Horrorfilme sind beliebt. Warum ist das so?

Horrorfilme sind beliebt. Warum ist das so?
Horrorfilme sind beliebt. Warum ist das so?
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Ein Versuch, das Phänomen Horrorfilm zu verstehen.

«The Shining» aus dem Jahr 1980 basiert auf dem gleichnamigen Roman des Autors Stephen King und ist einer der berühmtesten Horrorfilme der Filmgeschichte. Im Film geschieht in einem Hotel Unheimliches und Übernatürliches.

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Eine Frau ist allein im Hotelzimmer und duscht. Ihr läuft das Wasser übers Gesicht, sie lächelt. Plötzlich erscheint hinter dem Duschvorhang die Silhouette eines Mannes. Er kommt näher, reisst den Vorhang zur Seite, sticht mit einem langen Messer auf die Frau ein. Sie schreit. Blut läuft den Abfluss hinunter. Die Frau verstummt.

Die Szene stammt aus dem berühmten Horrorfilm «Psycho» von Alfred Hitchcock aus dem Jahr 1960. «Psycho» hat das, was Horrorfilme ausmacht: Der Film spielt mit den Ängsten der Leute, er erschreckt sie, löst Unbehagen aus. In Horrorfilmen verstecken sich Clowns im Kleiderschrank, verschwinden Leute, steht ein Fremder auf der Terrasse und blickt ins Wohnzimmer. Auch wegen Horrorfilmen schliessen Leute ihre Tür ab, fürchten sich vor Schatten in der Dunkelheit, erschrecken bei ungewöhnlichen Geräuschen im Haus.

Horrorfilme sind unheimlich, ekelhaft, angsteinflössend. Und sie sind beliebt, vor allem zu Halloween. Warum tut man sich das an? Was löst ein Horrorfilm bei den Zuschauern aus?

Nicht nur Adrenalin-Junkies schauen Horrorfilme

Der Film «Psycho» hat bei seiner Veröffentlichung empört. «Psycho» war überraschend real: Das Böse war früher eine Science-Fiction-Figur oder ein Monster, nun ist es auch eine durchschnittliche Person, schüchtern und unauffällig. Die blutige und brutale Duschszene wurde in mehreren Ländern zensiert, Psychiater warnten vor dem Film, der Produzent Walt Disney bezeichnete ihn als abartig, abstossend, widerwärtig. Erfolgreich war der Film trotzdem. Oder gerade deshalb.

Der amerikanische Verhaltenswissenschafter Coltan Scrivner ist einer der bekanntesten Experten des Horrors in Film und Literatur. Scrivner beschreibt in seiner Arbeit drei Personengruppen, die Horrorfilme schauen. Die Adrenalin-Junkies: Sie geniessen den Nervenkitzel und das Gefühl der Angst. Laut Scrivner sind sie unter den Horror-Fans eine Minderheit. Die zweite und grösste Gruppe sind die sogenannten «White Knucklers»: Leute, die sich Situationen stellen, obwohl sie dabei ein hohes Level an Angst und Stress verspüren. Sie schauen sich Horrorfilme an, um ihre Grenzen zu testen, sich herauszufordern, persönlich daran zu wachsen.

Die dritte Gruppe sind die sogenannten «Dark Copers»: Sie schauen Horrorfilme, um mit fiktiver Bedrohung existenzielle Probleme und negative Gefühle zu verarbeiten. Nervöse Menschen oder solche mit Angstzuständen lenken sich durch Horrorfilme von der eigentlichen Ursache ihrer Angst ab. Sie fürchten sich lieber vor der gruseligen Clown-Puppe als vor den steigenden Krankenkassenprämien.

Oder wie der Horror-Autor Stephen King bereits 1981 sagte: «Wir erfinden den Horror, um mit dem echten fertigzuwerden.»

Der positive Effekt negativer Gefühle

Laut dem Verhaltenswissenschafter Coltan Scrivner haben viele Horror-Fans eine, wie er sie nennt, morbide Neugier. Diese sind überdurchschnittlich interessiert an Verbrechen, Katastrophen, menschlichen Abgründen. Sie halten die Welt bereits für gefährlich, der Grusel im Film erschreckt sie kaum.

