen für den Einsatz in- und ausserhalb von Gebäuden. Ihre Aktivitäten sind deutlich weniger konjunkturellen Schwankungen ausgesetzt als der Maschinenbau sowie das Giessereigeschäft.
Investoren wurden ungeduldig
Die Division Building Flow Solutions, die sich um Leitungen im Innenbereich kümmert und dem Bereich Haustechnik zuzurechnen ist, wurde erst mit der Übernahme des finnischen Konkurrenten Uponor geschaffen. Dieser war vor Jahresfrist für 2,1 Milliarden Franken zu GF gestossen.
Die Akquisition stellte die grösste Transaktion in der langen Geschichte des Schweizer Konzerns dar. Und mit ihrem Abschluss waren die Tage von GF als Industriekonglomerat endgültig gezählt. Konzernchef Andreas Müller räumte im Gespräch mit der NZZ ein, dass GF schon länger der Ruf als Mischkonzern negativ angeheftet sei. Dank dem Zusammenschluss mit Uponor sei es für das Unternehmen opportuner geworden, eine neue Richtung einzuschlagen.
Müller glaubt, mit United Grinding einen idealen Partner für die Maschinenbausparte gefunden zu haben. Beide Parteien haben den Sitz in der Schweiz und sind auf die Herstellung von Werkzeugmaschinen für die Produktion hochpräziser Metallteile unter anderem für den Flugzeugbau spezialisiert. Während GF Machining Solutions von Biel aus geführt wird, ist United Grinding in Bern ansässig.
Der Kleinere schluckt den Grösseren
Mehrheitsaktionär von United Grinding ist die Beteiligungsgesellschaft Patinex des Schweizer Financiers Martin Ebner. Patinex ist unter anderem auch am Genfer Bankensoftwarehersteller Temenos und an der Immobiliengruppe Intershop beteiligt. Zudem gehört dem Vehikel des mittlerweile 79-Jährigen sowie seiner Ehefrau Rosemarie Ebner die Fluggesellschaft Helvetic Airways.
Laut Müller sind die Produkte von United Grinding und der Maschinenbausparte von GF komplementär. «Es gibt keine Überlappungen», sagte der Manager.
Im Rahmen des Besitzerwechsels sollen denn auch keine Stellen gestrichen werden. United Grinding beschäftigt weltweit über 2000 Mitarbeitende. Bei GF Machining Solutions sind es knapp 3400, von denen 1400 ihren Arbeitsplatz in der Schweiz haben. Damit ist auch gesagt, dass bei dieser Transaktion offensichtlich der Kleinere den Grösseren schluckt.
Angeschlagener Maschinenbau
Der Kaufpreis für GF Machining Solutions beträgt 630 bis 65o Millionen Franken. Der endgültige Betrag wird davon abhängen, wie weit es dem Geschäftsbereich im kommenden Jahr gelingen wird, einen vorgegebenen Zielwert bei der Profitabilität zu erreichen.
So oder so dürfte Ebner zu einem geschickten Zeitpunkt zugeschlagen und eine für ihn vergleichsweise günstige Bewertung herausgeholt haben. Der Maschinenbau befindet sich weltweit in der Krise. GF Machining Solutions schaffte es in der ersten Hälfte dieses Jahres, auf Stufe Betriebsergebnis (Ebit) lediglich eine schwarze Null zu schreiben.
Nach Einschätzung der Helvetischen Bank hätte der Mutterkonzern die Sparte vor zwei Jahren, als es im Maschinenbau noch rund lief, zu einem wesentlich höheren Preis abstossen können. Anleger zeigten sich am Mittwoch gleichwohl begeistert über den nun beschlossenen Verkauf. Der Aktienkurs von GF stieg bis zum Nachmittag um über 15 Prozent auf knapp 64 Franken. «Die langjährigen Wünsche der Investoren nach einer Fokussierung werden nun erfüllt», hielt die Zürcher Kantonalbank fest.
Giessereisparte leidet unter der Krise im Autosektor
Der Erlös aus der Veräusserung wird GF auch helfen, die im Zuge der Übernahme von Uponor stark gestiegene Nettoverschuldung zu reduzieren. Per 30. Juni 2024 erreichte sie 2 Milliarden Franken, ein Jahr zuvor waren es lediglich rund 100 Millionen Franken gewesen.
Weitere Mittel sollte dem Konzern der geplante Verkauf der Giessereisparte verschaffen, die als Zulieferer besonders der deutschen Autoindustrie momentan stark durch die Krise im Automobilbau herausgefordert wird. Dem Firmenchef schwebt auch in diesem Fall der Verkauf an einen Konkurrenten vor.
Allerdings dürfte der Bereich Casting Solutions mit seinen zurzeit 3700 Beschäftigten (500 davon in der Schweiz) wohl kaum an einen Schweizer Interessenten gehen. Es werde eher ein strategischer Käufer aus dem globalen Umfeld den Zuschlag erhalten, sagt Müller.