Laut Scrivner sind Horrorfilme für Erwachsene zudem wie ein Spiel: Sie machen neugierig, sind unvorhersehbar, überraschen. Der Reiz daran ist vergleichbar mit der Freude, die Kinder verspüren, wenn man sie jagt oder erschreckt.

Aber kann das allein den Erfolg der Horrorfilme erklären?

Im Film «Hostel» zahlen Männer Geld, um entführte Touristen in einem Keller zu zerstückeln. In «The Human Centipede» will ein Forscher drei Menschen an Mund und Anus zusammennähen, damit sie wie ein Hundertfüsser umherkrabbeln müssen. In «Texas Chainsaw Massacre» trägt ein Killer eine fürchterliche Maske aus Menschenhaut und tötet Leute mit einer Kettensäge. Manche Handlungen sind dermassen widerwärtig, dass man sich fragt, wie der Drehbuchautor auf die Idee kommen konnte.

Im Film «Es» aus dem Jahr 2017 treibt die unheimliche Clown-Gestalt Pennywise ihr Unwesen.

Brooke Palmer

Und doch beschreiben viele Menschen das Horror-Erlebnis als positiv. Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen negative Gefühle besonders intensiv erleben und stärker in Erinnerung behalten. Bilder oder , die negative Gefühle auslösen, werden gar als interessanter, bewegender und schöner wahrgenommen. Der schottische Philosoph David Hume nannte es das «Paradox der Tragödie».

Die Zuschauer geniessen den Horrorfilm also, gerade weil er negative Gefühle wie Angst oder Ekel auslöst.

Ein weiterer Grund für das positive Gefühl nach einem Horrorfilm ist das Glückshormon Dopamin. Bei Angst fluten die Stresshormone Adrenalin und Cortisol den Körper. Die Herzfrequenz sinkt und steigt kurz darauf stark an. Muskeln verkrampfen, Pupillen erweitern sich, der Atem wird intensiver, Schweiss dringt aus den Poren, der Blutdruck geht hoch. Der Körper verhält sich wie in einer realen Bedrohungslage.

Wenn sie vorüber ist, fühlt es sich an, als hätte man sie gerade selbst gemeistert und überlebt. Der Körper stösst Dopamin aus: ein Rausch von Lust, Erleichterung, Euphorie.

Forscher vergleichen das körperliche Erlebnis eines Horrorfilms auch mit jenem einer Achterbahnfahrt oder eines Bungee-Sprungs. Der Vorteil des Films: Man kann ihn stoppen, wegschauen, davonlaufen, wenn es zu viel wird. Der Nachteil: Besonders brutale und widerwärtige Bilder bleiben im Gedächtnis und können für schlaflose Nächte sorgen.

Vielleicht doch nochmals im Schrank nachschauen, ob da wirklich niemand ist?

Mehr Resilienz dank Horror

Das Recreational Fear Lab der Aarhus-Universität in Dänemark erforscht die Bedeutung der Angst als Spassfaktor bei Freizeitaktivitäten. Etwa in Geisterhäusern oder beim Schauen von Horrorfilmen. Der dänische Literaturprofessor Mathias Clasen ist Co-Leiter des Labors. Er sagt, Horrorfilme könnten gar einen therapeutischen Charakter haben. Zuschauer sammelten mit den Filmen Erfahrungen mit negativen Situationen und Emotionen, und zwar in einer Intensität, wie sie im realen Leben kaum vorkomme.

Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Menschen dank Horrorfilmen mental besser auf schwierige Situationen vorbereiten können. Eine Umfrage der Universität in Chicago während der Corona-Pandemie ergab, dass Horror-Fans psychisch widerstandsfähiger waren. Sie konnten besser schlafen, fühlten sich weniger gereizt, weniger ängstlich.

In anderen Worten: Mit Horrorfilmen können Menschen Szenarien von Angst und Schrecken erproben. Und sie können lernen, Angstzustände zu überwinden. Auf dem eigenen Sofa, mit Popcorn und Bier.

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